Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.und denen daher rührenden Untugenden. sich ja genung belustigen/ wenn er in einem feinenHause zur Miete sässe; Wann er in einem schö- nen Garten genug Gelegenheit hätte spatzieren zu gehen/ wann er auf einem gemieteten oder gelie- henen Pferde spazzieren ritte/ wenn er zu jemand ins Haus zöge/ oder sich in dessen Dienste begä- be/ der viel Hunde hätte u. s. w. Alleine ein Gei- tziger findet in dergleichen Dingen die gröste Un- ruhe: Er kan nicht ruhen/ bis die geliebte Sache sein eigen worden/ und trachtet durch dieses Eigenthum sich mit dem Gelde oder dersel- ben Sache zu vereinigen. Kleine Kinder/ wenn sie was lieben/ drucken sie/ ihre Vereinigung zu bezeigen/ ihre Puppen an die Brust/ sie küssen sie/ sie nehmen sie mit zu Bette. Gewißlich/ wenn ein Geitziger es thun könte/ er nähme gerne sein Haus/ sein Pferd u. s. w. mit zu Bette; Wie küsset er nicht mit hertzlichen appetit auch einen stinckenden Hund? Wie gerne trüge er seinen Geld-Kasten am Halse/ wenn es möglich wäre? Weil er aber denselben nicht mit sich schleppen kan/ hänget er sich an den Kasten/ und kömmet/ seine Vergnügung zu bezeigen/ nicht von demsel- bigen/ sondern bewachet ihn Tag und Nacht. 10. Ein Geitziger sucht aber vergebens hitzi- R 5
und denen daher ruͤhrenden Untugenden. ſich ja genung beluſtigen/ wenn er in einem feinenHauſe zur Miete ſaͤſſe; Wann er in einem ſchoͤ- nen Garten genug Gelegenheit haͤtte ſpatzieren zu gehen/ wann er auf einem gemieteten oder gelie- henen Pferde ſpazzieren ritte/ wenn er zu jemand ins Haus zoͤge/ oder ſich in deſſen Dienſte begaͤ- be/ der viel Hunde haͤtte u. ſ. w. Alleine ein Gei- tziger findet in dergleichen Dingen die groͤſte Un- ruhe: Er kan nicht ruhen/ bis die geliebte Sache ſein eigen worden/ und trachtet durch dieſes Eigenthum ſich mit dem Gelde oder derſel- ben Sache zu vereinigen. Kleine Kinder/ wenn ſie was lieben/ drucken ſie/ ihre Vereinigung zu bezeigen/ ihre Puppen an die Bruſt/ ſie kuͤſſen ſie/ ſie nehmen ſie mit zu Bette. Gewißlich/ wenn ein Geitziger es thun koͤnte/ er naͤhme gerne ſein Haus/ ſein Pferd u. ſ. w. mit zu Bette; Wie kuͤſſet er nicht mit hertzlichen appetit auch einen ſtinckenden Hund? Wie gerne truͤge er ſeinen Geld-Kaſten am Halſe/ wenn es moͤglich waͤre? Weil er aber denſelben nicht mit ſich ſchleppen kan/ haͤnget er ſich an den Kaſten/ und koͤmmet/ ſeine Vergnuͤgung zu bezeigen/ nicht von demſel- bigen/ ſondern bewachet ihn Tag und Nacht. 10. Ein Geitziger ſucht aber vergebens hitzi- R 5
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und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
ſich ja genung beluſtigen/ wenn er in einem feinen
Hauſe zur Miete ſaͤſſe; Wann er in einem ſchoͤ-
nen Garten genug Gelegenheit haͤtte ſpatzieren zu
gehen/ wann er auf einem gemieteten oder gelie-
henen Pferde ſpazzieren ritte/ wenn er zu jemand
ins Haus zoͤge/ oder ſich in deſſen Dienſte begaͤ-
be/ der viel Hunde haͤtte u. ſ. w. Alleine ein Gei-
tziger findet in dergleichen Dingen die groͤſte Un-
ruhe: Er kan nicht ruhen/ bis die geliebte
Sache ſein eigen worden/ und trachtet durch
dieſes Eigenthum ſich mit dem Gelde oder derſel-
ben Sache zu vereinigen. Kleine Kinder/ wenn
ſie was lieben/ drucken ſie/ ihre Vereinigung zu
bezeigen/ ihre Puppen an die Bruſt/ ſie kuͤſſen
ſie/ ſie nehmen ſie mit zu Bette. Gewißlich/ wenn
ein Geitziger es thun koͤnte/ er naͤhme gerne ſein
Haus/ ſein Pferd u. ſ. w. mit zu Bette; Wie
kuͤſſet er nicht mit hertzlichen appetit auch einen
ſtinckenden Hund? Wie gerne truͤge er ſeinen
Geld-Kaſten am Halſe/ wenn es moͤglich waͤre?
Weil er aber denſelben nicht mit ſich ſchleppen
kan/ haͤnget er ſich an den Kaſten/ und koͤmmet/
ſeine Vergnuͤgung zu bezeigen/ nicht von demſel-
bigen/ ſondern bewachet ihn Tag und Nacht.
10. Ein Geitziger ſucht aber vergebens
ſeine Ruhe in ſolcher Veraͤnderung und Ver-
einigung. Es iſt mit allen unſern Begierden ſo
beſchaffen/ wie mit einem Durſtigen/ der nichts
anders zu trincken hat/ als z. e. Spaniſchen
Wein/ oder andere dergleichen ſuͤſſe/ dabey aber
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/277>, abgerufen am 23.07.2024. |