Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 7. H. Gegeneinanderhaltung
als daß man selbige alleine in der Liebe des Men-
schen suchen müsse. Also bleibet die Liebe des
Menschen und der Geschöpffe unter den Men-
schen
noch übrig. Der Mensch ist entweder ru-
hig oder unruhig. Vernünfftige Liebe liebet
ruhige Menschen; Ein unruhiger Mensch will
entweder die Menschliche Natur unterdrü-
cken/
und aus dem Menschen ein unvernünfftig
Thier machen/ indem er seine Ruhe vergebens
in denen sinnlichen Lüsten suchet. Solche Leute
sind für die Wollust recht; oder er will die
Menschliche Natur
über ihre von GOtt gesetz-
te Sphaere erheben/ und sucht seine Ruhe in eite-
ler Einbildung. Diese Art Menschen sind für
den Ehrgeitz. Wer keinen Menschen liebet/
muß nothwendig an geringern Creaturen/ als
Hunden/ Pferden/ Pflantzen/ Steinen/ u. s. w.
sein Vergnügen haben. Diese können alle mit
Gelde angeschaffet werden/ und concentriren sich
gleichsam im Gelde. Derowegen wird diese Lie-
be Geldgeitz genennet.

4. Aber man kan auch aus andern Wissen-
schafften diese drey Haupt-Laster herleiten. Die
Staats-Weißheit kan uns folgendes an die
Hand geben. Der scharffsinnige Autor der Histo-
rie der Sevarambes hat sehr deutlich dargethan/
daß der Brundqvell alles Ubels im gemeinen We-
sen daher entstanden/ daß man den Unterscheid
zwischen Adel und Unadel durch die Geburt ein-
geführet/ und die Gemeinschafft der Güter auff-

geho-

Das 7. H. Gegeneinanderhaltung
als daß man ſelbige alleine in der Liebe des Men-
ſchen ſuchen muͤſſe. Alſo bleibet die Liebe des
Menſchen und der Geſchoͤpffe unter den Men-
ſchen
noch uͤbrig. Der Menſch iſt entweder ru-
hig oder unruhig. Vernuͤnfftige Liebe liebet
ruhige Menſchen; Ein unruhiger Menſch will
entweder die Menſchliche Natur unterdruͤ-
cken/
und aus dem Menſchen ein unvernuͤnfftig
Thier machen/ indem er ſeine Ruhe vergebens
in denen ſinnlichen Luͤſten ſuchet. Solche Leute
ſind fuͤr die Wolluſt recht; oder er will die
Menſchliche Natur
uͤber ihre von GOtt geſetz-
te Sphære erheben/ und ſucht ſeine Ruhe in eite-
ler Einbildung. Dieſe Art Menſchen ſind fuͤr
den Ehrgeitz. Wer keinen Menſchen liebet/
muß nothwendig an geringern Creaturen/ als
Hunden/ Pferden/ Pflantzen/ Steinen/ u. ſ. w.
ſein Vergnuͤgen haben. Dieſe koͤnnen alle mit
Gelde angeſchaffet werden/ und concentriren ſich
gleichſam im Gelde. Derowegen wird dieſe Lie-
be Geldgeitz genennet.

4. Aber man kan auch aus andern Wiſſen-
ſchafften dieſe drey Haupt-Laſter herleiten. Die
Staats-Weißheit kan uns folgendes an die
Hand geben. Der ſcharffſinnige Autor der Hiſto-
rie der Sevarambes hat ſehr deutlich dargethan/
daß der Bruñqvell alles Ubels im gemeinen We-
ſen daher entſtanden/ daß man den Unterſcheid
zwiſchen Adel und Unadel durch die Geburt ein-
gefuͤhret/ und die Gemeinſchafft der Guͤter auff-

