Die Farbe des Korns ist beständiger und allenthalben unterscheidet man rothen oder braunen, gelben und weißen Weizen. Die Farbe des reifen Strohes ist nicht immer übereinstimmend mit der Farbe des Korns und man hat dunklen Weizen mit weißlichem Stroh und umgekehrt.
Der braune Weizen kommt in Gegenden, welche den stärksten Weizenboden haben, hauptsächlich vor, und artet sich, nach andern verpflanzt, nicht gut. Ob er die braune röthliche Farbe nur vom Boden habe und sie auf anderen allmählig ver- lieren würde, ist noch zweifelhaft; wenigstens geschiehet es nicht so bald.
Der gewöhnlichste ist der gelbe Weizen als Winterung und auch als Söm- merung gebauet.
Seit einiger Zeit verdrängte ihn aber der weiße Weizen bei aufmerksameren Wirthen fast gänzlich, weil dieser im Ertrage nicht geringer war, im Preise aber beträchtlich höher stieg, nachdem man ihn kennen gelernt hatte. Er giebt, auch weniger gebeutelt, ein weißeres Mehl; besonders aber ward er seewärts mehr ge- sucht und bezahlt. Er würde vielleicht allgemein geworden seyn, wenn nicht der Winter 180 2/3 gezeigt hätte, daß er weichlicher sey. Denn bei dem anhaltenden Blachfroste erfror er in manchen Gegenden, wo sich der gelbe erhielt.
Man hat aber zwei weiße Abarten. Bei dem einen ist die Spelze glatt, bei dem andern mit feinen Härchen überzogen, die den Aehren ein sammetartiges An- sehn geben. Die Engländer beachten diesen Unterschied vorzüglich, und er ist nach ihnen nicht nur sehr constant, sondern auch ökonomisch wichtig. Sie nennen jenen eierschääligen (eg-shell) diesen Sammetweizen (velvit). Den glatt- spelzigen halten sie in feuchteren Gegenden angemessener, in welchen der rauhe die Feuchtigkeit zu sehr anziehe, dem Brande unterworfen sey, und schwerer trockne; den rauhen aber für höhere, trocknere Gegenden mehr geeignet, wo er die Dürre besser aushalte, nicht so schnell trockne, und so leicht zusammenschrumpfe -- sehr natürlich, da diese Härchen einsaugende Gefäße sind. --
Ich habe diesen weißen rauhen Weizen vormals aus England erhalten, bin aber darum gekommen. Ich habe ihn nachmals auch in hiesigen Gegenden ange- troffen, wo man die Saat aus dem Dessauischen erhalten hatte, wohin er wahr-
G 2
Der Weizen.
Die Farbe des Korns iſt beſtaͤndiger und allenthalben unterſcheidet man rothen oder braunen, gelben und weißen Weizen. Die Farbe des reifen Strohes iſt nicht immer uͤbereinſtimmend mit der Farbe des Korns und man hat dunklen Weizen mit weißlichem Stroh und umgekehrt.
Der braune Weizen kommt in Gegenden, welche den ſtaͤrkſten Weizenboden haben, hauptſaͤchlich vor, und artet ſich, nach andern verpflanzt, nicht gut. Ob er die braune roͤthliche Farbe nur vom Boden habe und ſie auf anderen allmaͤhlig ver- lieren wuͤrde, iſt noch zweifelhaft; wenigſtens geſchiehet es nicht ſo bald.
Der gewoͤhnlichſte iſt der gelbe Weizen als Winterung und auch als Soͤm- merung gebauet.
Seit einiger Zeit verdraͤngte ihn aber der weiße Weizen bei aufmerkſameren Wirthen faſt gaͤnzlich, weil dieſer im Ertrage nicht geringer war, im Preiſe aber betraͤchtlich hoͤher ſtieg, nachdem man ihn kennen gelernt hatte. Er giebt, auch weniger gebeutelt, ein weißeres Mehl; beſonders aber ward er ſeewaͤrts mehr ge- ſucht und bezahlt. Er wuͤrde vielleicht allgemein geworden ſeyn, wenn nicht der Winter 180⅔ gezeigt haͤtte, daß er weichlicher ſey. Denn bei dem anhaltenden Blachfroſte erfror er in manchen Gegenden, wo ſich der gelbe erhielt.
