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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 12. H. Von der Vermischung

58. Aus diesen allen aber kan einem gantz
augenscheinlich dargethan werden/ daß die Gei-
sti
gkeiten der Begierden natürlicher und
ordentlicher
Weise bey dem Menschen die
Zeit seines Lebens in der Ordnung bleiben/
in der sie bey seiner Geburt gewesen
Ein
Geist von grösserer Krafft ist auch fähig mit grös-
serer Krafft gleiche Geistigkeiten von andern ih-
me annahenden Cörpern an sich zu ziehen und
widrige Geistigkeiten von sich zu stossen/ als ein
Geist von minderer Krafft. Durch diese An-
ziehung und von sich Stossung nähret und erhält
sich die Begierde des Menschen. Und weil die-
se Nahrung durch alle Sinnligkeiten und tau-
senderley andere Wege geschehen kan/ ja/ wenn
es auch an andern Nahrungen mangeln solte/ es
dem Menschen doch niemahlen an Gedancken
mangelt/ seine Begierden dadurch zu nehren/ auch
diese Gedancken als stete Sclaven der Begier-
den sich nie denenselben widerspenstig erzeigen
können; Als haben die Begierden des Men-
schen stetige Gelegenheit sich in ihrer proportion
zu erhalten. Denn die Begierden des Men-
schen sind durch alle Sinnligkeiten ausge-
streuet
und erlangen von gleichen Geistigkeiten
in andern Cörpern ihre Nahrung. Ein Ehrgei-
tziger wird schon andere Couleuren lieben/ und
an andren Dingen seine Augen weiden als ein
Wohllüstiger und Geldgeitziger: Er wird Freu-
de an andrer Music und an andern Geruch ha-

ben
Das 12. H. Von der Vermiſchung

58. Aus dieſen allen aber kan einem gantz
augenſcheinlich dargethan werden/ daß die Gei-
ſti
gkeiten der Begierden natuͤrlicher und
ordentlicher
Weiſe bey dem Menſchen die
Zeit ſeines Lebens in der Ordnung bleiben/
in der ſie bey ſeiner Geburt geweſen
Ein
Geiſt von groͤſſerer Krafft iſt auch faͤhig mit groͤſ-
ſerer Krafft gleiche Geiſtigkeiten von andern ih-
me annahenden Coͤrpern an ſich zu ziehen und
widrige Geiſtigkeiten von ſich zu ſtoſſen/ als ein
Geiſt von minderer Krafft. Durch dieſe An-
ziehung und von ſich Stoſſung naͤhret und erhaͤlt
ſich die Begierde des Menſchen. Und weil die-
ſe Nahrung durch alle Sinnligkeiten und tau-
ſenderley andere Wege geſchehen kan/ ja/ wenn
es auch an andern Nahrungen mangeln ſolte/ es
dem Menſchen doch niemahlen an Gedancken
mangelt/ ſeine Begierden daduꝛch zu nehren/ auch
dieſe Gedancken als ſtete Sclaven der Begier-
den ſich nie denenſelben widerſpenſtig erzeigen
koͤnnen; Als haben die Begierden des Men-
ſchen ſtetige Gelegenheit ſich in ihrer proportion
zu erhalten. Denn die Begierden des Men-
ſchen ſind durch alle Sinnligkeiten ausge-
ſtreuet
und erlangen von gleichen Geiſtigkeiten
in andern Coͤrpern ihre Nahrung. Ein Ehrgei-
tziger wird ſchon andere Couleuren lieben/ und
an andren Dingen ſeine Augen weiden als ein
Wohlluͤſtiger und Geldgeitziger: Er wird Freu-
de an andrer Muſic und an andern Geruch ha-

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[386/0398] Das 12. H. Von der Vermiſchung 58. Aus dieſen allen aber kan einem gantz augenſcheinlich dargethan werden/ daß die Gei- ſtigkeiten der Begierden natuͤrlicher und ordentlicher Weiſe bey dem Menſchen die Zeit ſeines Lebens in der Ordnung bleiben/ in der ſie bey ſeiner Geburt geweſen Ein Geiſt von groͤſſerer Krafft iſt auch faͤhig mit groͤſ- ſerer Krafft gleiche Geiſtigkeiten von andern ih- me annahenden Coͤrpern an ſich zu ziehen und widrige Geiſtigkeiten von ſich zu ſtoſſen/ als ein Geiſt von minderer Krafft. Durch dieſe An- ziehung und von ſich Stoſſung naͤhret und erhaͤlt ſich die Begierde des Menſchen. Und weil die- ſe Nahrung durch alle Sinnligkeiten und tau- ſenderley andere Wege geſchehen kan/ ja/ wenn es auch an andern Nahrungen mangeln ſolte/ es dem Menſchen doch niemahlen an Gedancken mangelt/ ſeine Begierden daduꝛch zu nehren/ auch dieſe Gedancken als ſtete Sclaven der Begier- den ſich nie denenſelben widerſpenſtig erzeigen koͤnnen; Als haben die Begierden des Men- ſchen ſtetige Gelegenheit ſich in ihrer proportion zu erhalten. Denn die Begierden des Men- ſchen ſind durch alle Sinnligkeiten ausge- ſtreuet und erlangen von gleichen Geiſtigkeiten in andern Coͤrpern ihre Nahrung. Ein Ehrgei- tziger wird ſchon andere Couleuren lieben/ und an andren Dingen ſeine Augen weiden als ein Wohlluͤſtiger und Geldgeitziger: Er wird Freu- de an andrer Muſic und an andern Geruch ha- ben

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/398>, abgerufen am 24.11.2024.