Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ ihn/ wenn man ihn beleidiget/ und da er zuvor-her keine Liebe zu einigen Menschen hatte/ kan es nicht fehlen/ es müsse die Beleidigung/ so man ihm anthut/ einen Verdruß und Haß bey ihm erwecken/ er trachtet nach Rache/ und weil er seinen so genanten Freunden nicht Gutes thut/ wie solte er gegen seinem Beleydiger Großmuth erweisen. Ein Wohllüstiger ist em- pfindlich/ und kan auch seine Empfindligkeit nicht wohl bergen/ aber es vergehet ihn bald wie- der/ und was er nicht in der ersten Hitze thut/ das bleibet hernach wohl. Aber ein Geitziger er- zürnet sich zwar nicht eben so leichte über alles/ jedoch wenn er sich erzürnet/ verbirget er sei- nen Zorn meisterlich/ und hütet sich/ daß er nicht in der ersten Bewegung etwas blicken lasse/ und gedencket es dabey desto länger. Ein Ehr- Geitziger ist feurig in seinem Zorn/ und ruhet nicht eher/ bis er sich mit offenbarer Gewalt gerochen hat. Aber ein Geld-Geitziger hat ein stilles verborgenes Feuer/ das nicht flammet/ sondern nur glimmet/ und gleichsam mit Asche stets bedeckt ist. Offenbare Gewalt zu üben ist er viel zu furchtsam. Aber mit Freundligkeit und guten Worten seinen Feind sicher zu ma- chen/ ist er/ wegen seiner angewehnten Simu- lation, sehr geschickt. Und dieser Beschaffen- heit haben wir oben in der Tabelle den Nah- men der verbeissenden Nachtragung gege- ben. 35. Der
Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ ihn/ wenn man ihn beleidiget/ und da er zuvor-her keine Liebe zu einigen Menſchen hatte/ kan es nicht fehlen/ es muͤſſe die Beleidigung/ ſo man ihm anthut/ einen Verdruß und Haß bey ihm erwecken/ er trachtet nach Rache/ und weil er ſeinen ſo genanten Freunden nicht Gutes thut/ wie ſolte er gegen ſeinem Beleydiger Großmuth erweiſen. Ein Wohlluͤſtiger iſt em- pfindlich/ und kan auch ſeine Empfindligkeit nicht wohl bergen/ aber es vergehet ihn bald wie- der/ und was er nicht in der erſten Hitze thut/ das bleibet hernach wohl. Aber ein Geitziger er- zuͤrnet ſich zwar nicht eben ſo leichte uͤber alles/ jedoch wenn er ſich erzuͤrnet/ verbirget er ſei- nen Zorn meiſterlich/ und huͤtet ſich/ daß er nicht in der erſten Bewegung etwas blicken laſſe/ und gedencket es dabey deſto laͤnger. Ein Ehr- Geitziger iſt feurig in ſeinem Zorn/ und ruhet nicht eher/ bis er ſich mit offenbarer Gewalt gerochen hat. Aber ein Geld-Geitziger hat ein ſtilles verborgenes Feuer/ das nicht flammet/ ſondern nur glimmet/ und gleichſam mit Aſche ſtets bedeckt iſt. Offenbare Gewalt zu uͤben iſt er viel zu furchtſam. Aber mit Freundligkeit und guten Worten ſeinen Feind ſicher zu ma- chen/ iſt er/ wegen ſeiner angewehnten Simu- lation, ſehr geſchickt. Und dieſer Beſchaffen- heit haben wir oben in der Tabelle den Nah- men der verbeiſſenden Nachtragung gege- ben. 35. Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="296"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 11. H. von dem Geld-Geitz/</hi></fw><lb/> ihn/ wenn man ihn beleidiget/ und da er zuvor-<lb/> her keine Liebe zu einigen Menſchen hatte/ kan<lb/> es nicht fehlen/ es muͤſſe die Beleidigung/ ſo<lb/> man ihm anthut/ einen Verdruß und <hi rendition="#fr">Haß</hi> bey<lb/> ihm erwecken/ <hi rendition="#fr">er trachtet nach Rache/</hi> und<lb/> weil er ſeinen ſo genanten Freunden nicht Gutes<lb/> thut/ wie ſolte er gegen ſeinem Beleydiger<lb/> Großmuth erweiſen. Ein Wohlluͤſtiger iſt em-<lb/> pfindlich/ und kan auch ſeine Empfindligkeit<lb/> nicht wohl bergen/ aber es vergehet ihn bald wie-<lb/> der/ und was er nicht in der erſten Hitze thut/ das<lb/> bleibet hernach wohl. Aber ein <hi rendition="#fr">Geitziger</hi> er-<lb/> zuͤrnet ſich zwar nicht eben ſo leichte uͤber alles/<lb/> jedoch wenn er ſich erzuͤrnet/ <hi rendition="#fr">verbirget er ſei-<lb/> nen Zorn meiſterlich/</hi> und huͤtet ſich/ daß er<lb/> nicht in der erſten Bewegung etwas blicken laſſe/<lb/> und gedencket es dabey deſto laͤnger. Ein Ehr-<lb/> Geitziger iſt feurig in ſeinem Zorn/ und ruhet<lb/> nicht eher/ bis er ſich mit offenbarer Gewalt<lb/> gerochen hat. Aber ein Geld-Geitziger hat ein<lb/> ſtilles verborgenes Feuer/ das nicht flammet/<lb/> ſondern nur glimmet/ und gleichſam mit Aſche<lb/> ſtets bedeckt iſt. Offenbare Gewalt zu uͤben iſt<lb/> er viel zu furchtſam. Aber mit Freundligkeit<lb/> und guten Worten ſeinen Feind ſicher zu ma-<lb/> chen/ iſt er/ wegen ſeiner angewehnten <hi rendition="#aq">Simu-<lb/> lation,</hi> ſehr geſchickt. Und dieſer Beſchaffen-<lb/> heit haben wir oben in der Tabelle den Nah-<lb/> men der <hi rendition="#fr">verbeiſſenden Nachtragung</hi> gege-<lb/> ben.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">35. Der</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [296/0308]
Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
ihn/ wenn man ihn beleidiget/ und da er zuvor-
her keine Liebe zu einigen Menſchen hatte/ kan
es nicht fehlen/ es muͤſſe die Beleidigung/ ſo
man ihm anthut/ einen Verdruß und Haß bey
ihm erwecken/ er trachtet nach Rache/ und
weil er ſeinen ſo genanten Freunden nicht Gutes
thut/ wie ſolte er gegen ſeinem Beleydiger
Großmuth erweiſen. Ein Wohlluͤſtiger iſt em-
pfindlich/ und kan auch ſeine Empfindligkeit
nicht wohl bergen/ aber es vergehet ihn bald wie-
der/ und was er nicht in der erſten Hitze thut/ das
bleibet hernach wohl. Aber ein Geitziger er-
zuͤrnet ſich zwar nicht eben ſo leichte uͤber alles/
jedoch wenn er ſich erzuͤrnet/ verbirget er ſei-
nen Zorn meiſterlich/ und huͤtet ſich/ daß er
nicht in der erſten Bewegung etwas blicken laſſe/
und gedencket es dabey deſto laͤnger. Ein Ehr-
Geitziger iſt feurig in ſeinem Zorn/ und ruhet
nicht eher/ bis er ſich mit offenbarer Gewalt
gerochen hat. Aber ein Geld-Geitziger hat ein
ſtilles verborgenes Feuer/ das nicht flammet/
ſondern nur glimmet/ und gleichſam mit Aſche
ſtets bedeckt iſt. Offenbare Gewalt zu uͤben iſt
er viel zu furchtſam. Aber mit Freundligkeit
und guten Worten ſeinen Feind ſicher zu ma-
chen/ iſt er/ wegen ſeiner angewehnten Simu-
lation, ſehr geſchickt. Und dieſer Beſchaffen-
heit haben wir oben in der Tabelle den Nah-
men der verbeiſſenden Nachtragung gege-
ben.
35. Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |