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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr
wie Petrus? -- das Schwert, schwingt es über
den Haufen, und trift ins Ohr eines der Bedien-
ten des Hohenpriesters. Der Herr sezt sich dem
Petrus zur Wehr, entwafnet seinen Muth und
die Wuth seiner Feinde. Er ist schon gefangen,
er hat sich gefangen gegeben, er macht sich mit
Worten wieder los, und giebt sich in der That
noch gefangner; er will nicht den Beistand von
Menschen, denn alle Menschen bedurften nur des
seinigen, bedurften seiner Gefangennehmung, sei-
ner Leiden und seines Todes als eines unentbehr-
lichen Beistands -- er verbittet sich auch den Bei-
stand von Engeln, wie er ihm ohne seine Bitte zu
Theil ward, als er litt, ohne von andern zu lei-
den; und so gefangen redet er doch ganz frei, be-
freit er durch Lehren und durch Thaten die izt ihn
umgebenden Knechte der Sünde von Sünden, die
sie vielleicht sonst noch auf sich geladen hätten, von
Verbrechen, die sie vielleicht schon im Begrif wa-
ren, zu begehn. -- Noch einmal strekt er die Hand
aus, die eben izt aufs härteste gebunden werden
sollte, und heilt, heilt mit der sanftesten Berüh-
rung das gespaltne blutende Ohr, das sein Jünger
verwundet hatte, heilt das Ohr, das vielleicht
für keins seiner Segensworte offen stand. So
ist er denn bis zum lezten Augenblik, der ihm
gegeben war zu würken, umhergezogen und hat
wohl gethan, und hat gesund gemacht. Wie hell
ward nun wohl schon auf diesem dunkeln Wege
für ihn alles! Wie war er vielleicht izt schon
eines freiern, heitern Sinnes, wie bei seinem,
feierlich scheinenden, Einzuge in Jerusalem. Er

zog

Unſer Herr
wie Petrus? — das Schwert, ſchwingt es über
den Haufen, und trift ins Ohr eines der Bedien-
ten des Hohenprieſters. Der Herr ſezt ſich dem
Petrus zur Wehr, entwafnet ſeinen Muth und
die Wuth ſeiner Feinde. Er iſt ſchon gefangen,
er hat ſich gefangen gegeben, er macht ſich mit
Worten wieder los, und giebt ſich in der That
noch gefangner; er will nicht den Beiſtand von
Menſchen, denn alle Menſchen bedurften nur des
ſeinigen, bedurften ſeiner Gefangennehmung, ſei-
ner Leiden und ſeines Todes als eines unentbehr-
lichen Beiſtands — er verbittet ſich auch den Bei-
ſtand von Engeln, wie er ihm ohne ſeine Bitte zu
Theil ward, als er litt, ohne von andern zu lei-
den; und ſo gefangen redet er doch ganz frei, be-
freit er durch Lehren und durch Thaten die izt ihn
umgebenden Knechte der Sünde von Sünden, die
ſie vielleicht ſonſt noch auf ſich geladen hätten, von
Verbrechen, die ſie vielleicht ſchon im Begrif wa-
ren, zu begehn. — Noch einmal ſtrekt er die Hand
aus, die eben izt aufs härteſte gebunden werden
ſollte, und heilt, heilt mit der ſanfteſten Berüh-
rung das geſpaltne blutende Ohr, das ſein Jünger
verwundet hatte, heilt das Ohr, das vielleicht
für keins ſeiner Segensworte offen ſtand. So
iſt er denn bis zum lezten Augenblik, der ihm
gegeben war zu würken, umhergezogen und hat
wohl gethan, und hat geſund gemacht. Wie hell
ward nun wohl ſchon auf dieſem dunkeln Wege
für ihn alles! Wie war er vielleicht izt ſchon
eines freiern, heitern Sinnes, wie bei ſeinem,
feierlich ſcheinenden, Einzuge in Jeruſalem. Er

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[62/0076] Unſer Herr wie Petrus? — das Schwert, ſchwingt es über den Haufen, und trift ins Ohr eines der Bedien- ten des Hohenprieſters. Der Herr ſezt ſich dem Petrus zur Wehr, entwafnet ſeinen Muth und die Wuth ſeiner Feinde. Er iſt ſchon gefangen, er hat ſich gefangen gegeben, er macht ſich mit Worten wieder los, und giebt ſich in der That noch gefangner; er will nicht den Beiſtand von Menſchen, denn alle Menſchen bedurften nur des ſeinigen, bedurften ſeiner Gefangennehmung, ſei- ner Leiden und ſeines Todes als eines unentbehr- lichen Beiſtands — er verbittet ſich auch den Bei- ſtand von Engeln, wie er ihm ohne ſeine Bitte zu Theil ward, als er litt, ohne von andern zu lei- den; und ſo gefangen redet er doch ganz frei, be- freit er durch Lehren und durch Thaten die izt ihn umgebenden Knechte der Sünde von Sünden, die ſie vielleicht ſonſt noch auf ſich geladen hätten, von Verbrechen, die ſie vielleicht ſchon im Begrif wa- ren, zu begehn. — Noch einmal ſtrekt er die Hand aus, die eben izt aufs härteſte gebunden werden ſollte, und heilt, heilt mit der ſanfteſten Berüh- rung das geſpaltne blutende Ohr, das ſein Jünger verwundet hatte, heilt das Ohr, das vielleicht für keins ſeiner Segensworte offen ſtand. So iſt er denn bis zum lezten Augenblik, der ihm gegeben war zu würken, umhergezogen und hat wohl gethan, und hat geſund gemacht. Wie hell ward nun wohl ſchon auf dieſem dunkeln Wege für ihn alles! Wie war er vielleicht izt ſchon eines freiern, heitern Sinnes, wie bei ſeinem, feierlich ſcheinenden, Einzuge in Jeruſalem. Er zog

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/76>, abgerufen am 24.11.2024.