Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

mit seinen Jüngern.
Sinn so sinnlich, deren Geist so einfach war?!
In diese Lage der Jünger versez dich denn, meine
Seele, so oft du Nahrung verlangst am Tische
des Herrn! Ja du bist es, die dort gespeißt und
getränkt werden, die Nahrung finden soll, du,
mit Seinem Blute theuer erlößte: o such sie --
nicht in dem, was menschlich, sondern in
dem, was göttlich ist
; sei ein wahrer Mit-
genosse, ein wahrer Zeuge am Tisch des Herrn;
nimm du den Plaz ein, den Judas offen ließ,
und vergegenwärtige dich in diese Gesellschaft Je-
su, wie seine Zeugen sie dir vergegenwärtigen.
Sieh, beim Hintritt zum Altar, nichts wie die,
nach dir ausgestrekte, Hand des Herrn; hör
nichts, wie das, an dich gerichtete, Wort des
Herrn, "nimm, iß dies gebrochne Brod; das,
&q;ist mein Leib, gebrochen auch für dich; nimm
&q;trink von dem, in diesen Kelch gegoßnen Wein;
&q;das ist mein Blut, vergossen auch für dich. Das
&q;Neue Testament ist mit diesem Blut unter-
&q;schrieben, der neue, ewig veststehende, Bund
&q;mit Gott ist mit ihm eingeweiht und geschlossen;
&q;die alte Schuld ist getilgt, auch deine Schuld,
&q;sofern du izt hintrittst in mein Reich, worin
&q;kein eiserner Zepter, worin nur Wahrheit, die
&q;du lieben, worin nur Liebe, die du bewahr-
&q;heiten
sollst, herrscht." --

Wie viel von den Gesprächen, die Jesus noch
in dieser Nacht mit seinen Jüngern führte, in
diese Abendgesellschaft gehört, oder wie viel da-
von unterwegs vorkam, das läßt sich, da sich die
heil. Geschichtschreiber an keine so genaue, und

über-

mit ſeinen Jüngern.
Sinn ſo ſinnlich, deren Geiſt ſo einfach war?!
In dieſe Lage der Jünger verſez dich denn, meine
Seele, ſo oft du Nahrung verlangſt am Tiſche
des Herrn! Ja du biſt es, die dort geſpeißt und
getränkt werden, die Nahrung finden ſoll, du,
mit Seinem Blute theuer erlößte: o ſuch ſie —
nicht in dem, was menſchlich, ſondern in
dem, was göttlich iſt
; ſei ein wahrer Mit-
genoſſe, ein wahrer Zeuge am Tiſch des Herrn;
nimm du den Plaz ein, den Judas offen ließ,
und vergegenwärtige dich in dieſe Geſellſchaft Je-
ſu, wie ſeine Zeugen ſie dir vergegenwärtigen.
Sieh, beim Hintritt zum Altar, nichts wie die,
nach dir ausgeſtrekte, Hand des Herrn; hör
nichts, wie das, an dich gerichtete, Wort des
Herrn, “nimm, iß dies gebrochne Brod; das,
&q;iſt mein Leib, gebrochen auch für dich; nimm
&q;trink von dem, in dieſen Kelch gegoßnen Wein;
&q;das iſt mein Blut, vergoſſen auch für dich. Das
&q;Neue Teſtament iſt mit dieſem Blut unter-
&q;ſchrieben, der neue, ewig veſtſtehende, Bund
&q;mit Gott iſt mit ihm eingeweiht und geſchloſſen;
&q;die alte Schuld iſt getilgt, auch deine Schuld,
&q;ſofern du izt hintrittſt in mein Reich, worin
&q;kein eiſerner Zepter, worin nur Wahrheit, die
&q;du lieben, worin nur Liebe, die du bewahr-
&q;heiten
ſollſt, herrſcht.” —

Wie viel von den Geſprächen, die Jeſus noch
in dieſer Nacht mit ſeinen Jüngern führte, in
dieſe Abendgeſellſchaft gehört, oder wie viel da-
von unterwegs vorkam, das läßt ſich, da ſich die
heil. Geſchichtſchreiber an keine ſo genaue, und

