Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.Unser Herr Wie erduldete Jesus das Selenleiden am Gei-
Unſer Herr Wie erduldete Jeſus das Selenleiden am Gei-
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Unſer Herr
Wie erduldete Jeſus das Selenleiden am
Oelberg, von dem, wie unerklärlich auch für uns
die innere Beſchaffenheit deſſelben ſei, doch das
aus dem einſtimmigen Bericht der drei erſten
Evangeliſten klar wird, daß es an ſich, und auch
für Jeſum, das ſchwerſte Leiden geweſen ſei,
wovon ſich eine, doch nur kurze, Wiederkehr bei
ihm fand, gegen den ſchweren Ausgang ſeiner
Todesſtunde? wie erduldete er dies Selenlei-
den? Das wird ebenfals aus dieſem einſtimmi-
gen Berichte klar. So wie dies Leiden ihm
ans Herz trat, und alle Empfindungen ſeiner
Menſchennatur durchdrang, ſo, daß er anfing zu
trauren, und zu zagen: ſo ſing er auch an, von
Herzen zu beten. Und wie es ſo weit mit ihm
kam, daß er mit dem Tode rang, und daß ſein
Angſtſchweis auf die Erde ſiel, wie Blutstropfen:
ſo betete er heftiger. Dies größeſte und tiefſte
Leiden erduldete er alſo nicht, wie ein Menſch,
wenn der es hätte tragen können, es würd’ er-
duldet haben, mit anfänglicher Gelaſſenheit,
und nachmaligem, ſteigenden Unmuth, ſon-
dern mit anfänglicher Unruh, und nachma-
liger, ſteigender Geduld, der Göttliche!
Sein Gemüth ward von der tiefſten Trauer durch-
drungen, von der ſchreklichſten Angſt überfallen;
er, der nie gezittert hatte, auch bei der gegen-
wärtigſten, ich mögte ſagen, bei mehr als Lebens-
gefahr, zitterte hier ſo, daß er ſich nicht aufrecht
halten konnte; er fiel nieder auf ſein Angeſicht;
nicht blos ſein Körper, ſeine ganze Sele zagte,
und doch behielt er nicht nur Gegenwart des
Gei-
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