Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.fangen. Dieser aber sahe wohl aus dem context des rescripts, daß, unerachtet das datum in der Copey ware ausgelassen worden, dennoch das rescript per falsa narrata sub & obreptitie erst nach erhaltener Commission ausgewürckt worden wäre. Solchergestalt nun ware es dem denunciato nicht schwer, die Sache gleichfalls bey Hoffe vorzustellen, und durch schlechte Erzehlung der Warheit und des von dem Commissario gebrauchten Unfugs ein ander rescript zu erhalten, daß er ihn noch zur Zeit mit Frieden lassen solte &c. §. III. Doch dergleichen Freyheiten dürffen sich die denuntiantenGegeneinander-Haltung der Partheyligkeit der Richter, und der falschen denuncianten. insgemein nicht unterfangen, wenn nemlich selbige, wie öffters geschiehet, nicht von vornehmen Stande und Ansehen oder sehr vermögend sind. Denn je vornehmer und mächtiger jemand ist, je weniger pflegt er sich, wenn er seinen lasterhafften Gemüths-Neigungen Gehör giebt, zu schämen. Dannenhero wird man befinden, daß auch gehäßige und verleumderische Denuntianten ihrer Denuntiation einige wahrscheinliche Umstände beyzufügen wissen, die auch verständige Richter, wenn sie nicht sehr behutsam gehen, einnehmen, und bey demselben den denuntiatum verdächtig machen können. §. IV. Alles dieses, was bißher angemercket worden, wird durch folgendesOccasion gegenwärtiges responsi, und dessen Inhalt. responsum erläutert. Anno 1693. mens. Januar. wurde über gegenwärtigen casum ein responsum von unserer Facultät begehret. Ein Closter-Verwalter hatte den Korn-Schreiber wegen vieler Dinge, absonderlich aber wegen Betrugs und Verfälschung des Kornmasses denunciret. Er protestirte solenniter, daß er die Denuntiation nicht aus böser Meinung, sondern zu des Closters Besten thäte. Die Sache befand sich auch, daß das Maaß, dessen sich der Korn-Schreiber bey dem Verkauff des Korns bedienete, kleiner als dasjenige war, nach welchen Ihm solches zugemessen wurde, ingleichen daß er bey Abwegung des Brods zur Spende und Pröffen kein recht Gewichte gebraucht, und man hatte ausgerechnet, daß der Korn-Schreiber in denen 12. Jahren seiner Dienste nur an diesem Brodte alleine 24480. Pfund Brodt übermasse behalten hätte. Der Korn-Schreiber gestande auch bey Abhörung ad articulos dieses ihm imputirte falsum; und also schien die Sache richtig und nichts mehr übrig zu seyn, als, daß der Korn-Schreiber als ein falsarius zu condemniren, der Closter-Verwalter aber als ein treuer Closter-Bedienter, der nach seinen Pflichten und Gewissen gehandelt, billig zu loben wäre. Aber wie es sonsten heißt, quod minima circumstantia variet jus, und ein unpartheyischer Richter auch die armen denunciatos mit ihrer Nothdurfft hören fangen. Dieser aber sahe wohl aus dem context des rescripts, daß, unerachtet das datum in der Copey ware ausgelassen worden, dennoch das rescript per falsa narrata sub & obreptitie erst nach erhaltener Commission ausgewürckt worden wäre. Solchergestalt nun ware es dem denunciato nicht schwer, die Sache gleichfalls bey Hoffe vorzustellen, und durch schlechte Erzehlung der Warheit und des von dem Commissario gebrauchten Unfugs ein ander rescript zu erhalten, daß er ihn noch zur Zeit mit Frieden lassen solte &c. §. III. Doch dergleichen Freyheiten dürffen sich die denuntiantenGegeneinander-Haltung der Partheyligkeit der Richter, und der falschen denuncianten. insgemein nicht unterfangen, wenn nemlich selbige, wie öffters geschiehet, nicht von vornehmen Stande und Ansehen oder sehr vermögend sind. Denn je vornehmer und mächtiger jemand ist, je weniger pflegt er sich, wenn er seinen lasterhafften Gemüths-Neigungen Gehör giebt, zu schämen. Dannenhero wird man befinden, daß auch gehäßige und verleumderische Denuntianten ihrer Denuntiation einige wahrscheinliche Umstände beyzufügen wissen, die auch verständige Richter, wenn sie nicht sehr behutsam gehen, einnehmen, und bey demselben den denuntiatum verdächtig machen können. §. IV. Alles dieses, was bißher angemercket worden, wird durch folgendesOccasion gegenwärtiges responsi, und dessen Inhalt. responsum erläutert. Anno 1693. mens. Januar. wurde über gegenwärtigen casum ein responsum von unserer Facultät begehret. Ein Closter-Verwalter hatte den Korn-Schreiber wegen vieler Dinge, absonderlich aber wegen Betrugs und Verfälschung des Kornmasses denunciret. Er protestirte solenniter, daß er die Denuntiation nicht aus böser Meinung, sondern zu des Closters Besten thäte. Die Sache befand sich auch, daß das Maaß, dessen sich der Korn-Schreiber bey dem Verkauff des Korns bedienete, kleiner als dasjenige war, nach welchen Ihm solches zugemessen wurde, ingleichen daß er bey Abwegung des Brods zur Spende und Pröffen kein recht Gewichte gebraucht, und man hatte ausgerechnet, daß der Korn-Schreiber in denen 12. Jahren seiner Dienste nur an diesem Brodte alleine 24480. Pfund Brodt übermasse behalten hätte. Der Korn-Schreiber gestande auch bey Abhörung ad articulos dieses ihm imputirte falsum; und also schien die Sache richtig und nichts mehr übrig zu seyn, als, daß der Korn-Schreiber als ein falsarius zu condemniren, der Closter-Verwalter aber als ein treuer Closter-Bedienter, der nach seinen Pflichten und Gewissen gehandelt, billig zu loben wäre. Aber wie es sonsten heißt, quod minima circumstantia variet jus, und ein unpartheyischer Richter auch die armen denunciatos mit ihrer Nothdurfft hören <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0125" n="109"/> fangen. 