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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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überall aus diesen verderbten Wesen herkommende Früchte sind diese, daß wir täglich erfahren, wie hämische und listige Feinde auch denen Unschuldigen, nicht durch offenbahre Gewalt, sondern durch dergleichen Angeberey Schaden zu thun, und selbige in die Inquisition zu bringen suchen. Absonderlich aber werden viele in folgenden vorzustellende Händel deutlich weisen, daß fürnemlich diejenigen, die so zu sagen Collegen in einem Amt oder dessen administration sind, (als in gegenwärtigen Handel der Closter-Verwalter und Korn-Schreiber, item Raths-Verwandten, Professores, Räthe bey Hofe) wieder einander, ingleichen die Obern wieder die Untern, oder diese wieder jene, die Richter wieder Advocaten, oder die Advocaten wieder die Richter, Ihre Feindschafft auszuüben, dergleichen denunciationen zu gebrauchen, und mehrentheils, weil Sie in keine Gefahr dabey lauffen, zu mißbrauchen pflegen.

§. II. Jedoch müssen wir nicht allen Mißbrauch, der bey uns in inquisitions-ProcessenIngleichen von denen ex essen der Richter in Inquisitions. Sachen nebst einem artigen Exempel davon. vorgehet, dem Päbstischen Recht zuschreiben, immassen ich allbereit ad Lancelottum lib. 4. not. 23. p. 1719. erinnert habe, daß viele von unsern Richtern, Ihren Haß und Feindschafft in denen inquisitions-Processen wieder diejenigen, denen Sie schaden wollen, dann und wann noch unverschämter Weise auszulassen pflegen, als nach denen Regeln des Päbstischen Rechts zu thun vergönnet ist, von welcher Materie künfftig sich schon auch exempla finden werden. Jetzo nur in specie etwas von Commissariis zu gedencken, ist bekant, daß die Commissarii überhaupt nicht alles thun dörffen, was ordentlichen Richtern zu thun zugelassen ist; sondern Sie müssen die Ihnen in dem Commissions-Befehl fürgesetzte Schrancken nicht überschreiten, und in diesen Ansehen sind sie schuldig denen bey denen Commissionen interessirten Partheyen Ihre Commissiones vorzulegen, oder auch wohl Copey davon zu ertheilen. Daß Sie aber sehr offte die Gräntzen Ihrer Commissionen gantz gröblich überschreiten, weiset gleichfalls die tägliche Erfahrung und gegenwärtiges Exempel; ob ich gleich diejenigen, so solches thun, deßhalben nicht eben für gottlose, böse Leute halten kan, indem sie eben so wohl als andre Gelehrte sich bereden können, daß Sie diesen excess und Uberschreitung Ihrer Commission zu GOttes Ehre und zu Beförderung des gemeinen Bestens, d. i. die heimlichen Ubelthaten zu entdecken und zu bestraffen, thäten. Ich habe einen vortrefflichen und sehr berühmten JCtum gekant, dem einsmahls eine Commission auffgetragen wurde, wegen eines ehrlichen Manns, den scheinheilige Menschen denunciret hatten, in genere zu inquiriren. Nachdem aber dieser JCtus der denuntianten (zum wenig-

überall aus diesen verderbten Wesen herkommende Früchte sind diese, daß wir täglich erfahren, wie hämische und listige Feinde auch denen Unschuldigen, nicht durch offenbahre Gewalt, sondern durch dergleichen Angeberey Schaden zu thun, und selbige in die Inquisition zu bringen suchen. Absonderlich aber werden viele in folgenden vorzustellende Händel deutlich weisen, daß fürnemlich diejenigen, die so zu sagen Collegen in einem Amt oder dessen administration sind, (als in gegenwärtigen Handel der Closter-Verwalter und Korn-Schreiber, item Raths-Verwandten, Professores, Räthe bey Hofe) wieder einander, ingleichen die Obern wieder die Untern, oder diese wieder jene, die Richter wieder Advocaten, oder die Advocaten wieder die Richter, Ihre Feindschafft auszuüben, dergleichen denunciationen zu gebrauchen, und mehrentheils, weil Sie in keine Gefahr dabey lauffen, zu mißbrauchen pflegen.

