Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 12. H. von der Vermischung Gewohnheit dergestalt zur andern Natur/ daßeinem Menschen nicht sauer ankömmt/ in der Art derselben Begierde etwas geschicklich vor- zunehmen; Aber es wird doch alsdenn diese an- dere Natur nimmermehr passio dominans werden/ und der Mensch leichte durch nicht all- zu starcke irritirung seiner rechten Natur diesel- bige andere Natur zu ändern disponiret werden können/ zum wenigsten wird es ihm nicht so sauer ankommen/ die Gewohnheit/ als die rechte Natur zu ändern. Welches die Alten unter der Fabel von des Marcolphi Mäusen und Sa- lomons Katze haben vorstellen wollen. Die- ses siehet man/ wann z. e. ein von seinen El- tern scharff erzogener und von Jugend auf zu äusserlicher Modestie gehaltener Mensch plötz- lich liederlich wird/ wenn er in seine Freyheit kömmt: Oder wenn Nero fünff Jahr wohl re- gieret/ und hernach tyrannisiret/ wenn ein in Wohllüsten erzogener junger Mensch plötzlich modest und sparsam wird. 22. So sehr aber die Gewohnheit derer Ge- zu
Das 12. H. von der Vermiſchung Gewohnheit dergeſtalt zur andern Natur/ daßeinem Menſchen nicht ſauer ankoͤmmt/ in der Art derſelben Begierde etwas geſchicklich vor- zunehmen; Aber es wird doch alsdenn dieſe an- dere Natur nimmermehr paſſio dominans werden/ und der Menſch leichte durch nicht all- zu ſtarcke irritirung ſeiner rechten Natur dieſel- bige andere Natur zu aͤndern diſponiret werden koͤnnen/ zum wenigſten wird es ihm nicht ſo ſauer ankommen/ die Gewohnheit/ als die rechte Natur zu aͤndern. Welches die Alten unter der Fabel von des Marcolphi Maͤuſen und Sa- lomons Katze haben vorſtellen wollen. Die- ſes ſiehet man/ wann z. e. ein von ſeinen El- tern ſcharff erzogener und von Jugend auf zu aͤuſſerlicher Modeſtie gehaltener Menſch ploͤtz- lich liederlich wird/ wenn er in ſeine Freyheit koͤmmt: Oder wenn Nero fuͤnff Jahr wohl re- gieret/ und hernach tyranniſiret/ wenn ein in Wohlluͤſten erzogener junger Menſch ploͤtzlich modeſt und ſparſam wird. 22. So ſehr aber die Gewohnheit derer Ge- zu
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Das 12. H. von der Vermiſchung
Gewohnheit dergeſtalt zur andern Natur/ daß
einem Menſchen nicht ſauer ankoͤmmt/ in der
Art derſelben Begierde etwas geſchicklich vor-
zunehmen; Aber es wird doch alsdenn dieſe an-
dere Natur nimmermehr paſſio dominans
werden/ und der Menſch leichte durch nicht all-
zu ſtarcke irritirung ſeiner rechten Natur dieſel-
bige andere Natur zu aͤndern diſponiret werden
koͤnnen/ zum wenigſten wird es ihm nicht ſo ſauer
ankommen/ die Gewohnheit/ als die rechte
Natur zu aͤndern. Welches die Alten unter
der Fabel von des Marcolphi Maͤuſen und Sa-
lomons Katze haben vorſtellen wollen. Die-
ſes ſiehet man/ wann z. e. ein von ſeinen El-
tern ſcharff erzogener und von Jugend auf zu
aͤuſſerlicher Modeſtie gehaltener Menſch ploͤtz-
lich liederlich wird/ wenn er in ſeine Freyheit
koͤmmt: Oder wenn Nero fuͤnff Jahr wohl re-
gieret/ und hernach tyranniſiret/ wenn ein in
Wohlluͤſten erzogener junger Menſch ploͤtzlich
modeſt und ſparſam wird.
22. So ſehr aber die Gewohnheit derer Ge-
muͤths-Neigungen aͤuſſerliches Anſehen aͤndert/
ſo ſehr aͤndert auch die Veraͤnderung der
Gluͤcks-Guͤter die aͤuſſerliche Geſtalt dererſel-
ben/ ob ſchon die Miſchung einerley iſt. Wenn
es einem Geld-Geitzigen und Ehr-Geitzigen
wohl gehet/ daß er in Reichthum uud Ehre
iſt/ da iſt von ſeinen ruͤhmlichen und groſſen Tha-
ten die gantze Welt voll: Jſt er aber noch nicht
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/346>, abgerufen am 23.07.2024. |