über-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="31"/><fw place="top" type="header">mit &#x017F;einen Jüngern.</fw><lb/><hi rendition="#fr">Sinn &#x017F;o &#x017F;innlich,</hi> deren <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t &#x017F;o einfach</hi> war?!<lb/>
In die&#x017F;e Lage der Jünger ver&#x017F;ez dich denn, meine<lb/>
Seele, &#x017F;o oft du Nahrung verlang&#x017F;t am Ti&#x017F;che<lb/>
des Herrn! Ja <hi rendition="#fr">du</hi> bi&#x017F;t es, die dort ge&#x017F;peißt und<lb/>
getränkt werden, die <hi rendition="#fr">Nahrung finden</hi> &#x017F;oll, du,<lb/>
mit Seinem Blute theuer erlößte: o <hi rendition="#fr">&#x017F;uch</hi> &#x017F;ie &#x2014;<lb/><hi rendition="#fr">nicht in dem, was men&#x017F;chlich, &#x017F;ondern in<lb/>
dem, was göttlich i&#x017F;t</hi>; &#x017F;ei ein wahrer Mit-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;e, ein wahrer Zeuge am Ti&#x017F;ch des Herrn;<lb/>
nimm <hi rendition="#fr">du</hi> den Plaz ein, den Judas offen ließ,<lb/>
und vergegenwärtige dich in die&#x017F;e Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft Je-<lb/>
&#x017F;u, wie &#x017F;eine Zeugen &#x017F;ie dir vergegenwärtigen.<lb/>
Sieh, beim Hintritt zum Altar, nichts wie die,<lb/>
nach dir ausge&#x017F;trekte, Hand des Herrn; hör<lb/>
nichts, wie das, an dich gerichtete, Wort des<lb/>
Herrn, &#x201C;nimm, iß dies gebrochne Brod; das,<lb/>
&amp;q;i&#x017F;t mein Leib, gebrochen auch für dich; nimm<lb/>
&amp;q;trink von dem, in die&#x017F;en Kelch gegoßnen Wein;<lb/>
&amp;q;das i&#x017F;t mein Blut, vergo&#x017F;&#x017F;en auch für dich. Das<lb/>
&amp;q;<hi rendition="#fr">Neue Te&#x017F;tament</hi> i&#x017F;t mit die&#x017F;em Blut unter-<lb/>
&amp;q;&#x017F;chrieben, der <hi rendition="#fr">neue,</hi> ewig ve&#x017F;t&#x017F;tehende, Bund<lb/>
&amp;q;mit Gott i&#x017F;t mit ihm eingeweiht und ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
&amp;q;die <hi rendition="#fr">alte Schuld</hi> i&#x017F;t getilgt, auch <hi rendition="#fr">deine</hi> Schuld,<lb/>
&amp;q;&#x017F;ofern du izt hintritt&#x017F;t in mein Reich, worin<lb/>
&amp;q;kein ei&#x017F;erner Zepter, worin nur <hi rendition="#fr">Wahrheit,</hi> die<lb/>
&amp;q;du <hi rendition="#fr">lieben,</hi> worin nur <hi rendition="#fr">Liebe,</hi> die du <hi rendition="#fr">bewahr-<lb/>
&amp;q;heiten</hi> &#x017F;oll&#x017F;t, herr&#x017F;cht.&#x201D; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wie viel von den Ge&#x017F;prächen, die Je&#x017F;us noch<lb/>
in die&#x017F;er Nacht mit &#x017F;einen Jüngern führte, in<lb/>
die&#x017F;e Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft gehört, oder wie viel da-<lb/>
von unterwegs vorkam, das läßt &#x017F;ich, da &#x017F;ich die<lb/>
heil. Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber an keine <hi rendition="#fr">&#x017F;o genaue,</hi> und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">über-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0045] mit ſeinen Jüngern. Sinn ſo ſinnlich, deren Geiſt ſo einfach war?! In dieſe Lage der Jünger verſez dich denn, meine Seele, ſo oft du Nahrung verlangſt am Tiſche des Herrn! Ja du biſt es, die dort geſpeißt und getränkt werden, die Nahrung finden ſoll, du, mit Seinem Blute theuer erlößte: o ſuch ſie — nicht in dem, was menſchlich, ſondern in dem, was göttlich iſt; ſei ein wahrer Mit- genoſſe, ein wahrer Zeuge am Tiſch des Herrn; nimm du den Plaz ein, den Judas offen ließ, und vergegenwärtige dich in dieſe Geſellſchaft Je- ſu, wie ſeine Zeugen ſie dir vergegenwärtigen. Sieh, beim Hintritt zum Altar, nichts wie die, nach dir ausgeſtrekte, Hand des Herrn; hör nichts, wie das, an dich gerichtete, Wort des Herrn, “nimm, iß dies gebrochne Brod; das, &q;iſt mein Leib, gebrochen auch für dich; nimm &q;trink von dem, in dieſen Kelch gegoßnen Wein; &q;das iſt mein Blut, vergoſſen auch für dich. Das &q;Neue Teſtament iſt mit dieſem Blut unter- &q;ſchrieben, der neue, ewig veſtſtehende, Bund &q;mit Gott iſt mit ihm eingeweiht und geſchloſſen; &q;die alte Schuld iſt getilgt, auch deine Schuld, &q;ſofern du izt hintrittſt in mein Reich, worin &q;kein eiſerner Zepter, worin nur Wahrheit, die &q;du lieben, worin nur Liebe, die du bewahr- &q;heiten ſollſt, herrſcht.” — Wie viel von den Geſprächen, die Jeſus noch in dieſer Nacht mit ſeinen Jüngern führte, in dieſe Abendgeſellſchaft gehört, oder wie viel da- von unterwegs vorkam, das läßt ſich, da ſich die heil. Geſchichtſchreiber an keine ſo genaue, und über-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/45
Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/45>, abgerufen am 15.06.2024.