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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Der Weizen.
sein Ertragswerth größer seyn kann als der der Gerste. Allein es geschah
mit Sicherheit nur auf sehr reichem und im kräftigen Dünger erhaltenen
Boden. Denn die Konsumption der Bodenskraft ist ohne allen Zweifel stär-
ker als durch die Gerste. Wo sie fehlt, geräth er schlecht, und wo sie ist,
da nimmt er sie vorweg; und der nach zwei Jahren darauf folgende Winter-
weizen, ja selbst der Rocken, wird um so geringer, wenn anders nicht wie-
der dazu gedüngt wird. Dies hat mich Erfahrung nach mehrmaligen Ver-
suchen gelehrt, auf Boden der in guter Düngkraft stand, aber freilich nicht
zu den vorzüglich reichen Boden gehörte. Ich habe 16 Scheffel Ertrag vom
Morgen gehabt und durch kein Getreide mein Land höher benutzt wie durch
dieses, aber ich bin dennoch auf gewöhnlichem Ackerboden von seinem Bau
zurückgekommen.

Dazu kommt, daß er dem Mißwachse in unsrem Klima mehr ausgesetzt
ist. Kalte regnichte oder dürre Sommer sind ihm gleich nachtheilig. In ei-
nem Jahre, wo bei warmer mit vielem Regen abwechselnder Witterung die
Gerste ungemein gerieth, war über die Hälfte der Sommerweizen-Aehren
vom Staubbrande ergriffen. Diese Krankheit scheint beim Sommerweizen
häufiger als beim Winterweizen zu seyn, wogegen ich den eigentlichen Korn-
brand bei jenem nie bemerkt habe. Wahrscheinlich sind dies die Ursachen,
warum sich sein Bau, wenigstens im nördlichen Europa, des großen Lobes
unerachtet, welches ihm manche ertheilten, nicht verbreitet hat und daß er
fast nur da, wo man keinen Winterweizen bauet, zur eignen Konsumption
ausgesäet wird.

Seine Saatzeit fällt zwischen der Mitte Aprils und Mais. Ihn so
früh zu säen, wie man den Sommerrocken zu säen pflegt, hat man nicht
rathsam befunden. Er reift dann oft erst im September.

Seine Körner sind kleiner und minder ansehnlich als die des Winter-
weizens. Er hat im Durchschnitt stärkere Hülsen und geringeres Gewicht.
In der Güte des Mehls giebt er diesem aber nichts nach, wenigstens die
Art nicht, die ich auf meinem Boden vormals gebauet habe. Einige glau-
ben, daß er sich beim Brodbacken nicht so gut verhalte, rühmen ihn aber zur
Stärke.


Vierter Theil. J

Der Weizen.
ſein Ertragswerth groͤßer ſeyn kann als der der Gerſte. Allein es geſchah
mit Sicherheit nur auf ſehr reichem und im kraͤftigen Duͤnger erhaltenen
Boden. Denn die Konſumption der Bodenskraft iſt ohne allen Zweifel ſtaͤr-
ker als durch die Gerſte. Wo ſie fehlt, geraͤth er ſchlecht, und wo ſie iſt,
da nimmt er ſie vorweg; und der nach zwei Jahren darauf folgende Winter-
weizen, ja ſelbſt der Rocken, wird um ſo geringer, wenn anders nicht wie-
der dazu geduͤngt wird. Dies hat mich Erfahrung nach mehrmaligen Ver-
ſuchen gelehrt, auf Boden der in guter Duͤngkraft ſtand, aber freilich nicht
zu den vorzuͤglich reichen Boden gehoͤrte. Ich habe 16 Scheffel Ertrag vom
Morgen gehabt und durch kein Getreide mein Land hoͤher benutzt wie durch
dieſes, aber ich bin dennoch auf gewoͤhnlichem Ackerboden von ſeinem Bau
zuruͤckgekommen.

