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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
Wasser in dem Standpunkte erhalte, wo es nicht über seine Gränzen tritt
und die umliegende Gegend verschlammt.

b) Die Holzweide ist nach der Beschaffenheit des Bodens, des Holzes
und des dichteren oder raumeren Standes desselben sehr verschieden. Ein sehr
räumiges Laubholz kommt den Angerweiden fast gleich. Je mehr es aber be-
standen ist, desto schlechter wird die Weide. Wird das Gras durch den dich-
ten Stand der Bäume auch nicht unterdrückt, aber doch ganz beschattet, so
ist es auf fruchtbarem Boden oft ansehnlich, aber von geringer Nahrhaftig-
keit und gedeihet dem Viehe wenig. Auch kommen im Holze die morastigen
Stellen am häufigsten vor. Unter Nadelholz, die Lerchen ausgenommen, wächst
weniges und nur hartes dürres Gras, so daß die Schaafe wenig Nahrung
davon haben. Indessen hält man eine solche Abtrift für gesund, und glaubt,
daß sie dem Nachtheil der Weide an feuchten Stellen entgegen wirke. Im-
mer ist die geschlossene Holzweide der Wolle höchst nachtheilig, und wird da-
her von den Besitzern feinwolliger Schäfereien schon aus dieser Ursach vermieden.

c) Die Brachweide giebt in gewöhnlichen Wirthschaften den Schaa-
fen die Hauptnahrung, und mit Abschaffung der Brache sinkt die Benutzung
der Schäferei in selbigen. Deshalb sind fast alle Schäfer und Liebhaber der
Schaafe gegen die Wirthschaft ohne Brache, und besonders gegen die allge-
meine Einführung derselben auch auf den Bauerfeldern. Man hat es also
auch in den meisten Gegenden, wo die Schäferei ein Hauptzweig der Wirth-
schaft ist, zur Regel und zur Pflicht gemacht, die Brache so lange als mög-
lich unaufgebrochen liegen zu lassen, und dadurch den wahren Zweck der Brache
völlig vereitelt.

Diese Brachweide unterscheidet sich in die, welche vor dem ersten Um-
bruch auf dem Dreesch Staat findet, und in die, welche das auf der Brach-
und Wendefurche auskeimende Unkraut und die Grasspitzen geben. Erstere
ist bei weitem die ergiebigste, letztere zwar den Schaafen angenehm und ge-
deihlich, aber wenig nachhaltend, da die feinen Sprossen bald ausgebissen
sind. Einige glauben, sie könne leicht nachtheilig werden, besonders bei feuch-
ter Witterung; doch scheint sie mir gefahrlos zu seyn, wenn man nur nicht
eine stark ausgegrünte Brache von hungrigen Schaafen zu plötzlich auf ein-

Vierter Theil. F f f

Die Schaafzucht.
Waſſer in dem Standpunkte erhalte, wo es nicht uͤber ſeine Graͤnzen tritt
und die umliegende Gegend verſchlammt.

b) Die Holzweide iſt nach der Beſchaffenheit des Bodens, des Holzes
und des dichteren oder raumeren Standes deſſelben ſehr verſchieden. Ein ſehr
raͤumiges Laubholz kommt den Angerweiden faſt gleich. Je mehr es aber be-
ſtanden iſt, deſto ſchlechter wird die Weide. Wird das Gras durch den dich-
ten Stand der Baͤume auch nicht unterdruͤckt, aber doch ganz beſchattet, ſo
iſt es auf fruchtbarem Boden oft anſehnlich, aber von geringer Nahrhaftig-
keit und gedeihet dem Viehe wenig. Auch kommen im Holze die moraſtigen
Stellen am haͤufigſten vor. Unter Nadelholz, die Lerchen ausgenommen, waͤchſt
weniges und nur hartes duͤrres Gras, ſo daß die Schaafe wenig Nahrung
davon haben. Indeſſen haͤlt man eine ſolche Abtrift fuͤr geſund, und glaubt,
daß ſie dem Nachtheil der Weide an feuchten Stellen entgegen wirke. Im-
mer iſt die geſchloſſene Holzweide der Wolle hoͤchſt nachtheilig, und wird da-
her von den Beſitzern feinwolliger Schaͤfereien ſchon aus dieſer Urſach vermieden.

c) Die Brachweide giebt in gewoͤhnlichen Wirthſchaften den Schaa-
fen die Hauptnahrung, und mit Abſchaffung der Brache ſinkt die Benutzung
der Schaͤferei in ſelbigen. Deshalb ſind faſt alle Schaͤfer und Liebhaber der
Schaafe gegen die Wirthſchaft ohne Brache, und beſonders gegen die allge-
meine Einfuͤhrung derſelben auch auf den Bauerfeldern. Man hat es alſo
auch in den meiſten Gegenden, wo die Schaͤferei ein Hauptzweig der Wirth-
ſchaft iſt, zur Regel und zur Pflicht gemacht, die Brache ſo lange als moͤg-
lich unaufgebrochen liegen zu laſſen, und dadurch den wahren Zweck der Brache
voͤllig vereitelt.