geho-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 7. H. Gegeneinanderhaltung</hi></fw><lb/>
als daß man &#x017F;elbige alleine in der Liebe des Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Al&#x017F;o bleibet die Liebe des<lb/><hi rendition="#fr">Men&#x017F;chen</hi> und der <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe unter den Men-<lb/>
&#x017F;chen</hi> noch u&#x0364;brig. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t entweder ru-<lb/>
hig oder unruhig. <hi rendition="#fr">Vernu&#x0364;nfftige Liebe</hi> liebet<lb/><hi rendition="#fr">ruhige Men&#x017F;chen;</hi> Ein unruhiger Men&#x017F;ch will<lb/>
entweder <hi rendition="#fr">die Men&#x017F;chliche Natur unterdru&#x0364;-<lb/>
cken/</hi> und aus dem Men&#x017F;chen ein unvernu&#x0364;nfftig<lb/>
Thier machen/ indem er &#x017F;eine Ruhe vergebens<lb/>
in denen &#x017F;innlichen Lu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;uchet. Solche Leute<lb/>
&#x017F;ind fu&#x0364;r die <hi rendition="#fr">Wollu&#x017F;t</hi> recht; oder er will <hi rendition="#fr">die<lb/>
Men&#x017F;chliche Natur</hi> u&#x0364;ber ihre von GOtt ge&#x017F;etz-<lb/>
te <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Sphære</hi></hi> <hi rendition="#fr">erheben/</hi> und &#x017F;ucht &#x017F;eine Ruhe in eite-<lb/>
ler Einbildung. Die&#x017F;e Art Men&#x017F;chen &#x017F;ind fu&#x0364;r<lb/>
den <hi rendition="#fr">Ehrgeitz.</hi> Wer keinen Men&#x017F;chen liebet/<lb/>
muß nothwendig <hi rendition="#fr">an geringern Creaturen/</hi> als<lb/>
Hunden/ Pferden/ Pflantzen/ Steinen/ u. &#x017F;. w.<lb/>
&#x017F;ein Vergnu&#x0364;gen haben. Die&#x017F;e ko&#x0364;nnen alle mit<lb/>
Gelde ange&#x017F;chaffet werden/ und <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">concentri</hi></hi>ren &#x017F;ich<lb/>
gleich&#x017F;am im Gelde. Derowegen wird die&#x017F;e Lie-<lb/>
be <hi rendition="#fr">Geldgeitz</hi> genennet.</p><lb/>
        <p>4. Aber man kan auch aus andern Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafften die&#x017F;e drey Haupt-La&#x017F;ter herleiten. Die<lb/><hi rendition="#fr">Staats-Weißheit</hi> kan uns folgendes an die<lb/>
Hand geben. Der &#x017F;charff&#x017F;innige <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Autor</hi></hi> der Hi&#x017F;to-<lb/>
rie der <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Sevarambes</hi></hi> hat &#x017F;ehr deutlich dargethan/<lb/>
daß der Brun&#x0303;qvell alles Ubels im gemeinen We-<lb/>
&#x017F;en daher ent&#x017F;tanden/ daß man den Unter&#x017F;cheid<lb/>
zwi&#x017F;chen Adel und Unadel durch die Geburt ein-<lb/>
gefu&#x0364;hret/ und die Gemein&#x017F;chafft der Gu&#x0364;ter auff-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geho-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0172] Das 7. H. Gegeneinanderhaltung als daß man ſelbige alleine in der Liebe des Men- ſchen ſuchen muͤſſe. Alſo bleibet die Liebe des Menſchen und der Geſchoͤpffe unter den Men- ſchen noch uͤbrig. Der Menſch iſt entweder ru- hig oder unruhig. Vernuͤnfftige Liebe liebet ruhige Menſchen; Ein unruhiger Menſch will entweder die Menſchliche Natur unterdruͤ- cken/ und aus dem Menſchen ein unvernuͤnfftig Thier machen/ indem er ſeine Ruhe vergebens in denen ſinnlichen Luͤſten ſuchet. Solche Leute ſind fuͤr die Wolluſt recht; oder er will die Menſchliche Natur uͤber ihre von GOtt geſetz- te Sphære erheben/ und ſucht ſeine Ruhe in eite- ler Einbildung. Dieſe Art Menſchen ſind fuͤr den Ehrgeitz. Wer keinen Menſchen liebet/ muß nothwendig an geringern Creaturen/ als Hunden/ Pferden/ Pflantzen/ Steinen/ u. ſ. w. ſein Vergnuͤgen haben. Dieſe koͤnnen alle mit Gelde angeſchaffet werden/ und concentriren ſich gleichſam im Gelde. Derowegen wird dieſe Lie- be Geldgeitz genennet. 4. Aber man kan auch aus andern Wiſſen- ſchafften dieſe drey Haupt-Laſter herleiten. Die Staats-Weißheit kan uns folgendes an die Hand geben. Der ſcharffſinnige Autor der Hiſto- rie der Sevarambes hat ſehr deutlich dargethan/ daß der Bruñqvell alles Ubels im gemeinen We- ſen daher entſtanden/ daß man den Unterſcheid zwiſchen Adel und Unadel durch die Geburt ein- gefuͤhret/ und die Gemeinſchafft der Guͤter auff- geho-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/172
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/172>, abgerufen am 24.11.2024.