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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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kommen alle wahre Tugenden.
nung ist/ und von mehr/ als weibischen Gemü-
thern erdichtet worden. Wir haben schon im
ersten Theile b) gewiesen/ daß auch nach der
Philosophie der Todt was gutes sey. Und
wer ein wenig die Sache nach dem Maaß der ei-
nem ieden Menschen beywohnenden gesunden
Vernunfft ermessen will/ wird befinden/ daß der
Todt fast das wenigste sey/ woran die gedul-
dige Hertzhafftigkeit ihre Tugend-Härte er-
weiset.
Und daß es leichter sey dem Todte/ zu
dem man ohne dauerhafften Schmertzen gelan-
gen kan/ entgegen zu gehen/ als z. e. mit dem Mu-
tio Scaevola
seine Hand geduldig ins Feuer zu
halten.

12. Die nüchterne mäßige Keuschhei[t]
ist eine Tugend/ die wenige/ und wenig
schmackhaffte Dinge/ so wenig derer vor des
Leibes Unterhalt von nöthen seyn/ isset und
trincket/ und dadurch eine solche Zeugungs-
Krafft zu gewinnen trachtet/ die durch ihren
Uberfluß und Hitze nicht zu verbotener/ und
den Menschen aus den Gräntzen seiner Ver-
nunfft setzender Lust reitze.
Zu dieser führet
uns die Liebe gegen uns selbst/ c) und daß die
gesunde Vernunfft weiset/ wie die Natur mit
wenigen vergnügrsey/ ingleichen/ daß ein Mensch
mit Wasser und Brodt das ruhigste Leben füh-
ren könne/ auch durch Meidung hitziger und vie-
lerley Speisen und Geträncks/ auch vielerley gei-

le und
b) P. 1. c. 1. n. 40.
c) P. 1. c. 8. n. 27. seqq.
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kommen alle wahre Tugenden.
nung iſt/ und von mehr/ als weibiſchen Gemuͤ-
thern erdichtet worden. Wir haben ſchon im
erſten Theile b) gewieſen/ daß auch nach der
Philoſophie der Todt was gutes ſey. Und
wer ein wenig die Sache nach dem Maaß der ei-
nem ieden Menſchen beywohnenden geſunden
Vernunfft ermeſſen will/ wird befinden/ daß der
Todt faſt das wenigſte ſey/ woran die gedul-
dige Hertzhafftigkeit ihre Tugend-Haͤrte er-
weiſet.
Und daß es leichter ſey dem Todte/ zu
dem man ohne dauerhafften Schmertzen gelan-
gen kan/ entgegen zu gehen/ als z. e. mit dem Mu-
tio Scævola
ſeine Hand geduldig ins Feuer zu
halten.

12. Die nuͤchterne maͤßige Keuſchhei[t]
iſt eine Tugend/ die wenige/ und wenig
ſchmackhaffte Dinge/ ſo wenig derer vor des
Leibes Unterhalt von noͤthen ſeyn/ iſſet und
trincket/ und dadurch eine ſolche Zeugungs-
Krafft zu gewinnen trachtet/ die durch ihren
Uberfluß und Hitze nicht zu verbotener/ und
den Menſchen aus den Graͤntzen ſeiner Ver-
nunfft ſetzender Luſt reitze.
Zu dieſer fuͤhret
uns die Liebe gegen uns ſelbſt/ c) und daß die
geſunde Vernunfft weiſet/ wie die Natur mit
wenigen vergnuͤgrſey/ ingleichen/ daß ein Menſch
mit Waſſer und Brodt das ruhigſte Leben fuͤh-
ren koͤnne/ auch durch Meidung hitziger und vie-
lerley Speiſen und Getraͤncks/ auch vielerley gei-

le und
b) P. 1. c. 1. n. 40.
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[181/0193] kommen alle wahre Tugenden. nung iſt/ und von mehr/ als weibiſchen Gemuͤ- thern erdichtet worden. Wir haben ſchon im erſten Theile b) gewieſen/ daß auch nach der Philoſophie der Todt was gutes ſey. Und wer ein wenig die Sache nach dem Maaß der ei- nem ieden Menſchen beywohnenden geſunden Vernunfft ermeſſen will/ wird befinden/ daß der Todt faſt das wenigſte ſey/ woran die gedul- dige Hertzhafftigkeit ihre Tugend-Haͤrte er- weiſet. Und daß es leichter ſey dem Todte/ zu dem man ohne dauerhafften Schmertzen gelan- gen kan/ entgegen zu gehen/ als z. e. mit dem Mu- tio Scævola ſeine Hand geduldig ins Feuer zu halten. 12. Die nuͤchterne maͤßige Keuſchheit iſt eine Tugend/ die wenige/ und wenig ſchmackhaffte Dinge/ ſo wenig derer vor des Leibes Unterhalt von noͤthen ſeyn/ iſſet und trincket/ und dadurch eine ſolche Zeugungs- Krafft zu gewinnen trachtet/ die durch ihren Uberfluß und Hitze nicht zu verbotener/ und den Menſchen aus den Graͤntzen ſeiner Ver- nunfft ſetzender Luſt reitze. Zu dieſer fuͤhret uns die Liebe gegen uns ſelbſt/ c) und daß die geſunde Vernunfft weiſet/ wie die Natur mit wenigen vergnuͤgrſey/ ingleichen/ daß ein Menſch mit Waſſer und Brodt das ruhigſte Leben fuͤh- ren koͤnne/ auch durch Meidung hitziger und vie- lerley Speiſen und Getraͤncks/ auch vielerley gei- le und b) P. 1. c. 1. n. 40. c) P. 1. c. 8. n. 27. ſeqq. M 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/193>, abgerufen am 28.11.2024.