Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

der drey Hauptlaster.
denen Regeln der Vernunfft als nach Willen
gehen/ und wenn er denckt/ er ist seinem Zweck am
allernächsten/ macht ihm GOtt ohnversehens ei-
nen Strich durch/ (welches ich ohnlängst anders-
wo mit dem Exempel Caroli V. Mauritii und
Philippi Hassiaci erklähret:) Woran man denn
recht mercken kan/ wie GOtt die gröste Weiß-
heit dieser
Welt/ wenn man sich auff selbi-
ge verläst und von ihm abweichet zur grö-
sten Thorheit werden läst/
und es nicht an-
ders macht/ als etwan ein sehr kluger Vater
zuweilen seinem Sohne/ der ihn durch eine arg-
listige intrigue betriegen will. Da sich dann zu-
weilen der Vater anstellet/ als wenn er des
Sohns Vorhaben nicht merckte/ und lässet dem-
selben seine Partirerey biß bald zu Ende so hinge-
hen/ daß derselbige immer mehr und mehr Hoff-
nung sich macht/ seinen Zweck zu erreichen/ ie nä-
her er siehet daß derselbige ist. Wenn er aber
denckt selbigen in Händen zu haben/ macht der
Vater/ ohne daß er sich auch etwas noch mercken
läst/ ob wüste er des Sohns intention, gleich-
sam par hazard & tanquam aliud agendo et-
was darzwischen/ dadurch der Sohn in seiner
Hoffnung betrogen wird/ da er dann sein Un-
glück anklaget und ungeduldig wird.

52. Gleich wie aber nichts gewöhnlicher
ist/ als daß man von göttlicher Vorsehung und
denen göttlichen Gerichten nach seinen Vorur-
theilen und passionen ein Urtheil fället/ daher

dann
Aa 4

der drey Hauptlaſter.
denen Regeln der Vernunfft als nach Willen
gehen/ und wenn er denckt/ er iſt ſeinem Zweck am
allernaͤchſten/ macht ihm GOtt ohnverſehens ei-
nen Strich durch/ (welches ich ohnlaͤngſt anders-
wo mit dem Exempel Caroli V. Mauritii und
Philippi Haſſiaci erklaͤhret:) Woran man denn
recht mercken kan/ wie GOtt die groͤſte Weiß-
heit dieſer
Welt/ wenn man ſich auff ſelbi-
ge verlaͤſt und von ihm abweichet zur groͤ-
ſten Thorheit werden laͤſt/
und es nicht an-
ders macht/ als etwan ein ſehr kluger Vater
zuweilen ſeinem Sohne/ der ihn durch eine arg-
liſtige intrigue betriegen will. Da ſich dann zu-
weilen der Vater anſtellet/ als wenn er des
Sohns Vorhaben nicht merckte/ und laͤſſet dem-
ſelben ſeine Partirerey biß bald zu Ende ſo hinge-
hen/ daß derſelbige immer mehr und mehr Hoff-
nung ſich macht/ ſeinen Zweck zu erreichen/ ie naͤ-
her er ſiehet daß derſelbige iſt. Wenn er aber
denckt ſelbigen in Haͤnden zu haben/ macht der
Vater/ ohne daß er ſich auch etwas noch mercken
laͤſt/ ob wuͤſte er des Sohns intention, gleich-
ſam par hazard & tanquam aliud agendo et-
was darzwiſchen/ dadurch der Sohn in ſeiner
Hoffnung betrogen wird/ da er dann ſein Un-
gluͤck anklaget und ungeduldig wird.

52. Gleich wie aber nichts gewoͤhnlicher
iſt/ als daß man von goͤttlicher Vorſehung und
denen goͤttlichen Gerichten nach ſeinen Vorur-
theilen und paſſionen ein Urtheil faͤllet/ daher