Man hat aber zwei weiße Abarten. Bei dem einen iſt die Spelze glatt, bei dem andern mit feinen Haͤrchen uͤberzogen, die den Aehren ein ſammetartiges An- ſehn geben. Die Englaͤnder beachten dieſen Unterſchied vorzuͤglich, und er iſt nach ihnen nicht nur ſehr conſtant, ſondern auch oͤkonomiſch wichtig. Sie nennen jenen eierſchaͤaͤligen (eg-shell) dieſen Sammetweizen (velvit). Den glatt- ſpelzigen halten ſie in feuchteren Gegenden angemeſſener, in welchen der rauhe die Feuchtigkeit zu ſehr anziehe, dem Brande unterworfen ſey, und ſchwerer trockne; den rauhen aber fuͤr hoͤhere, trocknere Gegenden mehr geeignet, wo er die Duͤrre beſſer aushalte, nicht ſo ſchnell trockne, und ſo leicht zuſammenſchrumpfe — ſehr natuͤrlich, da dieſe Haͤrchen einſaugende Gefaͤße ſind. —
Ich habe dieſen weißen rauhen Weizen vormals aus England erhalten, bin aber darum gekommen. Ich habe ihn nachmals auch in hieſigen Gegenden ange- troffen, wo man die Saat aus dem Deſſauiſchen erhalten hatte, wohin er wahr-
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Der Weizen.
Die Farbe des Korns iſt beſtaͤndiger und allenthalben unterſcheidet man
rothen oder braunen, gelben und weißen Weizen. Die Farbe des reifen
Strohes iſt nicht immer uͤbereinſtimmend mit der Farbe des Korns und man hat
dunklen Weizen mit weißlichem Stroh und umgekehrt.
Der braune Weizen kommt in Gegenden, welche den ſtaͤrkſten Weizenboden
haben, hauptſaͤchlich vor, und artet ſich, nach andern verpflanzt, nicht gut. Ob er
die braune roͤthliche Farbe nur vom Boden habe und ſie auf anderen allmaͤhlig ver-
lieren wuͤrde, iſt noch zweifelhaft; wenigſtens geſchiehet es nicht ſo bald.
Der gewoͤhnlichſte iſt der gelbe Weizen als Winterung und auch als Soͤm-
merung gebauet.
Seit einiger Zeit verdraͤngte ihn aber der weiße Weizen bei aufmerkſameren
Wirthen faſt gaͤnzlich, weil dieſer im Ertrage nicht geringer war, im Preiſe aber
betraͤchtlich hoͤher ſtieg, nachdem man ihn kennen gelernt hatte. Er giebt, auch
weniger gebeutelt, ein weißeres Mehl; beſonders aber ward er ſeewaͤrts mehr ge-
ſucht und bezahlt. Er wuͤrde vielleicht allgemein geworden ſeyn, wenn nicht der
Winter 180⅔ gezeigt haͤtte, daß er weichlicher ſey. Denn bei dem anhaltenden
Blachfroſte erfror er in manchen Gegenden, wo ſich der gelbe erhielt.
Man hat aber zwei weiße Abarten. Bei dem einen iſt die Spelze glatt, bei
dem andern mit feinen Haͤrchen uͤberzogen, die den Aehren ein ſammetartiges An-
ſehn geben. Die Englaͤnder beachten dieſen Unterſchied vorzuͤglich, und er iſt nach
ihnen nicht nur ſehr conſtant, ſondern auch oͤkonomiſch wichtig. Sie nennen
jenen eierſchaͤaͤligen (eg-shell) dieſen Sammetweizen (velvit). Den glatt-
ſpelzigen halten ſie in feuchteren Gegenden angemeſſener, in welchen der rauhe
die Feuchtigkeit zu ſehr anziehe, dem Brande unterworfen ſey, und ſchwerer
trockne; den rauhen aber fuͤr hoͤhere, trocknere Gegenden mehr geeignet, wo er die
Duͤrre beſſer aushalte, nicht ſo ſchnell trockne, und ſo leicht zuſammenſchrumpfe —
ſehr natuͤrlich, da dieſe Haͤrchen einſaugende Gefaͤße ſind. —
Ich habe dieſen weißen rauhen Weizen vormals aus England erhalten, bin
aber darum gekommen. Ich habe ihn nachmals auch in hieſigen Gegenden ange-
troffen, wo man die Saat aus dem Deſſauiſchen erhalten hatte, wohin er wahr-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/75>, abgerufen am 21.11.2024.
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