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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 12. H. von der Vermischung

Alle sechs Arten kommen darinnen überein/
daß sie sehr schwer zu ihrer selbst Erkäntniß zu
bringen seyn/ sehr schwerlich andere genau und
wohl erkennen/ auch ob sie wohl nicht in einen
hohen Grad dissimuliren können/ sondern ih-
nen das Verstellen sauer ankömmt/ sie dennoch
auch von andern nicht leichte deutlich begriffen
werden können/ sondern es kostet hierzu die mei-
ste Mühe. Sie können insgesamt eher zu was
bösen als zu was guten gebraucht werden/ mas-
sen man denn in Freundschaffts-Sachen sich
am allerwenigsten auff solche Leute zu verlassen/
aber am meisten für ihnen in acht zu nehmen und
zu hüten hat. Aber darinnen sind sie mercklich
unterschieden.
Leute von der 1. und 2. Mi-
schung sind mehrentheils Leute/ die wenn ihnen
das Glück nicht zu wider ist/ eine zeitlang und
sonderlich bey ihren Leben/ berühmt und groß sind/
aber mehr gefürchtet als gelibet werden. Es ist
das temperament zu grossen Tyrannen/ die doch
ihre Thaten so einrichten/ daß sie einen Schein
des guten haben/ derer Thorheit auch einen
starcken Anstrich von Schein-Weißheit hat.
Leute von 3. und 4. temperament sind entwe-
der grosse Narren oder grosse offenbahre Ty-
rannen/ oder wohl beydes zusammen. Und end-
lich Leute von der 5. und 6. Mischung sind zwi-
schen denen beyden ersten gleichsam mitten. Sie
sind viel klüger als die von der 3. und 4. Classe/
aber nicht so arglistig als die von der 1. u. 2. Sie

sind
Das 12. H. von der Vermiſchung

Alle ſechs Arten kommen darinnen uͤberein/
daß ſie ſehr ſchwer zu ihrer ſelbſt Erkaͤntniß zu
bringen ſeyn/ ſehr ſchwerlich andere genau und
wohl erkennen/ auch ob ſie wohl nicht in einen
hohen Grad diſſimuliren koͤnnen/ ſondern ih-
nen das Verſtellen ſauer ankoͤmmt/ ſie dennoch
auch von andern nicht leichte deutlich begriffen
werden koͤnnen/ ſondern es koſtet hierzu die mei-
ſte Muͤhe. Sie koͤnnen insgeſamt eher zu was
boͤſen als zu was guten gebraucht werden/ maſ-
ſen man denn in Freundſchaffts-Sachen ſich
am allerwenigſten auff ſolche Leute zu verlaſſen/
aber am meiſten fuͤr ihnen in acht zu nehmen und
zu huͤten hat. Aber darinnen ſind ſie mercklich
unterſchieden.
Leute von der 1. und 2. Mi-
ſchung ſind mehrentheils Leute/ die wenn ihnen
das Gluͤck nicht zu wider iſt/ eine zeitlang und
ſonderlich bey ihren Leben/ beruͤhmt und gꝛoß ſind/
aber mehr gefuͤrchtet als gelibet werden. Es iſt
das temperament zu groſſen Tyrannen/ die doch
ihre Thaten ſo einrichten/ daß ſie einen Schein
des guten haben/ derer Thorheit auch einen
ſtarcken Anſtrich von Schein-Weißheit hat.
Leute von 3. und 4. temperament ſind entwe-
der groſſe Narren oder groſſe offenbahre Ty-
rannen/ oder wohl beydes zuſammen. Und end-
lich Leute von der 5. und 6. Miſchung ſind zwi-
ſchen denen beyden erſten gleichſam mitten. Sie
ſind viel kluͤger als die von der 3. und 4. Claſſe/
aber nicht ſo argliſtig als die von der 1. u. 2. Sie

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[362/0374] Das 12. H. von der Vermiſchung Alle ſechs Arten kommen darinnen uͤberein/ daß ſie ſehr ſchwer zu ihrer ſelbſt Erkaͤntniß zu bringen ſeyn/ ſehr ſchwerlich andere genau und wohl erkennen/ auch ob ſie wohl nicht in einen hohen Grad diſſimuliren koͤnnen/ ſondern ih- nen das Verſtellen ſauer ankoͤmmt/ ſie dennoch auch von andern nicht leichte deutlich begriffen werden koͤnnen/ ſondern es koſtet hierzu die mei- ſte Muͤhe. Sie koͤnnen insgeſamt eher zu was boͤſen als zu was guten gebraucht werden/ maſ- ſen man denn in Freundſchaffts-Sachen ſich am allerwenigſten auff ſolche Leute zu verlaſſen/ aber am meiſten fuͤr ihnen in acht zu nehmen und zu huͤten hat. Aber darinnen ſind ſie mercklich unterſchieden. Leute von der 1. und 2. Mi- ſchung ſind mehrentheils Leute/ die wenn ihnen das Gluͤck nicht zu wider iſt/ eine zeitlang und ſonderlich bey ihren Leben/ beruͤhmt und gꝛoß ſind/ aber mehr gefuͤrchtet als gelibet werden. Es iſt das temperament zu groſſen Tyrannen/ die doch ihre Thaten ſo einrichten/ daß ſie einen Schein des guten haben/ derer Thorheit auch einen ſtarcken Anſtrich von Schein-Weißheit hat. Leute von 3. und 4. temperament ſind entwe- der groſſe Narren oder groſſe offenbahre Ty- rannen/ oder wohl beydes zuſammen. Und end- lich Leute von der 5. und 6. Miſchung ſind zwi- ſchen denen beyden erſten gleichſam mitten. Sie ſind viel kluͤger als die von der 3. und 4. Claſſe/ aber nicht ſo argliſtig als die von der 1. u. 2. Sie ſind

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/374>, abgerufen am 24.11.2024.