Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.Unser Herr verrathen von seinem Jünger. werden wollen, seis reich an einigen Thalern, wiedas dem armen Judas auf einige Zeit, und als ein Erwerb von ein paar Stunden, als eine Be- zahlung für einige Wege, genügte, oder seis reich an gesammelten Baarschaften und liegenden Grün- den, die da reich werden wollen, die das ihre Hauptsorge sein, die von dieser erbärmlichen Lei- denschaft, die alles an sich zu reissen, alles in sich zu verschlingen sucht, sich beherrschen lassen, die fallen, wie Judas, in Versuchung und Strikke. Und reißt dieser Strik endlich: so wird alle ihr Eingeweide ausgeschüttet. "Sie werden Häuser bauen, und nicht darinnen wohnen, sie werden Weinberge pflanzen, und keinen Wein davon trin- ken." Wohl ihnen noch, wenn Mangel ihr Lohn wird, damit, wenn sie nun darben, sie noch ein Verlangen bekommen, aufgenommen zu werden in die ewigen Hütten! Aber wehe dem, der sein Herz ganz an dem ungerechten Mammon hängt, und ihn, als einen Schaz mit sich nehmen mögte aus einer Welt in die andre; es wäre demsel- ben Menschen besser, daß er noch nie ge- bohren wäre! O Geiz laß ferne von mir sein, die Wurzel alles Bösen! Sie trägt zur Frucht Gewissenspein, kann da auch Geld erlösen? Des Judas Beispiel schrekke mich, aus Geiz verrieth er, Heiland, dich; Verzweiflung riß ihn mit sich fort, und er ging hin an seinen Ort! Unſer Herr verrathen von ſeinem Jünger. werden wollen, ſeis reich an einigen Thalern, wiedas dem armen Judas auf einige Zeit, und als ein Erwerb von ein paar Stunden, als eine Be- zahlung für einige Wege, genügte, oder ſeis reich an geſammelten Baarſchaften und liegenden Grün- den, die da reich werden wollen, die das ihre Hauptſorge ſein, die von dieſer erbärmlichen Lei- denſchaft, die alles an ſich zu reiſſen, alles in ſich zu verſchlingen ſucht, ſich beherrſchen laſſen, die fallen, wie Judas, in Verſuchung und Strikke. Und reißt dieſer Strik endlich: ſo wird alle ihr Eingeweide ausgeſchüttet. “Sie werden Häuſer bauen, und nicht darinnen wohnen, ſie werden Weinberge pflanzen, und keinen Wein davon trin- ken.” Wohl ihnen noch, wenn Mangel ihr Lohn wird, damit, wenn ſie nun darben, ſie noch ein Verlangen bekommen, aufgenommen zu werden in die ewigen Hütten! Aber wehe dem, der ſein Herz ganz an dem ungerechten Mammon hängt, und ihn, als einen Schaz mit ſich nehmen mögte aus einer Welt in die andre; es wäre demſel- ben Menſchen beſſer, daß er noch nie ge- bohren wäre! O Geiz laß ferne von mir ſein, die Wurzel alles Böſen! Sie trägt zur Frucht Gewiſſenspein, kann da auch Geld erlöſen? Des Judas Beiſpiel ſchrekke mich, aus Geiz verrieth er, Heiland, dich; Verzweiflung riß ihn mit ſich fort, und er ging hin an ſeinen Ort! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="64"/><fw place="top" type="header">Unſer Herr verrathen von ſeinem Jünger.</fw><lb/> werden wollen, ſeis reich an einigen Thalern, wie<lb/> das dem armen Judas auf einige Zeit, und als<lb/> ein Erwerb von ein paar Stunden, als eine Be-<lb/> zahlung für einige Wege, genügte, oder ſeis reich<lb/> an geſammelten Baarſchaften und liegenden Grün-<lb/> den, die da reich werden <hi rendition="#fr">wollen,</hi> die das ihre<lb/> Hauptſorge ſein, die von dieſer erbärmlichen Lei-<lb/> denſchaft, die alles an ſich zu reiſſen, alles in ſich<lb/> zu verſchlingen ſucht, ſich beherrſchen laſſen, die<lb/> fallen, wie Judas, <hi rendition="#fr">in Verſuchung und Strikke.</hi><lb/> Und reißt dieſer Strik endlich: ſo wird alle ihr<lb/> Eingeweide ausgeſchüttet. “Sie werden Häuſer<lb/> bauen, und nicht darinnen wohnen, ſie werden<lb/> Weinberge pflanzen, und keinen Wein davon trin-<lb/> ken.” Wohl ihnen noch, wenn Mangel ihr Lohn<lb/> wird, damit, wenn ſie nun darben, ſie noch ein<lb/> Verlangen bekommen, aufgenommen zu werden<lb/> in die ewigen Hütten! Aber wehe dem, der ſein<lb/> Herz ganz an dem ungerechten Mammon hängt,<lb/> und ihn, als einen Schaz mit ſich nehmen mögte<lb/> aus einer Welt in die andre; <hi rendition="#fr">es wäre demſel-<lb/> ben Menſchen beſſer, daß er noch nie ge-<lb/> bohren wäre!</hi></p><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">O</hi> Geiz laß ferne von mir ſein,</l><lb/> <l>die Wurzel alles Böſen!</l><lb/> <l>Sie trägt zur Frucht Gewiſſenspein,</l><lb/> <l>kann da auch Geld erlöſen?</l><lb/> <l>Des Judas Beiſpiel ſchrekke mich,</l><lb/> <l>aus Geiz verrieth er, Heiland, dich;</l><lb/> <l>Verzweiflung riß ihn mit ſich fort,</l><lb/> <l>und er ging hin an ſeinen Ort!</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [64/0078]
Unſer Herr verrathen von ſeinem Jünger.
werden wollen, ſeis reich an einigen Thalern, wie
das dem armen Judas auf einige Zeit, und als
ein Erwerb von ein paar Stunden, als eine Be-
zahlung für einige Wege, genügte, oder ſeis reich
an geſammelten Baarſchaften und liegenden Grün-
den, die da reich werden wollen, die das ihre
Hauptſorge ſein, die von dieſer erbärmlichen Lei-
denſchaft, die alles an ſich zu reiſſen, alles in ſich
zu verſchlingen ſucht, ſich beherrſchen laſſen, die
fallen, wie Judas, in Verſuchung und Strikke.
Und reißt dieſer Strik endlich: ſo wird alle ihr
Eingeweide ausgeſchüttet. “Sie werden Häuſer
bauen, und nicht darinnen wohnen, ſie werden
Weinberge pflanzen, und keinen Wein davon trin-
ken.” Wohl ihnen noch, wenn Mangel ihr Lohn
wird, damit, wenn ſie nun darben, ſie noch ein
Verlangen bekommen, aufgenommen zu werden
in die ewigen Hütten! Aber wehe dem, der ſein
Herz ganz an dem ungerechten Mammon hängt,
und ihn, als einen Schaz mit ſich nehmen mögte
aus einer Welt in die andre; es wäre demſel-
ben Menſchen beſſer, daß er noch nie ge-
bohren wäre!
O Geiz laß ferne von mir ſein,
die Wurzel alles Böſen!
Sie trägt zur Frucht Gewiſſenspein,
kann da auch Geld erlöſen?
Des Judas Beiſpiel ſchrekke mich,
aus Geiz verrieth er, Heiland, dich;
Verzweiflung riß ihn mit ſich fort,
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