Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterthänigste
cken aus denenselben beurtheilet werden kön-
nen. Die eine darvon ist diejenige/ so gerade
zur höchsten Glückseligkeit führet/ nemlich
die vernünfftige Liebe anderer Menschen.
Die andern drey aber sind die Liebe zur
Wollust/ die Liebe zur eitelen Ehre/ und
die Liebe zum Gelde.
Diese dreye gehören
an und vor sich selbst zur unvernünfftigen Lie-
be/ und führen den Menschen unter dem
Schein einer wahren Glückseligkeit von der
Gemüths-Ruhe in eine stetswehrende Unru-
he/ wiewohl immer eine von der vernünfftigen
Liebe weiter entfernet ist als die andere. Die
Wollust-Liebe
ist derselben noch am nächsten/
weil sie doch noch mehrentheils mit Treuher-
tzigkeit und Barmhertzigkeit vergesellschafftet
ist/ und die Wahrheit zu sagen nicht so sehr
anderen Menschen als sich selbsten schadet.
Die Liebe zur eitelen Ehre ist schon weiter
entfernet/ denn hier ist mehr Neyd/ Miß-
trauen/ Unbarmhertzigkeit/ Falschheit/ Be-
trug/ und man schonet seine Ehrgierde zu be-
gnügen keines Menschen. Jedoch kan man
solche Leute noch in Menschlicher Gesellschafft
brauchen/ weil sie gemeiniglich von grossen

Ver-

Unterthaͤnigſte
cken aus denenſelben beurtheilet werden koͤn-
nen. Die eine darvon iſt diejenige/ ſo gerade
zur hoͤchſten Gluͤckſeligkeit fuͤhret/ nemlich
die vernuͤnfftige Liebe anderer Menſchen.
Die andern drey aber ſind die Liebe zur
Wolluſt/ die Liebe zur eitelen Ehre/ und
die Liebe zum Gelde.
Dieſe dreye gehoͤren
an und vor ſich ſelbſt zur unvernuͤnfftigen Lie-
be/ und fuͤhren den Menſchen unter dem
Schein einer wahren Gluͤckſeligkeit von der
Gemuͤths-Ruhe in eine ſtetswehrende Unru-
he/ wiewohl immer eine von der vernuͤnfftigen
Liebe weiter entfernet iſt als die andere. Die
Wolluſt-Liebe
iſt derſelben noch am naͤchſten/
weil ſie doch noch mehrentheils mit Treuher-
tzigkeit und Barmhertzigkeit vergeſellſchafftet
iſt/ und die Wahrheit zu ſagen nicht ſo ſehr
anderen Menſchen als ſich ſelbſten ſchadet.
Die Liebe zur eitelen Ehre iſt ſchon weiter
entfernet/ denn hier iſt mehr Neyd/ Miß-
trauen/ Unbarmhertzigkeit/ Falſchheit/ Be-
trug/ und man ſchonet ſeine Ehrgierde zu be-
gnuͤgen keines Menſchen. Jedoch kan man
ſolche Leute noch in Menſchlicher Geſellſchafft
brauchen/ weil ſie gemeiniglich von groſſen

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0004"/><fw place="top" type="header">Untertha&#x0364;nig&#x017F;te</fw><lb/>
cken aus denen&#x017F;elben beurtheilet werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Die eine darvon i&#x017F;t diejenige/ &#x017F;o gerade<lb/>
zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit fu&#x0364;hret/ nemlich<lb/><hi rendition="#fr">die vernu&#x0364;nfftige</hi> Liebe anderer Men&#x017F;chen.<lb/>
Die andern drey aber &#x017F;ind <hi rendition="#fr">die Liebe zur<lb/>
Wollu&#x017F;t/ die Liebe zur eitelen Ehre/ und<lb/>
die Liebe zum Gelde.</hi> Die&#x017F;e dreye geho&#x0364;ren<lb/>
an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zur unvernu&#x0364;nfftigen Lie-<lb/>
be/ und fu&#x0364;hren den Men&#x017F;chen unter dem<lb/>
Schein einer wahren Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit von der<lb/>
Gemu&#x0364;ths-Ruhe in eine &#x017F;tetswehrende Unru-<lb/>
he/ wiewohl immer eine von der vernu&#x0364;nfftigen<lb/>
Liebe weiter entfernet i&#x017F;t als die andere. <hi rendition="#fr">Die<lb/>
Wollu&#x017F;t-Liebe</hi> i&#x017F;t der&#x017F;elben noch am na&#x0364;ch&#x017F;ten/<lb/>
weil &#x017F;ie doch noch mehrentheils mit Treuher-<lb/>
tzigkeit und Barmhertzigkeit verge&#x017F;ell&#x017F;chafftet<lb/>
i&#x017F;t/ und die Wahrheit zu &#x017F;agen nicht &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
anderen Men&#x017F;chen als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;chadet.<lb/><hi rendition="#fr">Die Liebe zur eitelen Ehre</hi> i&#x017F;t &#x017F;chon weiter<lb/>
entfernet/ denn hier i&#x017F;t mehr Neyd/ Miß-<lb/>
trauen/ Unbarmhertzigkeit/ Fal&#x017F;chheit/ Be-<lb/>
trug/ und man &#x017F;chonet &#x017F;eine Ehrgierde zu be-<lb/>
gnu&#x0364;gen keines Men&#x017F;chen. Jedoch kan man<lb/>
&#x017F;olche Leute noch in Men&#x017F;chlicher Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft<lb/>
brauchen/ weil &#x017F;ie gemeiniglich von gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0004] Unterthaͤnigſte cken aus denenſelben beurtheilet werden koͤn- nen. Die eine darvon iſt diejenige/ ſo gerade zur hoͤchſten Gluͤckſeligkeit fuͤhret/ nemlich die vernuͤnfftige Liebe anderer Menſchen. Die andern drey aber ſind die Liebe zur Wolluſt/ die Liebe zur eitelen Ehre/ und die Liebe zum Gelde. Dieſe dreye gehoͤren an und vor ſich ſelbſt zur unvernuͤnfftigen Lie- be/ und fuͤhren den Menſchen unter dem Schein einer wahren Gluͤckſeligkeit von der Gemuͤths-Ruhe in eine ſtetswehrende Unru- he/ wiewohl immer eine von der vernuͤnfftigen Liebe weiter entfernet iſt als die andere. Die Wolluſt-Liebe iſt derſelben noch am naͤchſten/ weil ſie doch noch mehrentheils mit Treuher- tzigkeit und Barmhertzigkeit vergeſellſchafftet iſt/ und die Wahrheit zu ſagen nicht ſo ſehr anderen Menſchen als ſich ſelbſten ſchadet. Die Liebe zur eitelen Ehre iſt ſchon weiter entfernet/ denn hier iſt mehr Neyd/ Miß- trauen/ Unbarmhertzigkeit/ Falſchheit/ Be- trug/ und man ſchonet ſeine Ehrgierde zu be- gnuͤgen keines Menſchen. Jedoch kan man ſolche Leute noch in Menſchlicher Geſellſchafft brauchen/ weil ſie gemeiniglich von groſſen Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/4
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/4>, abgerufen am 24.11.2024.