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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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guten vernünfftigen Rath nicht folgen, sondern der Renomiste stack Ihm in Kopffe, daß er sich vermasse, er solte und müste revange haben, es möchte Ihm auch kosten was es wolle, und müste doch ein Recht für Ihn in der Welt seyn. Nun war dieser Mensch zwar recht für die ungewissenhafften Advocaten, die auch wohl unschuldige, friedfertige, geschweige denn zancksüchtige Leute, antreiben, daß Sie auch die geringste injurie nicht ungerochen lassen, geschweige denn eine dichte und derbe Maulschelle; Aber es mangelte denenselben in diesem casu an allerbesten. Denn ob Sie wohl sich bald darinnen verglichen, ob Sie actionem aestimatoriam, oder ad palinodiam, oder poenalem auff Staupenschlag und ewige Landes-Verweisung, oder alle drey zugleiche anstellen könten oder nicht; so waren Sie doch in dem nothwendigsten punct nicht einig, konten auch gestalten Sachen, oder beschaffenen Umbständen nach nicht wohl einig werden, wem Sie doch wohl die erschreckliche, und mit allen damahls gebräuchlichen, so wohl nöthigen als überflüßigen und zum Theil absurden Formuln und clausuln angefüllete Klage insinuiren lassen solten, daß es dem Beklagten richtig insinuiret, und diesem zuförderst die exceptio non rite factae insinuationis gäntzlich abgeschnitten würde. Dieses war nun freylich ein Haupt-Mangel. Nichts desto weniger bliebe der rachgierige Mensch auf seinen fünff Augen, und meinete endlich: man solte Ihm das Leben nicht so sauer und die Sache nicht so schwer machen. Er hätte bißher Sie, seine Advocaten für berühmte Juristen gehalten, und sähe nunmehro leider, daß Sie elende Stümper wären. Ob Sie etwan meineten, daß es Ihm an den bagatelle Geld gelegen wäre, wenn Sie über die streitige Frage ein responsum bey einem Rechts-Collegio einhohlen würden. Wenn sie sich ja nicht gleich vergleichen könten, solten Sie bey dem nächsten Schöppenstuhl (und zwar ie eher ie lieber, weil periculum in mora wäre, und derjenige, so Ihm die Maulschelle gegeben, etwa sonsten durchgehen möchte) dieses puncts halber sich informiren, und alsbald nach erhaltenen responso, das libell fertig machen. Die Advocaten zuckten zwar die Achsel; weil Sie aber den Menschen nicht noch mehr erzürnen wolten, sondern von Ihm als einem, der viel Geld hatte, noch manchen Pfennig zu verdienen trachteten, folgten Sie seinen Willen, und setzten in optima forma eine Urtheils-Frage auff. Die Herren Schöppen machten sich in Beantwortung derselben keine sonderliche Mühe, sondern schickten dem Herrn Quaerenten, iedoch Praem. Praem. folgende kurtze Antwort zu: Habt Ihr eine Ohrfeige bekommen, und wisset nicht von wem; so seyd Ihr dieselbige zu behalten schuldig. V. R. W.

guten vernünfftigen Rath nicht folgen, sondern der Renomiste stack Ihm in Kopffe, daß er sich vermasse, er solte und müste revange haben, es möchte Ihm auch kosten was es wolle, und müste doch ein Recht für Ihn in der Welt seyn. Nun war dieser Mensch zwar recht für die ungewissenhafften Advocaten, die auch wohl unschuldige, friedfertige, geschweige denn zancksüchtige Leute, antreiben, daß Sie auch die geringste injurie nicht ungerochen lassen, geschweige denn eine dichte und derbe Maulschelle; Aber es mangelte denenselben in diesem casu an allerbesten. Denn ob Sie wohl sich bald darinnen verglichen, ob Sie actionem aestimatoriam, oder ad palinodiam, oder poenalem auff Staupenschlag und ewige Landes-Verweisung, oder alle drey zugleiche anstellen könten oder nicht; so waren Sie doch in dem nothwendigsten punct nicht einig, konten auch gestalten Sachen, oder beschaffenen Umbständen nach nicht wohl einig werden, wem Sie doch wohl die erschreckliche, und mit allen damahls gebräuchlichen, so wohl nöthigen als überflüßigen und zum Theil absurden Formuln und clausuln angefüllete Klage insinuiren lassen solten, daß es dem Beklagten richtig insinuiret, und diesem zuförderst die exceptio non rite factae insinuationis gäntzlich abgeschnitten würde. Dieses war nun freylich ein Haupt-Mangel. Nichts desto weniger