Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

von anderer Meinungen zu urtheilen.
phlegmatische Schrifft mehr einnehmen/ und
begehet so dann in der Auslegung und Beur-
theilung eines Buchs eben die Fehler/ die wir
bey denen/ so den Affect alsbald bey der Lesung
mitbringen/ angemerckt haben.

54. Nimmst du die jetztbesagten wenigen/ a-
ber hochnöthigen Regeln mit Vorsatz nicht in
acht/ so wirstu in deiner Beurtheilung ein Ca-
lumniante
werden/ und dich selbst bey unpar-
theyischen Leuten prostituiren. Drumb laß
uns nur noch zum Beschluß dieses Capitels aus
denen lang hergebrachten und täglich vorkom-
menden Exempeln die gemeinsten Kennzei-
chen eines dergleichen
Calumnianten bese-
hen/ uns desto eyffriger dafür zu hüten.

55. Ein Calumniante dichtet einem Scri-
bent
en einen Verstand an/ den er nie in Sinne
gehabt/ und beschuldiget darnach denselbigen/ als
wenn er einer irrigen Meynung beypflichtete/
wil auch den andern mit aller Gewalt nöthi-
gen/ daß er gestehen solle/ er habe die Worte nach
seiner/ des Calumnianten/ Auslegung verstanden.

56. Ein Calumniante excerpiret aus ei-
nem
Scribenten alle zweydeutige Redens-
Arten/
und sondert sie von dem gantzen Cörper
ab/ läßt etliche Worte aussen/ oder rückt

dann
R 2

von anderer Meinungen zu urtheilen.
phlegmatiſche Schrifft mehr einnehmen/ und
begehet ſo dann in der Auslegung und Beur-
theilung eines Buchs eben die Fehler/ die wir
bey denen/ ſo den Affect alsbald bey der Leſung
mitbringen/ angemerckt haben.

54. Nimmſt du die jetztbeſagten wenigen/ a-
ber hochnoͤthigen Regeln mit Vorſatz nicht in
acht/ ſo wirſtu in deiner Beurtheilung ein Ca-
lumniante
werden/ und dich ſelbſt bey unpar-
theyiſchen Leuten proſtituiren. Drumb laß
uns nur noch zum Beſchluß dieſes Capitels aus
denen lang hergebrachten und taͤglich vorkom-
menden Exempeln die gemeinſten Kennzei-
chen eines dergleichen
Calumnianten beſe-
hen/ uns deſto eyffriger dafuͤr zu huͤten.

55. Ein Calumniante dichtet einem Scri-
bent
en einen Verſtand an/ den er nie in Siñe
gehabt/ und beſchuldiget darnach denſelbigen/ als
wenn er einer irrigen Meynung beypflichtete/
wil auch den andern mit aller Gewalt noͤthi-
gen/ daß er geſtehen ſolle/ er habe die Worte nach
ſeiner/ des Calumnianten/ Auslegung verſtandẽ.

56. Ein Calumniante excerpiret aus ei-
nem
Scribenten alle zweydeutige Redens-
Arten/
und ſondert ſie von dem gantzen Coͤrper
ab/ laͤßt etliche Worte auſſen/ oder ruͤckt

