Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 9. H. Von der Wohllust mert sich wenig darumb/ das zu sehen/ was etwadaraus erfolgen werde/ so gar auch/ daß er nicht gerne von denen unvermeidlichen schädlichen Würckungen seiner Wohllust reden höret. Also excoliret er nun sein Judicium schlecht. Und wie im übrigen seine Ungedult ihn verhindert/ daß er so wohl im Gedächtnüs als Judicio nicht viel zunehmen kan; Also treibt ihn die närrische Liebe zu seiner Wohllust an/ daß er die schädlichen Wür- ckungen derselben (die sich gemeiniglich eher als beym Ehr- und Geldgeitz einstellen/ auch hand- greifflicher sind) für sich selbst zu verbergen/ aller- hand liederliche Ursachen und praetexte hervor su- chet/ auch die dem allgemeinen Verstand gantz zu wider sind/ und also muthwillig sein Judicium verderbet. 39. Ein Wollüstiger denckt aber immer auf setzet
Das 9. H. Von der Wohlluſt mert ſich wenig darumb/ das zu ſehen/ was etwadaraus erfolgen werde/ ſo gar auch/ daß er nicht gerne von denen unvermeidlichen ſchaͤdlichen Wuͤrckungen ſeiner Wohlluſt reden hoͤret. Alſo excoliret er nun ſein Judicium ſchlecht. Und wie im uͤbrigen ſeine Ungedult ihn verhindert/ daß er ſo wohl im Gedaͤchtnuͤs als Judicio nicht viel zunehmen kan; Alſo treibt ihn die naͤrriſche Liebe zu ſeiner Wohlluſt an/ daß er die ſchaͤdlichen Wuͤr- ckungen derſelben (die ſich gemeiniglich eher als beym Ehr- und Geldgeitz einſtellen/ auch hand- greifflicher ſind) fuͤr ſich ſelbſt zu verbergen/ aller- hand liederliche Urſachen und prætexte hervor ſu- chet/ auch die dem allgemeinen Verſtand gantz zu wider ſind/ und alſo muthwillig ſein Judicium verderbet. 39. Ein Wolluͤſtiger denckt aber im̃er auf ſetzet
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Das 9. H. Von der Wohlluſt
mert ſich wenig darumb/ das zu ſehen/ was etwa
daraus erfolgen werde/ ſo gar auch/ daß er nicht
gerne von denen unvermeidlichen ſchaͤdlichen
Wuͤrckungen ſeiner Wohlluſt reden hoͤret. Alſo
excoliret er nun ſein Judicium ſchlecht. Und
wie im uͤbrigen ſeine Ungedult ihn verhindert/ daß
er ſo wohl im Gedaͤchtnuͤs als Judicio nicht viel
zunehmen kan; Alſo treibt ihn die naͤrriſche Liebe
zu ſeiner Wohlluſt an/ daß er die ſchaͤdlichen Wuͤr-
ckungen derſelben (die ſich gemeiniglich eher als
beym Ehr- und Geldgeitz einſtellen/ auch hand-
greifflicher ſind) fuͤr ſich ſelbſt zu verbergen/ aller-
hand liederliche Urſachen und prætexte hervor ſu-
chet/ auch die dem allgemeinen Verſtand gantz zu
wider ſind/ und alſo muthwillig ſein Judicium
verderbet.
39. Ein Wolluͤſtiger denckt aber im̃er auf
zukuͤnfftige Dinge. Seine ungeduldige Be-
gierde treibt ihn an/ daß er die gegenwaͤrtigen
gleichſam verſchluckt/ und allezeit nach mehrern
trachtet. Ein Wohlluͤſtiger iſt am capableſten/
ſo zu ſagen/ Schloͤſſer in die Lufft zu bauen/ und
mit eitelen Gedancken von zukuͤnfftigen Dingen
ſich was zu gute zu thun. Die feſte Eindruͤckung
der gegenwaͤrtig genoſſenen Dinge/ macht ihn bey
natuͤrlicher Erinne. ung derſelben begierig/ wieder-
umb ſolche zu genieſſen; Und weil es unmoͤglich
iſt/ daß er ſie allemahl wuͤrcklich genieſſen koͤnne/
ſo ſtellet er ſich indeſſen die Umbſtaͤnde der zukuͤnff-
tigen converſation fuͤr/ wie er ſie gerne ſaͤhe/ und
ſetzet
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/218>, abgerufen am 16.02.2025. |