Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig. halten/ ie mehr Vertrauen hat man/ ihm was an-genehmes zu erweisen/ und ie kühner ist man das jenige/ wornach er verlangt/ auszurichten. Jst aber diese Liebe laulicht/ oder fast erloschen/ so findet man bald Ursache/ ein Mißtrauen in ihn zu setzen/ und ihn zu fürchten/ auch alles was er begehret/ ihm mit Vorschützung vieles Zweiffels abzuschlagen. Ein anderer/ der von der Liebe einer Weibesperson starck gefesselt ist/ steiget ü- ber Mauren/ und waget mit grosser Künheit sein Leben/ seine Lust zu büssen/ ja er waget verzweiffel- te Thaten/ die ein anderer/ der mindere Liebe hät- te/ aus Furcht und Verzweiffelung wohl blei- ben liesse. Ein Ehrgeitziger ie mehr Ehrgeitz er hat/ ie mit mehrer Hoffnung und Vertrauen/ ja ie mit mehrer Künheit braucht er die Mittel seinen Ehrgeitz zu stillen. Aber ein poltron un- terlässet diese Mittel aus Mißtrauen/ Furcht und Verzweiffelung. Der Geld-Geitz hat die Menschen angetrieben ihr Leben durch die kühneste That einem Bret im Wasser anzuver- trauen. Wer aber nicht geldgierig ist/ unter- lässet solche Gefahr/ fürchtet sich davor/ oder ste- het von der Erhaltung des Gewins aus Ver- zweiffelung abe/ u. s. w. Aus diesem Grunde kan man auch die Frage erörtern/ ob die Hoff- nung ein Vergnügen oder Schmertzen ist. 15. Andere Gemühts-Neigungen/ die über- lichen
Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig. halten/ ie mehr Vertrauen hat man/ ihm was an-genehmes zu erweiſen/ und ie kuͤhner iſt man das jenige/ wornach er verlangt/ auszurichten. Jſt aber dieſe Liebe laulicht/ oder faſt erloſchen/ ſo findet man bald Urſache/ ein Mißtrauen in ihn zu ſetzen/ und ihn zu fuͤrchten/ auch alles was er begehret/ ihm mit Vorſchuͤtzung vieles Zweiffels abzuſchlagen. Ein anderer/ der von der Liebe einer Weibesperſon ſtarck gefeſſelt iſt/ ſteiget uͤ- ber Mauren/ und waget mit groſſer Kuͤnheit ſein Leben/ ſeine Luſt zu buͤſſen/ ja er waget verzweiffel- te Thaten/ die ein anderer/ der mindere Liebe haͤt- te/ aus Furcht und Verzweiffelung wohl blei- ben lieſſe. Ein Ehrgeitziger ie mehr Ehrgeitz er hat/ ie mit mehrer Hoffnung und Vertrauen/ ja ie mit mehrer Kuͤnheit braucht er die Mittel ſeinen Ehrgeitz zu ſtillen. Aber ein poltron un- terlaͤſſet dieſe Mittel aus Mißtrauen/ Furcht und Verzweiffelung. Der Geld-Geitz hat die Menſchen angetrieben ihr Leben durch die kuͤhneſte That einem Bret im Waſſer anzuver- trauen. Wer aber nicht geldgierig iſt/ unter- laͤſſet ſolche Gefahr/ fuͤrchtet ſich davor/ oder ſte- het von der Erhaltung des Gewins aus Ver- zweiffelung abe/ u. ſ. w. Aus dieſem Grunde kan man auch die Frage eroͤrtern/ ob die Hoff- nung ein Vergnuͤgen oder Schmertzen iſt. 15. Andere Gemuͤhts-Neigungen/ die uͤber- lichen
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Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig.
halten/ ie mehr Vertrauen hat man/ ihm was an-
genehmes zu erweiſen/ und ie kuͤhner iſt man das
jenige/ wornach er verlangt/ auszurichten. Jſt
aber dieſe Liebe laulicht/ oder faſt erloſchen/ ſo
findet man bald Urſache/ ein Mißtrauen in ihn
zu ſetzen/ und ihn zu fuͤrchten/ auch alles was er
begehret/ ihm mit Vorſchuͤtzung vieles Zweiffels
abzuſchlagen. Ein anderer/ der von der Liebe
einer Weibesperſon ſtarck gefeſſelt iſt/ ſteiget uͤ-
ber Mauren/ und waget mit groſſer Kuͤnheit ſein
Leben/ ſeine Luſt zu buͤſſen/ ja er waget verzweiffel-
te Thaten/ die ein anderer/ der mindere Liebe haͤt-
te/ aus Furcht und Verzweiffelung wohl blei-
ben lieſſe. Ein Ehrgeitziger ie mehr Ehrgeitz
er hat/ ie mit mehrer Hoffnung und Vertrauen/
ja ie mit mehrer Kuͤnheit braucht er die Mittel
ſeinen Ehrgeitz zu ſtillen. Aber ein poltron un-
terlaͤſſet dieſe Mittel aus Mißtrauen/ Furcht
und Verzweiffelung. Der Geld-Geitz hat
die Menſchen angetrieben ihr Leben durch die
kuͤhneſte That einem Bret im Waſſer anzuver-
trauen. Wer aber nicht geldgierig iſt/ unter-
laͤſſet ſolche Gefahr/ fuͤrchtet ſich davor/ oder ſte-
het von der Erhaltung des Gewins aus Ver-
zweiffelung abe/ u. ſ. w. Aus dieſem Grunde
kan man auch die Frage eroͤrtern/ ob die Hoff-
nung ein Vergnuͤgen oder Schmertzen iſt.
15. Andere Gemuͤhts-Neigungen/ die uͤber-
haupt mit denen Mitteln zu thun haben/ kriegen
ihre Benennungen von dem Antrieb des menſch-
lichen
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