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Dannenhero wird man befinden, daß auch gehäßige und verleumderische Denuntianten ihrer Denuntiation einige wahrscheinliche Umstände beyzufügen wissen, die auch verständige Richter, wenn sie nicht sehr behutsam gehen, einnehmen, und bey demselben den denuntiatum verdächtig machen können.</p> <p>§. IV. Alles dieses, was bißher angemercket worden, wird durch folgendes<note place="right"><hi rendition="#i">Occasion</hi> gegenwärtiges <hi rendition="#i">responsi</hi>, und dessen Inhalt.</note> responsum erläutert. Anno 1693. mens. Januar. wurde über gegenwärtigen casum ein responsum von unserer Facultät begehret. Ein Closter-Verwalter hatte den Korn-Schreiber wegen vieler Dinge, absonderlich aber wegen Betrugs und Verfälschung des Kornmasses denunciret. Er protestirte solenniter, daß er die Denuntiation nicht aus böser Meinung, sondern zu des Closters Besten thäte. Die Sache befand sich auch, daß das Maaß, dessen sich der Korn-Schreiber bey dem Verkauff des Korns bedienete, kleiner als dasjenige war, nach welchen Ihm solches zugemessen wurde, ingleichen daß er bey Abwegung des Brods zur Spende und Pröffen kein recht Gewichte gebraucht, und man hatte ausgerechnet, daß der Korn-Schreiber in denen 12. Jahren seiner Dienste nur an diesem Brodte alleine 24480. Pfund Brodt übermasse behalten hätte. Der Korn-Schreiber gestande auch bey Abhörung ad articulos dieses ihm imputirte falsum; und also schien die Sache richtig und nichts mehr übrig zu seyn, als, daß der Korn-Schreiber als ein falsarius zu condemniren, der Closter-Verwalter aber als ein treuer Closter-Bedienter, der nach seinen Pflichten und Gewissen gehandelt, billig zu loben wäre. Aber wie es sonsten heißt, quod minima circumstantia variet jus, und ein unpartheyischer Richter auch die armen denunciatos mit ihrer Nothdurfft hören </p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0125]
fangen. Dieser aber sahe wohl aus dem context des rescripts, daß, unerachtet das datum in der Copey ware ausgelassen worden, dennoch das rescript per falsa narrata sub & obreptitie erst nach erhaltener Commission ausgewürckt worden wäre. Solchergestalt nun ware es dem denunciato nicht schwer, die Sache gleichfalls bey Hoffe vorzustellen, und durch schlechte Erzehlung der Warheit und des von dem Commissario gebrauchten Unfugs ein ander rescript zu erhalten, daß er ihn noch zur Zeit mit Frieden lassen solte &c.
§. III. Doch dergleichen Freyheiten dürffen sich die denuntianten insgemein nicht unterfangen, wenn nemlich selbige, wie öffters geschiehet, nicht von vornehmen Stande und Ansehen oder sehr vermögend sind. Denn je vornehmer und mächtiger jemand ist, je weniger pflegt er sich, wenn er seinen lasterhafften Gemüths-Neigungen Gehör giebt, zu schämen. Dannenhero wird man befinden, daß auch gehäßige und verleumderische Denuntianten ihrer Denuntiation einige wahrscheinliche Umstände beyzufügen wissen, die auch verständige Richter, wenn sie nicht sehr behutsam gehen, einnehmen, und bey demselben den denuntiatum verdächtig machen können.
Gegeneinander-Haltung der Partheyligkeit der Richter, und der falschen denuncianten. §. IV. Alles dieses, was bißher angemercket worden, wird durch folgendes responsum erläutert. Anno 1693. mens. Januar. wurde über gegenwärtigen casum ein responsum von unserer Facultät begehret. Ein Closter-Verwalter hatte den Korn-Schreiber wegen vieler Dinge, absonderlich aber wegen Betrugs und Verfälschung des Kornmasses denunciret. Er protestirte solenniter, daß er die Denuntiation nicht aus böser Meinung, sondern zu des Closters Besten thäte. Die Sache befand sich auch, daß das Maaß, dessen sich der Korn-Schreiber bey dem Verkauff des Korns bedienete, kleiner als dasjenige war, nach welchen Ihm solches zugemessen wurde, ingleichen daß er bey Abwegung des Brods zur Spende und Pröffen kein recht Gewichte gebraucht, und man hatte ausgerechnet, daß der Korn-Schreiber in denen 12. Jahren seiner Dienste nur an diesem Brodte alleine 24480. Pfund Brodt übermasse behalten hätte. Der Korn-Schreiber gestande auch bey Abhörung ad articulos dieses ihm imputirte falsum; und also schien die Sache richtig und nichts mehr übrig zu seyn, als, daß der Korn-Schreiber als ein falsarius zu condemniren, der Closter-Verwalter aber als ein treuer Closter-Bedienter, der nach seinen Pflichten und Gewissen gehandelt, billig zu loben wäre. Aber wie es sonsten heißt, quod minima circumstantia variet jus, und ein unpartheyischer Richter auch die armen denunciatos mit ihrer Nothdurfft hören
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/125>, abgerufen am 16.02.2025. |