Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 2. Hauptst. von der grösten
hierinnen nicht gar zu weitläufftig werde/ und
weil es ohne dem keines grossen Kopffbrechens
in Gegeneinanderhaltung der Theile des
Menschlichen Cörpers oder der Sinnligkeit-
ten
braucht/ sondern dieselbe von Leuten die
einen natürlichen Verstand haben/ gar leichte
erörtert werden kan. Als wollen wir nur über-
haupt die Güter des menschlichen Leibes/ die wir
oben allbereit zusammen genommen Gesund-
heit genennet/ gegen die Güter der Seelen
halten/ und hernach mahls diese Lehren gegen
einander etwas genauer beleuchten.

39.

Was demnach die Leibes-Gesundheit
anlanget/ so ist kein Zweiffel/ das dieselbige zwar
der grösten Glückseeligkeit des Menschen eine
ziemliche Vollkommenheit gebe/ aber doch in
selbiger die wahre Glückseeligkeit selbst nicht
bestehen könne/ theils weil diese Gesundheit nicht
allemahl in des Menschen seinen Willen ste-
het/ sondern vielen äusserlichen Zufällen unter-
worffen ist/ und ein Mensch durch die Gewalt
anderer derselben beraubet werden kan/ theils/
weil dieselbige an und für sich selbst den Men-
schen nicht glücklich/ noch dererselben Berau-
bung ihn elend machen kan.

40.

Bilde dir nur einen Menschen ein/ der
gesunde starcke Gliedmassen hat/ der wohl isset
und trincket/ auch seine Speisse und Tranck
wohl verdauet/ und zu allen Leibes-Ubungen
geschickt ist. Was hilfft ihn aber dieses alles/

wenn

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
hierinnen nicht gar zu weitlaͤufftig werde/ und
weil es ohne dem keines groſſen Kopffbrechens
in Gegeneinanderhaltung der Theile des
Menſchlichen Coͤrpers oder der Sinnligkeit-
ten
braucht/ ſondern dieſelbe von Leuten die
einen natuͤrlichen Verſtand haben/ gar leichte
eroͤrtert werden kan. Als wollen wir nur uͤber-
haupt die Guͤter des menſchlichen Leibes/ die wir
oben allbereit zuſammen genommen Geſund-
heit genennet/ gegen die Guͤter der Seelen
halten/ und hernach mahls dieſe Lehren gegen
einander etwas genauer beleuchten.

39.

Was demnach die Leibes-Geſundheit
anlanget/ ſo iſt kein Zweiffel/ das dieſelbige zwar
der groͤſten Gluͤckſeeligkeit des Menſchen eine
ziemliche Vollkommenheit gebe/ aber doch in
ſelbiger die wahre Gluͤckſeeligkeit ſelbſt nicht
beſtehen koͤnne/ theils weil dieſe Geſundheit nicht
allemahl in des Menſchen ſeinen Willen ſte-
het/ ſondern vielen aͤuſſerlichen Zufaͤllen unter-
worffen iſt/ und ein Menſch durch die Gewalt
anderer derſelben beraubet werden kan/ theils/
weil dieſelbige an und fuͤr ſich ſelbſt den Men-
ſchen nicht gluͤcklich/ noch dererſelben Berau-
bung ihn elend machen kan.

40.

Bilde dir nur einen Menſchen ein/ der
geſunde ſtarcke Gliedmaſſen hat/ der wohl iſſet
und trincket/ auch ſeine Speiſſe und Tranck
wohl verdauet/ und zu allen Leibes-Ubungen
geſchickt iſt. Was hilfft ihn aber dieſes alles/

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="72"/><fw place="top" type="header">Das 2. Haupt&#x017F;t. von der gro&#x0364;&#x017F;ten</fw><lb/>
hierinnen nicht gar zu weitla&#x0364;ufftig werde/ und<lb/>
weil es ohne dem keines gro&#x017F;&#x017F;en Kopffbrechens<lb/>
in Gegeneinanderhaltung <hi rendition="#fr">der Theile des<lb/>
Men&#x017F;chlichen Co&#x0364;rpers oder der Sinnligkeit-<lb/>
ten</hi> braucht/ &#x017F;ondern die&#x017F;elbe von Leuten die<lb/>
einen natu&#x0364;rlichen Ver&#x017F;tand haben/ gar leichte<lb/>
ero&#x0364;rtert werden kan. Als wollen wir nur u&#x0364;ber-<lb/>
haupt die Gu&#x0364;ter des men&#x017F;chlichen Leibes/ die wir<lb/>
oben allbereit zu&#x017F;ammen genommen <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;und-</hi><lb/>
heit genennet/ gegen die <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;ter der Seelen</hi><lb/>
halten/ und hernach mahls die&#x017F;e Lehren gegen<lb/>
einander etwas genauer beleuchten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>39.</head>
          <p>Was demnach <hi rendition="#fr">die Leibes-Ge&#x017F;undheit</hi><lb/>
anlanget/ &#x017F;o i&#x017F;t kein Zweiffel/ das die&#x017F;elbige zwar<lb/>
der gro&#x0364;&#x017F;ten Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des Men&#x017F;chen eine<lb/>
ziemliche Vollkommenheit gebe/ aber doch in<lb/>
&#x017F;elbiger <hi rendition="#fr">die wahre Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit</hi> &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
be&#x017F;tehen ko&#x0364;nne/ theils weil die&#x017F;e Ge&#x017F;undheit nicht<lb/>
allemahl in des <hi rendition="#fr">Men&#x017F;chen &#x017F;einen Willen</hi> &#x017F;te-<lb/>
het/ &#x017F;ondern vielen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Zufa&#x0364;llen unter-<lb/>
worffen i&#x017F;t/ und ein Men&#x017F;ch durch die Gewalt<lb/>
anderer der&#x017F;elben beraubet werden kan/ theils/<lb/>
weil die&#x017F;elbige an und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t den Men-<lb/>
&#x017F;chen <hi rendition="#fr">nicht glu&#x0364;cklich/</hi> noch derer&#x017F;elben Berau-<lb/>
bung <hi rendition="#fr">ihn elend</hi> machen kan.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>40.</head>
          <p>Bilde dir nur einen Men&#x017F;chen ein/ der<lb/>
ge&#x017F;unde &#x017F;tarcke Gliedma&#x017F;&#x017F;en hat/ der wohl i&#x017F;&#x017F;et<lb/>
und trincket/ auch &#x017F;eine Spei&#x017F;&#x017F;e und Tranck<lb/>
wohl verdauet/ und zu allen Leibes-Ubungen<lb/>
ge&#x017F;chickt i&#x017F;t. Was hilfft ihn aber die&#x017F;es alles/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0104] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten hierinnen nicht gar zu weitlaͤufftig werde/ und weil es ohne dem keines groſſen Kopffbrechens in Gegeneinanderhaltung der Theile des Menſchlichen Coͤrpers oder der Sinnligkeit- ten braucht/ ſondern dieſelbe von Leuten die einen natuͤrlichen Verſtand haben/ gar leichte eroͤrtert werden kan. Als wollen wir nur uͤber- haupt die Guͤter des menſchlichen Leibes/ die wir oben allbereit zuſammen genommen Geſund- heit genennet/ gegen die Guͤter der Seelen halten/ und hernach mahls dieſe Lehren gegen einander etwas genauer beleuchten. 39. Was demnach die Leibes-Geſundheit anlanget/ ſo iſt kein Zweiffel/ das dieſelbige zwar der groͤſten Gluͤckſeeligkeit des Menſchen eine ziemliche Vollkommenheit gebe/ aber doch in ſelbiger die wahre Gluͤckſeeligkeit ſelbſt nicht beſtehen koͤnne/ theils weil dieſe Geſundheit nicht allemahl in des Menſchen ſeinen Willen ſte- het/ ſondern vielen aͤuſſerlichen Zufaͤllen unter- worffen iſt/ und ein Menſch durch die Gewalt anderer derſelben beraubet werden kan/ theils/ weil dieſelbige an und fuͤr ſich ſelbſt den Men- ſchen nicht gluͤcklich/ noch dererſelben Berau- bung ihn elend machen kan. 40. Bilde dir nur einen Menſchen ein/ der geſunde ſtarcke Gliedmaſſen hat/ der wohl iſſet und trincket/ auch ſeine Speiſſe und Tranck wohl verdauet/ und zu allen Leibes-Ubungen geſchickt iſt. Was hilfft ihn aber dieſes alles/ wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/104
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/104>, abgerufen am 24.11.2024.