lassen, und den Weizen eher abbringen, weil der Verlust bei diesem weit größer wie bei jenem ist.
Nur der zur Saat bestimmte Weizen muß völlig reif und dann mit Vorsicht und behende abgebracht werden.
§. 62.
Ertrag.Wenn der Weizen den ihm angemessenen Boden hat und die Witterung ihm nicht ungünstig ist, so giebt er unter allen gewöhnlichen Getreidearten die höchste Produktion, wo nicht in Masse -- und auch hierin überwiegt ihm fast nur der Hafer -- doch im Nahrungsstoff. Man kann bis 24 Scheffel vom Morgen bei gewöhnlicher Kultur auf sehr gutem Boden in glücklichen Jahren gewinnen. In England hat man bei der Drillkultur oder bei sorg- fältigem Handhacken viel höhere Angaben. In der Regel aber werden 12 Scheffel ein guter, 8 Scheffel ein geringer Ertrag genannt; das Mittlere ist also 10 Scheffel auf gutem Weizenboden und üblich guter Bestellung.
§. 63.
Werth.In ein noch vortheilhafteres Verhältniß kommt er aber gegen andere Ge- treidearten zu stehen, wenn wir auf den Werth seines Ertrages sehen. Die- fer ist keinesweges bloß conventionell, sondern in seiner Natur begründet. Sein Gewicht pro Scheffel schwankt zwischen 84 und 96 Pfund, wenn er anders nicht schlecht und unrein ist. Ueberdem besitzt er im gleichen Gewichte mehrere und kräftigere Nahrungstheile wie irgend ein anderes Korn. Er hat die der thierischen Materie analoge Substanz, den Kleber, in beträchtlich größerer Menge und in höherer Vollkommenheit in sich als irgend ein ande- res Getreide, und ist daher zur thierischen Nahrung am meisten geeignet; überdem enthält er ein vorzügliches Stärkemehl; aus deren inniger Verbin- dung, welche besonders beim Brodbacken bewirkt wird, eine so verdauliche, angenehme und wohlthätige Nahrung hervorgehet, wie vielleicht keine an- dere ist.
Boden und Dünger verändern das quantitative Verhältniß seiner Be- standtheile beträchtlich. Der auf frischen Schaafdünger und Pferdedünger, besonders auf Pferch gewachsene Weizen, hat ein sehr großes Uebergewicht an Kleber, welches ihn zum Bierbrauen und Branntweinbrennen so wie zur
Der Weizen.
laſſen, und den Weizen eher abbringen, weil der Verluſt bei dieſem weit groͤßer wie bei jenem iſt.
Nur der zur Saat beſtimmte Weizen muß voͤllig reif und dann mit Vorſicht und behende abgebracht werden.
§. 62.
Ertrag.Wenn der Weizen den ihm angemeſſenen Boden hat und die Witterung ihm nicht unguͤnſtig iſt, ſo giebt er unter allen gewoͤhnlichen Getreidearten die hoͤchſte Produktion, wo nicht in Maſſe — und auch hierin uͤberwiegt ihm faſt nur der Hafer — doch im Nahrungsſtoff. Man kann bis 24 Scheffel vom Morgen bei gewoͤhnlicher Kultur auf ſehr gutem Boden in gluͤcklichen Jahren gewinnen. In England hat man bei der Drillkultur oder bei ſorg- faͤltigem Handhacken viel hoͤhere Angaben. In der Regel aber werden 12 Scheffel ein guter, 8 Scheffel ein geringer Ertrag genannt; das Mittlere iſt alſo 10 Scheffel auf gutem Weizenboden und uͤblich guter Beſtellung.
§. 63.
