Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 12. H. von der Vermischung an sich/ derer passio dominans Geldgeitz oderEhrgeitz ist. Das männliche Alter ist schon retireer/ mehr erfahren/ und hat die Neugierig- keit schon ziemlich gebüsset. Man macht in sel- bigen die beste figur in der Welt/ und wird zu allerhand Dingen gebraucht/ die mehr ein An- sehen machen/ als viel eintragen. Also ist der Ehrgeitz das irritamentum des männlichen Alters/ das auch die jenigen antreibet/ sich etwas herfür zu thun/ die sonsten wegen der Faulheit ihrer dominirenden Wollust/ oder wegen des Mißtrauens und Furchtsamkeit des dominiren- den Geldgeitzes solches wohl unterlassen würden. Endlich das hohe Alter hat an den Thorheiten der Wollust einen Eckel bekommen/ und die Boß- heiten des Ehrgeitzes kennen lernen. Die ju- gendliche Menge und die männliche Hitze des Geblüths hat sich in Wenigkeit und Kälte ver- wandelt. Also müssen sie nothwendig viel Aus- gaben ersparen: Und der Geldgeitz ist also das meiste/ das bey ihnen im Schwange gehet/ ob es gleich alte giebet die Wollust oder Ehrgeitz zu passionibus dominantibus haben. Wer nun dieses nicht wohl erweget/ und das äußerliche thun junger/ männlicher und alter Leute nur oben hin ansiehet/ wird meinen/ daß sich die passiones bey Veränderung des Al- ters änderten/ und bald diese bald jene die Oberhand bekomme/ welches doch nicht ist/ indem die mixtur immer in einerley Ordnung blei-
Das 12. H. von der Vermiſchung an ſich/ derer paſſio dominans Geldgeitz oderEhrgeitz iſt. Das maͤnnliche Alter iſt ſchon retiréer/ mehr erfahren/ und hat die Neugierig- keit ſchon ziemlich gebuͤſſet. Man macht in ſel- bigen die beſte figur in der Welt/ und wird zu allerhand Dingen gebraucht/ die mehr ein An- ſehen machen/ als viel eintragen. Alſo iſt der Ehrgeitz das irritamentum des maͤnnlichen Alters/ das auch die jenigen antreibet/ ſich etwas herfuͤr zu thun/ die ſonſten wegen der Faulheit ihrer dominirenden Wolluſt/ oder wegen des Mißtrauens und Furchtſamkeit des dominiren- den Geldgeitzes ſolches wohl unterlaſſen wuͤrden. Endlich das hohe Alter hat an den Thorheiten der Wolluſt einen Eckel bekom̃en/ und die Boß- heiten des Ehrgeitzes kennen lernen. Die ju- gendliche Menge und die maͤnnliche Hitze des Gebluͤths hat ſich in Wenigkeit und Kaͤlte ver- wandelt. Alſo muͤſſen ſie nothwendig viel Aus- gaben erſparen: Und der Geldgeitz iſt alſo das meiſte/ das bey ihnen im Schwange gehet/ ob es gleich alte giebet die Wolluſt oder Ehrgeitz zu paſſionibus dominantibus haben. Wer nun dieſes nicht wohl erweget/ und das aͤußerliche thun junger/ maͤnnlicher und alter Leute nur oben hin anſiehet/ wird meinen/ daß ſich die paſſiones bey Veraͤnderung des Al- ters aͤnderten/ und bald dieſe bald jene die Oberhand bekomme/ welches doch nicht iſt/ indem die mixtur immer in einerley Ordnung blei-
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Das 12. H. von der Vermiſchung
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Ehrgeitz iſt. Das maͤnnliche Alter iſt ſchon
retiréer/ mehr erfahren/ und hat die Neugierig-
keit ſchon ziemlich gebuͤſſet. Man macht in ſel-
bigen die beſte figur in der Welt/ und wird zu
allerhand Dingen gebraucht/ die mehr ein An-
ſehen machen/ als viel eintragen. Alſo iſt der
Ehrgeitz das irritamentum des maͤnnlichen
Alters/ das auch die jenigen antreibet/ ſich etwas
herfuͤr zu thun/ die ſonſten wegen der Faulheit
ihrer dominirenden Wolluſt/ oder wegen des
Mißtrauens und Furchtſamkeit des dominiren-
den Geldgeitzes ſolches wohl unterlaſſen wuͤrden.
Endlich das hohe Alter hat an den Thorheiten
der Wolluſt einen Eckel bekom̃en/ und die Boß-
heiten des Ehrgeitzes kennen lernen. Die ju-
gendliche Menge und die maͤnnliche Hitze des
Gebluͤths hat ſich in Wenigkeit und Kaͤlte ver-
wandelt. Alſo muͤſſen ſie nothwendig viel Aus-
gaben erſparen: Und der Geldgeitz iſt alſo
das meiſte/ das bey ihnen im Schwange
gehet/ ob es gleich alte giebet die Wolluſt oder
Ehrgeitz zu paſſionibus dominantibus haben.
Wer nun dieſes nicht wohl erweget/ und das
aͤußerliche thun junger/ maͤnnlicher und alter
Leute nur oben hin anſiehet/ wird meinen/ daß
ſich die paſſiones bey Veraͤnderung des Al-
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