Dieſe Brachweide unterſcheidet ſich in die, welche vor dem erſten Um-
bruch auf dem Dreeſch Staat findet, und in die, welche das auf der Brach-
und Wendefurche auskeimende Unkraut und die Grasſpitzen geben. Erſtere
iſt bei weitem die ergiebigſte, letztere zwar den Schaafen angenehm und ge-
deihlich, aber wenig nachhaltend, da die feinen Sproſſen bald ausgebiſſen
ſind. Einige glauben, ſie koͤnne leicht nachtheilig werden, beſonders bei feuch-
ter Witterung; doch ſcheint ſie mir gefahrlos zu ſeyn, wenn man nur nicht
eine ſtark ausgegruͤnte Brache von hungrigen Schaafen zu ploͤtzlich auf ein-

Vierter Theil. F f f
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[409/0433] Die Schaafzucht. Waſſer in dem Standpunkte erhalte, wo es nicht uͤber ſeine Graͤnzen tritt und die umliegende Gegend verſchlammt. b) Die Holzweide iſt nach der Beſchaffenheit des Bodens, des Holzes und des dichteren oder raumeren Standes deſſelben ſehr verſchieden. Ein ſehr raͤumiges Laubholz kommt den Angerweiden faſt gleich. Je mehr es aber be- ſtanden iſt, deſto ſchlechter wird die Weide. Wird das Gras durch den dich- ten Stand der Baͤume auch nicht unterdruͤckt, aber doch ganz beſchattet, ſo iſt es auf fruchtbarem Boden oft anſehnlich, aber von geringer Nahrhaftig- keit und gedeihet dem Viehe wenig. Auch kommen im Holze die moraſtigen Stellen am haͤufigſten vor. Unter Nadelholz, die Lerchen ausgenommen, waͤchſt weniges und nur hartes duͤrres Gras, ſo daß die Schaafe wenig Nahrung davon haben. Indeſſen haͤlt man eine ſolche Abtrift fuͤr geſund, und glaubt, daß ſie dem Nachtheil der Weide an feuchten Stellen entgegen wirke. Im- mer iſt die geſchloſſene Holzweide der Wolle hoͤchſt nachtheilig, und wird da- her von den Beſitzern feinwolliger Schaͤfereien ſchon aus dieſer Urſach vermieden. c) Die Brachweide giebt in gewoͤhnlichen Wirthſchaften den Schaa- fen die Hauptnahrung, und mit Abſchaffung der Brache ſinkt die Benutzung der Schaͤferei in ſelbigen. Deshalb ſind faſt alle Schaͤfer und Liebhaber der Schaafe gegen die Wirthſchaft ohne Brache, und beſonders gegen die allge- meine Einfuͤhrung derſelben auch auf den Bauerfeldern. Man hat es alſo auch in den meiſten Gegenden, wo die Schaͤferei ein Hauptzweig der Wirth- ſchaft iſt, zur Regel und zur Pflicht gemacht, die Brache ſo lange als moͤg- lich unaufgebrochen liegen zu laſſen, und dadurch den wahren Zweck der Brache voͤllig vereitelt. Dieſe Brachweide unterſcheidet ſich in die, welche vor dem erſten Um- bruch auf dem Dreeſch Staat findet, und in die, welche das auf der Brach- und Wendefurche auskeimende Unkraut und die Grasſpitzen geben. Erſtere iſt bei weitem die ergiebigſte, letztere zwar den Schaafen angenehm und ge- deihlich, aber wenig nachhaltend, da die feinen Sproſſen bald ausgebiſſen ſind. Einige glauben, ſie koͤnne leicht nachtheilig werden, beſonders bei feuch- ter Witterung; doch ſcheint ſie mir gefahrlos zu ſeyn, wenn man nur nicht eine ſtark ausgegruͤnte Brache von hungrigen Schaafen zu ploͤtzlich auf ein- Vierter Theil. F f f

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/433>, abgerufen am 23.11.2024.