dann
Aa 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0387" n="375"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der drey Hauptla&#x017F;ter.</hi></fw><lb/>
denen Regeln der Vernunfft als nach Willen<lb/>
gehen/ und wenn er denckt/ er i&#x017F;t &#x017F;einem Zweck am<lb/>
allerna&#x0364;ch&#x017F;ten/ macht ihm GOtt ohnver&#x017F;ehens ei-<lb/>
nen Strich durch/ (welches ich ohnla&#x0364;ng&#x017F;t anders-<lb/>
wo mit dem Exempel <hi rendition="#aq">Caroli V. Mauritii</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Philippi Ha&#x017F;&#x017F;iaci</hi> erkla&#x0364;hret:) Woran man denn<lb/>
recht mercken kan/ <hi rendition="#fr">wie GOtt die gro&#x0364;&#x017F;te Weiß-<lb/>
heit die&#x017F;er</hi> W<hi rendition="#fr">elt/ wenn man &#x017F;ich auff &#x017F;elbi-<lb/>
ge verla&#x0364;&#x017F;t und von ihm abweichet zur gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten Thorheit werden la&#x0364;&#x017F;t/</hi> und es nicht an-<lb/>
ders macht/ als etwan ein &#x017F;ehr kluger Vater<lb/>
zuweilen &#x017F;einem Sohne/ der ihn durch eine arg-<lb/>
li&#x017F;tige <hi rendition="#aq">intrigue</hi> betriegen will. Da &#x017F;ich dann zu-<lb/>
weilen der Vater an&#x017F;tellet/ als wenn er des<lb/>
Sohns Vorhaben nicht merckte/ und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et dem-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;eine Partirerey biß bald zu Ende &#x017F;o hinge-<lb/>
hen/ daß der&#x017F;elbige immer mehr und mehr Hoff-<lb/>
nung &#x017F;ich macht/ &#x017F;einen Zweck zu erreichen/ ie na&#x0364;-<lb/>
her er &#x017F;iehet daß der&#x017F;elbige i&#x017F;t. Wenn er aber<lb/>
denckt &#x017F;elbigen in Ha&#x0364;nden zu haben/ macht der<lb/>
Vater/ ohne daß er &#x017F;ich auch etwas noch mercken<lb/>
la&#x0364;&#x017F;t/ ob wu&#x0364;&#x017F;te er des Sohns <hi rendition="#aq">intention,</hi> gleich-<lb/>
&#x017F;am <hi rendition="#aq">par hazard &amp; tanquam aliud agendo</hi> et-<lb/>
was darzwi&#x017F;chen/ dadurch der Sohn in &#x017F;einer<lb/>
Hoffnung betrogen wird/ da er dann &#x017F;ein Un-<lb/>
glu&#x0364;ck anklaget und ungeduldig wird.</p><lb/>
        <p>52. Gleich wie aber nichts gewo&#x0364;hnlicher<lb/>
i&#x017F;t/ als daß man von go&#x0364;ttlicher Vor&#x017F;ehung und<lb/>
denen go&#x0364;ttlichen Gerichten nach &#x017F;einen Vorur-<lb/>
theilen und <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;io</hi>nen ein Urtheil fa&#x0364;llet/ daher<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Aa 4</fw><fw place="bottom" type="catch">dann</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0387] der drey Hauptlaſter. denen Regeln der Vernunfft als nach Willen gehen/ und wenn er denckt/ er iſt ſeinem Zweck am allernaͤchſten/ macht ihm GOtt ohnverſehens ei- nen Strich durch/ (welches ich ohnlaͤngſt anders- wo mit dem Exempel Caroli V. Mauritii und Philippi Haſſiaci erklaͤhret:) Woran man denn recht mercken kan/ wie GOtt die groͤſte Weiß- heit dieſer Welt/ wenn man ſich auff ſelbi- ge verlaͤſt und von ihm abweichet zur groͤ- ſten Thorheit werden laͤſt/ und es nicht an- ders macht/ als etwan ein ſehr kluger Vater zuweilen ſeinem Sohne/ der ihn durch eine arg- liſtige intrigue betriegen will. Da ſich dann zu- weilen der Vater anſtellet/ als wenn er des Sohns Vorhaben nicht merckte/ und laͤſſet dem- ſelben ſeine Partirerey biß bald zu Ende ſo hinge- hen/ daß derſelbige immer mehr und mehr Hoff- nung ſich macht/ ſeinen Zweck zu erreichen/ ie naͤ- her er ſiehet daß derſelbige iſt. Wenn er aber denckt ſelbigen in Haͤnden zu haben/ macht der Vater/ ohne daß er ſich auch etwas noch mercken laͤſt/ ob wuͤſte er des Sohns intention, gleich- ſam par hazard & tanquam aliud agendo et- was darzwiſchen/ dadurch der Sohn in ſeiner Hoffnung betrogen wird/ da er dann ſein Un- gluͤck anklaget und ungeduldig wird. 52. Gleich wie aber nichts gewoͤhnlicher iſt/ als daß man von goͤttlicher Vorſehung und denen goͤttlichen Gerichten nach ſeinen Vorur- theilen und paſſionen ein Urtheil faͤllet/ daher dann Aa 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/387
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/387>, abgerufen am 24.11.2024.