§. II. Jedoch müssen wir nicht allen Mißbrauch, der bey uns in inquisitions-ProcessenIngleichen von denen ex essen der Richter in Inquisitions. Sachen nebst einem artigen Exempel davon. vorgehet, dem Päbstischen Recht zuschreiben, immassen ich allbereit ad Lancelottum lib. 4. not. 23. p. 1719. erinnert habe, daß viele von unsern Richtern, Ihren Haß und Feindschafft in denen inquisitions-Processen wieder diejenigen, denen Sie schaden wollen, dann und wann noch unverschämter Weise auszulassen pflegen, als nach denen Regeln des Päbstischen Rechts zu thun vergönnet ist, von welcher Materie künfftig sich schon auch exempla finden werden. Jetzo nur in specie etwas von Commissariis zu gedencken, ist bekant, daß die Commissarii überhaupt nicht alles thun dörffen, was ordentlichen Richtern zu thun zugelassen ist; sondern Sie müssen die Ihnen in dem Commissions-Befehl fürgesetzte Schrancken nicht überschreiten, und in diesen Ansehen sind sie schuldig denen bey denen Commissionen interessirten Partheyen Ihre Commissiones vorzulegen, oder auch wohl Copey davon zu ertheilen. Daß Sie aber sehr offte die Gräntzen Ihrer Commissionen gantz gröblich überschreiten, weiset gleichfalls die tägliche Erfahrung und gegenwärtiges Exempel; ob ich gleich diejenigen, so solches thun, deßhalben nicht eben für gottlose, böse Leute halten kan, indem sie eben so wohl als andre Gelehrte sich bereden können, daß Sie diesen excess und Uberschreitung Ihrer Commission zu GOttes Ehre und zu Beförderung des gemeinen Bestens, d. i. die heimlichen Ubelthaten zu entdecken und zu bestraffen, thäten. Ich habe einen vortrefflichen und sehr berühmten JCtum gekant, dem einsmahls eine Commission auffgetragen wurde, wegen eines ehrlichen Manns, den scheinheilige Menschen denunciret hatten, in genere zu inquiriren. Nachdem aber dieser JCtus der denuntianten (zum wenig-

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[107/0123] überall aus diesen verderbten Wesen herkommende Früchte sind diese, daß wir täglich erfahren, wie hämische und listige Feinde auch denen Unschuldigen, nicht durch offenbahre Gewalt, sondern durch dergleichen Angeberey Schaden zu thun, und selbige in die Inquisition zu bringen suchen. Absonderlich aber werden viele in folgenden vorzustellende Händel deutlich weisen, daß fürnemlich diejenigen, die so zu sagen Collegen in einem Amt oder dessen administration sind, (als in gegenwärtigen Handel der Closter-Verwalter und Korn-Schreiber, item Raths-Verwandten, Professores, Räthe bey Hofe) wieder einander, ingleichen die Obern wieder die Untern, oder diese wieder jene, die Richter wieder Advocaten, oder die Advocaten wieder die Richter, Ihre Feindschafft auszuüben, dergleichen denunciationen zu gebrauchen, und mehrentheils, weil Sie in keine Gefahr dabey lauffen, zu mißbrauchen pflegen. §. II. Jedoch müssen wir nicht allen Mißbrauch, der bey uns in inquisitions-Processen vorgehet, dem Päbstischen Recht zuschreiben, immassen ich allbereit ad Lancelottum lib. 4. not. 23. p. 1719. erinnert habe, daß viele von unsern Richtern, Ihren Haß und Feindschafft in denen inquisitions-Processen wieder diejenigen, denen Sie schaden wollen, dann und wann noch unverschämter Weise auszulassen pflegen, als nach denen Regeln des Päbstischen Rechts zu thun vergönnet ist, von welcher Materie künfftig sich schon auch exempla finden werden. Jetzo nur in specie etwas von Commissariis zu gedencken, ist bekant, daß die Commissarii überhaupt nicht alles thun dörffen, was ordentlichen Richtern zu thun zugelassen ist; sondern Sie müssen die Ihnen in dem Commissions-Befehl fürgesetzte Schrancken nicht überschreiten, und in diesen Ansehen sind sie schuldig denen bey denen Commissionen interessirten Partheyen Ihre Commissiones vorzulegen, oder auch wohl Copey davon zu ertheilen. Daß Sie aber sehr offte die Gräntzen Ihrer Commissionen gantz gröblich überschreiten, weiset gleichfalls die tägliche Erfahrung und gegenwärtiges Exempel; ob ich gleich diejenigen, so solches thun, deßhalben nicht eben für gottlose, böse Leute halten kan, indem sie eben so wohl als andre Gelehrte sich bereden können, daß Sie diesen excess und Uberschreitung Ihrer Commission zu GOttes Ehre und zu Beförderung des gemeinen Bestens, d. i. die heimlichen Ubelthaten zu entdecken und zu bestraffen, thäten. Ich habe einen vortrefflichen und sehr berühmten JCtum gekant, dem einsmahls eine Commission auffgetragen wurde, wegen eines ehrlichen Manns, den scheinheilige Menschen denunciret hatten, in genere zu inquiriren. Nachdem aber dieser JCtus der denuntianten (zum wenig- Ingleichen von denen ex essen der Richter in Inquisitions. Sachen nebst einem artigen Exempel davon.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/123>, abgerufen am 25.04.2024.