Dazu kommt, daß er dem Mißwachſe in unſrem Klima mehr ausgeſetzt
iſt. Kalte regnichte oder duͤrre Sommer ſind ihm gleich nachtheilig. In ei-
nem Jahre, wo bei warmer mit vielem Regen abwechſelnder Witterung die
Gerſte ungemein gerieth, war uͤber die Haͤlfte der Sommerweizen-Aehren
vom Staubbrande ergriffen. Dieſe Krankheit ſcheint beim Sommerweizen
haͤufiger als beim Winterweizen zu ſeyn, wogegen ich den eigentlichen Korn-
brand bei jenem nie bemerkt habe. Wahrſcheinlich ſind dies die Urſachen,
warum ſich ſein Bau, wenigſtens im noͤrdlichen Europa, des großen Lobes
unerachtet, welches ihm manche ertheilten, nicht verbreitet hat und daß er
faſt nur da, wo man keinen Winterweizen bauet, zur eignen Konſumption
ausgeſaͤet wird.

Seine Saatzeit faͤllt zwiſchen der Mitte Aprils und Mais. Ihn ſo
fruͤh zu ſaͤen, wie man den Sommerrocken zu ſaͤen pflegt, hat man nicht
rathſam befunden. Er reift dann oft erſt im September.

Seine Koͤrner ſind kleiner und minder anſehnlich als die des Winter-
weizens. Er hat im Durchſchnitt ſtaͤrkere Huͤlſen und geringeres Gewicht.
In der Guͤte des Mehls giebt er dieſem aber nichts nach, wenigſtens die
Art nicht, die ich auf meinem Boden vormals gebauet habe. Einige glau-
ben, daß er ſich beim Brodbacken nicht ſo gut verhalte, ruͤhmen ihn aber zur
Staͤrke.


Vierter Theil. J
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[65/0089] Der Weizen. ſein Ertragswerth groͤßer ſeyn kann als der der Gerſte. Allein es geſchah mit Sicherheit nur auf ſehr reichem und im kraͤftigen Duͤnger erhaltenen Boden. Denn die Konſumption der Bodenskraft iſt ohne allen Zweifel ſtaͤr- ker als durch die Gerſte. Wo ſie fehlt, geraͤth er ſchlecht, und wo ſie iſt, da nimmt er ſie vorweg; und der nach zwei Jahren darauf folgende Winter- weizen, ja ſelbſt der Rocken, wird um ſo geringer, wenn anders nicht wie- der dazu geduͤngt wird. Dies hat mich Erfahrung nach mehrmaligen Ver- ſuchen gelehrt, auf Boden der in guter Duͤngkraft ſtand, aber freilich nicht zu den vorzuͤglich reichen Boden gehoͤrte. Ich habe 16 Scheffel Ertrag vom Morgen gehabt und durch kein Getreide mein Land hoͤher benutzt wie durch dieſes, aber ich bin dennoch auf gewoͤhnlichem Ackerboden von ſeinem Bau zuruͤckgekommen. Dazu kommt, daß er dem Mißwachſe in unſrem Klima mehr ausgeſetzt iſt. Kalte regnichte oder duͤrre Sommer ſind ihm gleich nachtheilig. In ei- nem Jahre, wo bei warmer mit vielem Regen abwechſelnder Witterung die Gerſte ungemein gerieth, war uͤber die Haͤlfte der Sommerweizen-Aehren vom Staubbrande ergriffen. Dieſe Krankheit ſcheint beim Sommerweizen haͤufiger als beim Winterweizen zu ſeyn, wogegen ich den eigentlichen Korn- brand bei jenem nie bemerkt habe. Wahrſcheinlich ſind dies die Urſachen, warum ſich ſein Bau, wenigſtens im noͤrdlichen Europa, des großen Lobes unerachtet, welches ihm manche ertheilten, nicht verbreitet hat und daß er faſt nur da, wo man keinen Winterweizen bauet, zur eignen Konſumption ausgeſaͤet wird. Seine Saatzeit faͤllt zwiſchen der Mitte Aprils und Mais. Ihn ſo fruͤh zu ſaͤen, wie man den Sommerrocken zu ſaͤen pflegt, hat man nicht rathſam befunden. Er reift dann oft erſt im September. Seine Koͤrner ſind kleiner und minder anſehnlich als die des Winter- weizens. Er hat im Durchſchnitt ſtaͤrkere Huͤlſen und geringeres Gewicht. In der Guͤte des Mehls giebt er dieſem aber nichts nach, wenigſtens die Art nicht, die ich auf meinem Boden vormals gebauet habe. Einige glau- ben, daß er ſich beim Brodbacken nicht ſo gut verhalte, ruͤhmen ihn aber zur Staͤrke. Vierter Theil. J

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/89>, abgerufen am 24.11.2024.