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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr in der lezten Abendgesellschaft
und nichts anders, sagenden, Auge hängen, nach
dem er sie bestimmt versichert hatte, es sei dies
das leztemal, daß er diese Mahlzeit mit ihnen
halte, daß er überall in ihrer geschloßnen Gesell-
schaft esse und trinke.

Doch so wie die Mahlzeit anging und fort-
ging: so kamen die Jünger wohl allmählich zur
Sprache, und ein Gespräch gab dann das andre.
Wars, daß Jesus bei einzelnen Gesprächen ein-
zelner Nachbaren einen stillen Zuhörer abgab,
oder wars, daß er in alle Gespräche für alle sich
mischte: genug, er suchte die Unterredung immer
wieder dahin zu lenken, wohin er schon mehrmals
gezielt hatte, und izt um so deutlicher und stärker,
ie näher er dem würklichen Ziel seines Lebens war,
mit ieder Stunde, mit ieder Minute kam. Er
wollte sein Leichenbegängnis mit seinen Jüngern
feiern, den künftigen Zeugen seiner Auferstehung,
sein Tod sollte ihnen so nah und wigtig sein, als
Er ihm selbst war, sollte so ganz ihre Einbil-
dungskraft
beschäftigen, als die seinige mit hö-
hern Vorstellungen sich izt trug. Von diesem
Zwek, den Jesus dieser lezten Abendgesellschaft
mit seinen Jüngern gesezt hatte, wichen denn
sie freilich sehr weit ab, indem sie mit einander
rangstreiteten. Jesus entscheidet diesen thö-
richten
Streit aufs weiseste, und ist so wieder
bei seinem Zwek, ohne daß man wahrnimmt,
er habe eingelenkt. Nicht sowohl eine münd-
liche Entscheidung giebt er, als vielmehr thä-
tige Belehrung, so still und so redend, so be-
schämend und so aufmunternd, beschämend und
aufmunternd für alle, und für den Petrus

ins-

Unſer Herr in der lezten Abendgeſellſchaft
und nichts anders, ſagenden, Auge hängen, nach
dem er ſie beſtimmt verſichert hatte, es ſei dies
das leztemal, daß er dieſe Mahlzeit mit ihnen
halte, daß er überall in ihrer geſchloßnen Geſell-
ſchaft eſſe und trinke.

Doch ſo wie die Mahlzeit anging und fort-
ging: ſo kamen die Jünger wohl allmählich zur
Sprache, und ein Geſpräch gab dann das andre.
Wars, daß Jeſus bei einzelnen Geſprächen ein-
zelner Nachbaren einen ſtillen Zuhörer abgab,
oder wars, daß er in alle Geſpräche für alle ſich
miſchte: genug, er ſuchte die Unterredung immer
wieder dahin zu lenken, wohin er ſchon mehrmals
gezielt hatte, und izt um ſo deutlicher und ſtärker,
ie näher er dem würklichen Ziel ſeines Lebens war,
mit ieder Stunde, mit ieder Minute kam. Er
wollte ſein Leichenbegängnis mit ſeinen Jüngern
feiern, den künftigen Zeugen ſeiner Auferſtehung,
ſein Tod ſollte ihnen ſo nah und wigtig ſein, als
Er ihm ſelbſt war, ſollte ſo ganz ihre Einbil-
dungskraft
beſchäftigen, als die ſeinige mit hö-
hern Vorſtellungen ſich izt trug. Von dieſem
Zwek, den Jeſus dieſer lezten Abendgeſellſchaft
mit ſeinen Jüngern geſezt hatte, wichen denn
ſie freilich ſehr weit ab, indem ſie mit einander
rangſtreiteten. Jeſus entſcheidet dieſen thö-
richten
Streit aufs weiſeſte, und iſt ſo wieder
bei ſeinem Zwek, ohne daß man wahrnimmt,
er habe eingelenkt. Nicht ſowohl eine münd-
liche Entſcheidung giebt er, als vielmehr thä-
tige Belehrung, ſo ſtill und ſo redend, ſo be-
ſchämend und ſo aufmunternd, beſchämend und
aufmunternd für alle, und für den Petrus

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[26/0040] Unſer Herr in der lezten Abendgeſellſchaft und nichts anders, ſagenden, Auge hängen, nach dem er ſie beſtimmt verſichert hatte, es ſei dies das leztemal, daß er dieſe Mahlzeit mit ihnen halte, daß er überall in ihrer geſchloßnen Geſell- ſchaft eſſe und trinke. Doch ſo wie die Mahlzeit anging und fort- ging: ſo kamen die Jünger wohl allmählich zur Sprache, und ein Geſpräch gab dann das andre. Wars, daß Jeſus bei einzelnen Geſprächen ein- zelner Nachbaren einen ſtillen Zuhörer abgab, oder wars, daß er in alle Geſpräche für alle ſich miſchte: genug, er ſuchte die Unterredung immer wieder dahin zu lenken, wohin er ſchon mehrmals gezielt hatte, und izt um ſo deutlicher und ſtärker, ie näher er dem würklichen Ziel ſeines Lebens war, mit ieder Stunde, mit ieder Minute kam. Er wollte ſein Leichenbegängnis mit ſeinen Jüngern feiern, den künftigen Zeugen ſeiner Auferſtehung, ſein Tod ſollte ihnen ſo nah und wigtig ſein, als Er ihm ſelbſt war, ſollte ſo ganz ihre Einbil- dungskraft beſchäftigen, als die ſeinige mit hö- hern Vorſtellungen ſich izt trug. Von dieſem Zwek, den Jeſus dieſer lezten Abendgeſellſchaft mit ſeinen Jüngern geſezt hatte, wichen denn ſie freilich ſehr weit ab, indem ſie mit einander rangſtreiteten. Jeſus entſcheidet dieſen thö- richten Streit aufs weiſeſte, und iſt ſo wieder bei ſeinem Zwek, ohne daß man wahrnimmt, er habe eingelenkt. Nicht ſowohl eine münd- liche Entſcheidung giebt er, als vielmehr thä- tige Belehrung, ſo ſtill und ſo redend, ſo be- ſchämend und ſo aufmunternd, beſchämend und aufmunternd für alle, und für den Petrus ins-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/40>, abgerufen am 21.11.2024.