bliebe der rachgierige Mensch auf seinen fünff Augen, und meinete endlich: man solte Ihm das Leben nicht so sauer und die Sache nicht so schwer machen. Er hätte bißher Sie, seine Advocaten für berühmte Juristen gehalten, und sähe nunmehro leider, daß Sie elende Stümper wären. Ob Sie etwan meineten, daß es Ihm an den bagatelle Geld gelegen wäre, wenn Sie über die streitige Frage ein responsum bey einem Rechts-Collegio einhohlen würden. Wenn sie sich ja nicht gleich vergleichen könten, solten Sie bey dem nächsten Schöppenstuhl (und zwar ie eher ie lieber, weil periculum in mora wäre, und derjenige, so Ihm die Maulschelle gegeben, etwa sonsten durchgehen möchte) dieses puncts halber sich informiren, und alsbald nach erhaltenen responso, das libell fertig machen. Die Advocaten zuckten zwar die Achsel; weil Sie aber den Menschen nicht noch mehr erzürnen wolten, sondern von Ihm als einem, der viel Geld hatte, noch manchen Pfennig zu verdienen trachteten, folgten Sie seinen Willen, und setzten in optima forma eine Urtheils-Frage auff. Die Herren Schöppen machten sich in Beantwortung derselben keine sonderliche Mühe, sondern schickten dem Herrn Quaerenten, iedoch Praem. Praem. folgende kurtze Antwort zu: Habt Ihr eine Ohrfeige bekommen, und wisset nicht von wem; so seyd Ihr dieselbige zu behalten schuldig. V. R. W.

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[153/0169] guten vernünfftigen Rath nicht folgen, sondern der Renomiste stack Ihm in Kopffe, daß er sich vermasse, er solte und müste revange haben, es möchte Ihm auch kosten was es wolle, und müste doch ein Recht für Ihn in der Welt seyn. Nun war dieser Mensch zwar recht für die ungewissenhafften Advocaten, die auch wohl unschuldige, friedfertige, geschweige denn zancksüchtige Leute, antreiben, daß Sie auch die geringste injurie nicht ungerochen lassen, geschweige denn eine dichte und derbe Maulschelle; Aber es mangelte denenselben in diesem casu an allerbesten. Denn ob Sie wohl sich bald darinnen verglichen, ob Sie actionem aestimatoriam, oder ad palinodiam, oder poenalem auff Staupenschlag und ewige Landes-Verweisung, oder alle drey zugleiche anstellen könten oder nicht; so waren Sie doch in dem nothwendigsten punct nicht einig, konten auch gestalten Sachen, oder beschaffenen Umbständen nach nicht wohl einig werden, wem Sie doch wohl die erschreckliche, und mit allen damahls gebräuchlichen, so wohl nöthigen als überflüßigen und zum Theil absurden Formuln und clausuln angefüllete Klage insinuiren lassen solten, daß es dem Beklagten richtig insinuiret, und diesem zuförderst die exceptio non rite factae insinuationis gäntzlich abgeschnitten würde. Dieses war nun freylich ein Haupt-Mangel. Nichts desto weniger bliebe der rachgierige Mensch auf seinen fünff Augen, und meinete endlich: man solte Ihm das Leben nicht so sauer und die Sache nicht so schwer machen. Er hätte bißher Sie, seine Advocaten für berühmte Juristen gehalten, und sähe nunmehro leider, daß Sie elende Stümper wären. Ob Sie etwan meineten, daß es Ihm an den bagatelle Geld gelegen wäre, wenn Sie über die streitige Frage ein responsum bey einem Rechts-Collegio einhohlen würden. Wenn sie sich ja nicht gleich vergleichen könten, solten Sie bey dem nächsten Schöppenstuhl (und zwar ie eher ie lieber, weil periculum in mora wäre, und derjenige, so Ihm die Maulschelle gegeben, etwa sonsten durchgehen möchte) dieses puncts halber sich informiren, und alsbald nach erhaltenen responso, das libell fertig machen. Die Advocaten zuckten zwar die Achsel; weil Sie aber den Menschen nicht noch mehr erzürnen wolten, sondern von Ihm als einem, der viel Geld hatte, noch manchen Pfennig zu verdienen trachteten, folgten Sie seinen Willen, und setzten in optima forma eine Urtheils-Frage auff. Die Herren Schöppen machten sich in Beantwortung derselben keine sonderliche Mühe, sondern schickten dem Herrn Quaerenten, iedoch Praem. Praem. folgende kurtze Antwort zu: Habt Ihr eine Ohrfeige bekommen, und wisset nicht von wem; so seyd Ihr dieselbige zu behalten schuldig. V. R. W.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/169>, abgerufen am 23.11.2024.