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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 4. H. Von der Geschickligkeit
aber mehr Erfahrung habe/ zu Beschönung
dieses Praejudicii anführen/ wiewohl auch diß-
falls selbige wenig zur Beschönung dienen wür-
de/ so wohl weil die meisten jungen Leute ihren
Verstand nicht darzu anwenden/ was gutes zu
speculiren/ und vieler alten Leute ihre Erfah-
rung öffters mehr in eitelen Dingen/ deren ein
junger Mensch ja so leichte fähig ist/ als etwan
in der Erkäntniß seiner selbst und denen daher
rührenden oder anderen nützlichen Wissenschaf-
ten/ gegründet ist.

32. Nicht weniger pfleget man auch aus
der
Nation eines Scribenten von der Güte
seines Buchs zu urtheilen/ und wird dißfalls
nach dem Unterscheid der Affecten und Inclina-
tion
en/ sonderlich heute zu Tage unter uns
Teutschen bald von diesen der Frantzösischen/
bald von einem andern der Englischen oder
Holländischen oder Jtalienischen Nation der
Vorzug vor andern gegeben/ da man doch aus
dem Temperament und unterschiedenen Zunei-
gungen und Education derer Nationen nicht
mehr als ein politisch Axioma von der Ge-
schickligkeit überhaupt eines Volcks vor dem
andern in einer Disciplin etwas zu thun urthei-
len kan/ in geringsten aber diese Regel nicht zu

läng-

Das 4. H. Von der Geſchickligkeit
aber mehr Erfahrung habe/ zu Beſchoͤnung
dieſes Præjudicii anfuͤhren/ wiewohl auch diß-
falls ſelbige wenig zur Beſchoͤnung dienen wuͤr-
de/ ſo wohl weil die meiſten jungen Leute ihren
Verſtand nicht darzu anwenden/ was gutes zu
ſpeculiren/ und vieler alten Leute ihre Erfah-
rung oͤffters mehr in eitelen Dingen/ deren ein
junger Menſch ja ſo leichte faͤhig iſt/ als etwan
in der Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt und denen daher
ruͤhrenden oder anderen nuͤtzlichen Wiſſenſchaf-
ten/ gegruͤndet iſt.

32. Nicht weniger pfleget man auch aus
der
Nation eines Scribenten von der Guͤte
ſeines Buchs zu urtheilen/ und wird dißfalls
nach dem Unterſcheid der Affecten und Inclina-
tion
en/ ſonderlich heute zu Tage unter uns
Teutſchen bald von dieſen der Frantzoͤſiſchen/
bald von einem andern der Engliſchen oder
Hollaͤndiſchen oder Jtalieniſchen Nation der
Vorzug vor andern gegeben/ da man doch aus
dem Temperament und unterſchiedenen Zunei-
gungen und Education derer Nationen nicht
mehr als ein politiſch Axioma von der Ge-
ſchickligkeit uͤberhaupt eines Volcks vor dem
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[246/0272] Das 4. H. Von der Geſchickligkeit aber mehr Erfahrung habe/ zu Beſchoͤnung dieſes Præjudicii anfuͤhren/ wiewohl auch diß- falls ſelbige wenig zur Beſchoͤnung dienen wuͤr- de/ ſo wohl weil die meiſten jungen Leute ihren Verſtand nicht darzu anwenden/ was gutes zu ſpeculiren/ und vieler alten Leute ihre Erfah- rung oͤffters mehr in eitelen Dingen/ deren ein junger Menſch ja ſo leichte faͤhig iſt/ als etwan in der Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt und denen daher ruͤhrenden oder anderen nuͤtzlichen Wiſſenſchaf- ten/ gegruͤndet iſt. 32. Nicht weniger pfleget man auch aus der Nation eines Scribenten von der Guͤte ſeines Buchs zu urtheilen/ und wird dißfalls nach dem Unterſcheid der Affecten und Inclina- tionen/ ſonderlich heute zu Tage unter uns Teutſchen bald von dieſen der Frantzoͤſiſchen/ bald von einem andern der Engliſchen oder Hollaͤndiſchen oder Jtalieniſchen Nation der Vorzug vor andern gegeben/ da man doch aus dem Temperament und unterſchiedenen Zunei- gungen und Education derer Nationen nicht mehr als ein politiſch Axioma von der Ge- ſchickligkeit uͤberhaupt eines Volcks vor dem andern in einer Diſciplin etwas zu thun urthei- len kan/ in geringſten aber dieſe Regel nicht zu laͤng-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/272>, abgerufen am 26.11.2024.