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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 10. H. von dem Ehrgeitz

32. Wenn er aber studieret/ so gehet
ihm alles wegen seines guten
judicii wol von
statten.
Er begreifft ein Ding bald/ wenn es
auch andern noch so schwer scheinet. Er ist
fleißig und wird nicht leicht seine Lectiones oder
Collegia versäumen: Er hat Gedult eine Sache
die er angefangen hat nach der Ordnung aus zu
studieren. Er hat kein groß belieben an solchen
studiis, die in die Sinnligkeit fallen und von je-
derman leichte begriffen werden können/ ob sie
schon dem Menschlichen Geschlecht noch so viel
Nutzen bringen solten. Er liebt vielmehr solche
studia, die tieffsinniges Nachdencken erfordern/
subtil und abstractiv seynd/ und von den wenig-
sten oder gar niemand deutlich begriffen werden
mögen/ sondern derer Vortreffligkeit nach ihrer
Danckelheit pfleget gerechnet zu werden/
wenn sie schon dem Menschlichen Geschlechte we-
nig oder gar nichts nutzen: Er ist nicht alleine für
sich fleißig über seinen Büchern/ sondern er suchet
auch die conversation scharffsinniger und ge-
lehrter Leute/
damit er bey denenselben sich
auch mit seiner Gelahrheit sehen lassen möge:
Er ist geschickt allerhand disciplinen zu begreif-
fen und sich auch in selben mit guten succes in
Schrifften sehen zu lassen/ jedoch schreibt er mehr
ernsthafftig und hoch/ als anmuthig.

33. Die beyden Haupt-Laster/ dadurch
Ehrgeitz von der vernünfftigen Liebe entschieden
wird sind verächtlicher Hochmuth und grim-

mige
Das 10. H. von dem Ehrgeitz

32. Wenn er aber ſtudieret/ ſo gehet
ihm alles wegen ſeines guten
judicii wol von
ſtatten.
Er begreifft ein Ding bald/ wenn es
auch andern noch ſo ſchwer ſcheinet. Er iſt
fleißig und wird nicht leicht ſeine Lectiones oder
Collegia verſaͤumen: Er hat Gedult eine Sache
die er angefangen hat nach der Ordnung aus zu
ſtudieren. Er hat kein groß belieben an ſolchen
ſtudiis, die in die Sinnligkeit fallen und von je-
derman leichte begriffen werden koͤnnen/ ob ſie
ſchon dem Menſchlichen Geſchlecht noch ſo viel
Nutzen bringen ſolten. Er liebt vielmehr ſolche
ſtudia, die tieffſinniges Nachdencken erfordern/
ſubtil und abſtractiv ſeynd/ und von den wenig-
ſten oder gar niemand deutlich begriffen werden
moͤgen/ ſondern derer Vortreffligkeit nach ihrer
Danckelheit pfleget gerechnet zu werden/
wenn ſie ſchon dem Menſchlichen Geſchlechte we-
nig oder gar nichts nutzen: Er iſt nicht alleine fuͤr
ſich fleißig uͤber ſeinen Buͤchern/ ſondern er ſuchet
auch die converſation ſcharffſinniger und ge-
lehrter Leute/
damit er bey denenſelben ſich
auch mit ſeiner Gelahrheit ſehen laſſen moͤge:
Er iſt geſchickt allerhand diſciplinen zu begreif-
fen und ſich auch in ſelben mit guten ſucces in
Schrifften ſehen zu laſſen/ jedoch ſchreibt er mehr
ernſthafftig und hoch/ als anmuthig.

33. Die beyden Haupt-Laſter/ dadurch
Ehrgeitz von der vernuͤnfftigen Liebe entſchieden
wird ſind veraͤchtlicher Hochmuth und grim-

mige
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[242/0254] Das 10. H. von dem Ehrgeitz 32. Wenn er aber ſtudieret/ ſo gehet ihm alles wegen ſeines guten judicii wol von ſtatten. Er begreifft ein Ding bald/ wenn es auch andern noch ſo ſchwer ſcheinet. Er iſt fleißig und wird nicht leicht ſeine Lectiones oder Collegia verſaͤumen: Er hat Gedult eine Sache die er angefangen hat nach der Ordnung aus zu ſtudieren. Er hat kein groß belieben an ſolchen ſtudiis, die in die Sinnligkeit fallen und von je- derman leichte begriffen werden koͤnnen/ ob ſie ſchon dem Menſchlichen Geſchlecht noch ſo viel Nutzen bringen ſolten. Er liebt vielmehr ſolche ſtudia, die tieffſinniges Nachdencken erfordern/ ſubtil und abſtractiv ſeynd/ und von den wenig- ſten oder gar niemand deutlich begriffen werden moͤgen/ ſondern derer Vortreffligkeit nach ihrer Danckelheit pfleget gerechnet zu werden/ wenn ſie ſchon dem Menſchlichen Geſchlechte we- nig oder gar nichts nutzen: Er iſt nicht alleine fuͤr ſich fleißig uͤber ſeinen Buͤchern/ ſondern er ſuchet auch die converſation ſcharffſinniger und ge- lehrter Leute/ damit er bey denenſelben ſich auch mit ſeiner Gelahrheit ſehen laſſen moͤge: Er iſt geſchickt allerhand diſciplinen zu begreif- fen und ſich auch in ſelben mit guten ſucces in Schrifften ſehen zu laſſen/ jedoch ſchreibt er mehr ernſthafftig und hoch/ als anmuthig. 33. Die beyden Haupt-Laſter/ dadurch Ehrgeitz von der vernuͤnfftigen Liebe entſchieden wird ſind veraͤchtlicher Hochmuth und grim- mige

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/254>, abgerufen am 22.11.2024.