dann
R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von anderer Meinungen zu urtheilen.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">phlegmati</hi></hi>&#x017F;che Schrifft mehr einnehmen/ und<lb/>
begehet &#x017F;o dann in der Auslegung und Beur-<lb/>
theilung eines Buchs eben die Fehler/ die wir<lb/>
bey denen/ &#x017F;o den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affect</hi></hi> alsbald bey der Le&#x017F;ung<lb/>
mitbringen/ angemerckt haben.</p><lb/>
        <p>54. Nimm&#x017F;t du die jetztbe&#x017F;agten wenigen/ a-<lb/>
ber hochno&#x0364;thigen Regeln mit Vor&#x017F;atz nicht in<lb/>
acht/ &#x017F;o wir&#x017F;tu in deiner Beurtheilung <hi rendition="#fr">ein</hi> <hi rendition="#aq">Ca-<lb/>
lumniante</hi> <hi rendition="#fr">werden/</hi> und dich &#x017F;elb&#x017F;t bey unpar-<lb/>
theyi&#x017F;chen Leuten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pro&#x017F;tituir</hi></hi>en. Drumb laß<lb/>
uns nur noch zum Be&#x017F;chluß die&#x017F;es Capitels aus<lb/>
denen lang hergebrachten und ta&#x0364;glich vorkom-<lb/>
menden Exempeln <hi rendition="#fr">die gemein&#x017F;ten Kennzei-<lb/>
chen eines dergleichen</hi> <hi rendition="#aq">Calumniant</hi><hi rendition="#fr">en</hi> be&#x017F;e-<lb/>
hen/ uns de&#x017F;to eyffriger dafu&#x0364;r zu hu&#x0364;ten.</p><lb/>
        <p>55. Ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Calumniant</hi></hi>e <hi rendition="#fr">dichtet einem</hi> <hi rendition="#aq">Scri-<lb/>
bent</hi><hi rendition="#fr">en einen Ver&#x017F;tand an/</hi> den er nie in Sin&#x0303;e<lb/>
gehabt/ und be&#x017F;chuldiget darnach den&#x017F;elbigen/ als<lb/>
wenn er einer irrigen Meynung beypflichtete/<lb/>
wil auch den andern mit aller Gewalt no&#x0364;thi-<lb/>
gen/ daß er ge&#x017F;tehen &#x017F;olle/ er habe die Worte nach<lb/>
&#x017F;einer/ des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Calumniant</hi></hi>en/ Auslegung ver&#x017F;tande&#x0303;.</p><lb/>
        <p>56. Ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Calumniant</hi></hi>e <hi rendition="#aq">excerpir</hi>et <hi rendition="#fr">aus ei-<lb/>
nem</hi> <hi rendition="#aq">Scribent</hi><hi rendition="#fr">en alle zweydeutige Redens-<lb/>
Arten/</hi> und &#x017F;ondert &#x017F;ie von dem gantzen Co&#x0364;rper<lb/>
ab/ <hi rendition="#fr">la&#x0364;ßt etliche Worte au&#x017F;&#x017F;en/ oder ru&#x0364;ckt</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">R</hi> 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">dann</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0285] von anderer Meinungen zu urtheilen. phlegmatiſche Schrifft mehr einnehmen/ und begehet ſo dann in der Auslegung und Beur- theilung eines Buchs eben die Fehler/ die wir bey denen/ ſo den Affect alsbald bey der Leſung mitbringen/ angemerckt haben. 54. Nimmſt du die jetztbeſagten wenigen/ a- ber hochnoͤthigen Regeln mit Vorſatz nicht in acht/ ſo wirſtu in deiner Beurtheilung ein Ca- lumniante werden/ und dich ſelbſt bey unpar- theyiſchen Leuten proſtituiren. Drumb laß uns nur noch zum Beſchluß dieſes Capitels aus denen lang hergebrachten und taͤglich vorkom- menden Exempeln die gemeinſten Kennzei- chen eines dergleichen Calumnianten beſe- hen/ uns deſto eyffriger dafuͤr zu huͤten. 55. Ein Calumniante dichtet einem Scri- benten einen Verſtand an/ den er nie in Siñe gehabt/ und beſchuldiget darnach denſelbigen/ als wenn er einer irrigen Meynung beypflichtete/ wil auch den andern mit aller Gewalt noͤthi- gen/ daß er geſtehen ſolle/ er habe die Worte nach ſeiner/ des Calumnianten/ Auslegung verſtandẽ. 56. Ein Calumniante excerpiret aus ei- nem Scribenten alle zweydeutige Redens- Arten/ und ſondert ſie von dem gantzen Coͤrper ab/ laͤßt etliche Worte auſſen/ oder ruͤckt dann R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/285
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/285>, abgerufen am 18.05.2024.