Werth.In ein noch vortheilhafteres Verhaͤltniß kommt er aber gegen andere Ge- treidearten zu ſtehen, wenn wir auf den Werth ſeines Ertrages ſehen. Die- fer iſt keinesweges bloß conventionell, ſondern in ſeiner Natur begruͤndet. Sein Gewicht pro Scheffel ſchwankt zwiſchen 84 und 96 Pfund, wenn er anders nicht ſchlecht und unrein iſt. Ueberdem beſitzt er im gleichen Gewichte mehrere und kraͤftigere Nahrungstheile wie irgend ein anderes Korn. Er hat die der thieriſchen Materie analoge Subſtanz, den Kleber, in betraͤchtlich groͤßerer Menge und in hoͤherer Vollkommenheit in ſich als irgend ein ande- res Getreide, und iſt daher zur thieriſchen Nahrung am meiſten geeignet; uͤberdem enthaͤlt er ein vorzuͤgliches Staͤrkemehl; aus deren inniger Verbin- dung, welche beſonders beim Brodbacken bewirkt wird, eine ſo verdauliche, angenehme und wohlthaͤtige Nahrung hervorgehet, wie vielleicht keine an- dere iſt.
Boden und Duͤnger veraͤndern das quantitative Verhaͤltniß ſeiner Be- ſtandtheile betraͤchtlich. Der auf friſchen Schaafduͤnger und Pferdeduͤnger, beſonders auf Pferch gewachſene Weizen, hat ein ſehr großes Uebergewicht an Kleber, welches ihn zum Bierbrauen und Branntweinbrennen ſo wie zur
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Der Weizen.
laſſen, und den Weizen eher abbringen, weil der Verluſt bei dieſem weit
groͤßer wie bei jenem iſt.
Nur der zur Saat beſtimmte Weizen muß voͤllig reif und dann mit
Vorſicht und behende abgebracht werden.
§. 62.
Wenn der Weizen den ihm angemeſſenen Boden hat und die Witterung
ihm nicht unguͤnſtig iſt, ſo giebt er unter allen gewoͤhnlichen Getreidearten
die hoͤchſte Produktion, wo nicht in Maſſe — und auch hierin uͤberwiegt ihm
faſt nur der Hafer — doch im Nahrungsſtoff. Man kann bis 24 Scheffel
vom Morgen bei gewoͤhnlicher Kultur auf ſehr gutem Boden in gluͤcklichen
Jahren gewinnen. In England hat man bei der Drillkultur oder bei ſorg-
faͤltigem Handhacken viel hoͤhere Angaben. In der Regel aber werden
12 Scheffel ein guter, 8 Scheffel ein geringer Ertrag genannt; das Mittlere
iſt alſo 10 Scheffel auf gutem Weizenboden und uͤblich guter Beſtellung.
Ertrag.
§. 63.
In ein noch vortheilhafteres Verhaͤltniß kommt er aber gegen andere Ge-
treidearten zu ſtehen, wenn wir auf den Werth ſeines Ertrages ſehen. Die-
fer iſt keinesweges bloß conventionell, ſondern in ſeiner Natur begruͤndet.
Sein Gewicht pro Scheffel ſchwankt zwiſchen 84 und 96 Pfund, wenn er
anders nicht ſchlecht und unrein iſt. Ueberdem beſitzt er im gleichen Gewichte
mehrere und kraͤftigere Nahrungstheile wie irgend ein anderes Korn. Er hat
die der thieriſchen Materie analoge Subſtanz, den Kleber, in betraͤchtlich
groͤßerer Menge und in hoͤherer Vollkommenheit in ſich als irgend ein ande-
res Getreide, und iſt daher zur thieriſchen Nahrung am meiſten geeignet;
uͤberdem enthaͤlt er ein vorzuͤgliches Staͤrkemehl; aus deren inniger Verbin-
dung, welche beſonders beim Brodbacken bewirkt wird, eine ſo verdauliche,
angenehme und wohlthaͤtige Nahrung hervorgehet, wie vielleicht keine an-
dere iſt.
Werth.
Boden und Duͤnger veraͤndern das quantitative Verhaͤltniß ſeiner Be-
ſtandtheile betraͤchtlich. Der auf friſchen Schaafduͤnger und Pferdeduͤnger,
beſonders auf Pferch gewachſene Weizen, hat ein ſehr großes Uebergewicht
an Kleber, welches ihn zum Bierbrauen und Branntweinbrennen ſo wie zur
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/86>, abgerufen am 23.11.2024.
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