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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Saat.

Bei den meisten mechanisch-praktischen, sonst guten und aufmerksamen
Landwirthen, findet man mehr Neigung ihre Einsaat zu verstärken als zu
vermindern. Dies rührt zum Theil vom Vorurtheile und von der Maxime,
lieber zu viel als zu wenig zu thun, dann aber auch wohl daher, daß eine dichte
Saat nach dem Aufgehen und in der ersten Vegetationsperiode immer ein mehr
versprechendes Ansehen hat, als eine dünne. Ich habe immer gefunden, daß
man sich lebhaft darüber freuete, unerachtet es augenscheinlich war, daß der
größte Theil der Pflanzen unterdrückt werden müsse, wenn der kleinere Theil
aufkommen soll. Im Kampfe mit einander, ermatten die Pflanzen sämtlich;
weswegen immer eine Periode eintritt, wo solche dichtstehende Felder ein gel-
bes Ansehen bekommen; und ist dann die Witterung ungünstig, so gehen sie
wohl sämtlich aus, und es entstehen Fehlstellen gerade da, wo vorher die
Pflanzen am dichtesten gehäuft waren. Ich leugne nicht, daß die ausgehenden
Pflanzen den übrigbleibenden nachmals als Dünger dienen können; aber dies
ist immer ein theurer Dünger, und nicht selten geben sie, besonders bei den
Wintersaaten auch Veranlassung zu einer allgemeinen Fäulung.

Als einen Hauptgrund einer stärkeren Aussaat, giebt man hauptsächlich
die Unterdrückung des Unkrauts an. Ich habe aber durchaus nicht gefunden,
daß man diesen Zweck dadurch erreicht habe. Eine sich stark bestaudende
den Acker dicht belegende und nachmals schnell empor wachsende Frucht, un-
terdrückt das Unkraut, aber nicht eine dicht ausgestreuete Saat. Ist Boden und
Witterung dem im Acker oder in der S[ - 3 Zeichen fehlen] befindlichen Unkraute günstiger
als der ausgesäeten Frucht, so wird jenes so gut hervortreiben wie diese,
und seinen Platz besser behaupten. Die Frucht wird gerade ihres zu dichten
Standes wegen nicht schnell empor kommen. Ich habe hier das Oderbruch
vor Augen, wo man in der Regel das doppelte der gewöhnlichen Aussaat,
vom Hafer oft über 3 Scheffel pro Morgen auswirft; aber das Unkraut ist
so arg wie irgendwo, es streitet immer erst mit dem Getreide, und die das
letztere mehr oder minder begünstigende Witterung entscheidet, was die Oberhand
gewinnen soll, wenn jenes nicht, wie von den kleineren Wirthen gewöhnlich ge-
schiehet, ausgezogen wird. Ich beharre bei meiner Weise um die Hälfte
schwächer wie meine Nachbarn zu säen, leide aber vom Unkraute wenigstens

C 2
Die Saat.

Bei den meiſten mechaniſch-praktiſchen, ſonſt guten und aufmerkſamen
Landwirthen, findet man mehr Neigung ihre Einſaat zu verſtaͤrken als zu
vermindern. Dies ruͤhrt zum Theil vom Vorurtheile und von der Maxime,
lieber zu viel als zu wenig zu thun, dann aber auch wohl daher, daß eine dichte
Saat nach dem Aufgehen und in der erſten Vegetationsperiode immer ein mehr
verſprechendes Anſehen hat, als eine duͤnne. Ich habe immer gefunden, daß
man ſich lebhaft daruͤber freuete, unerachtet es augenſcheinlich war, daß der
groͤßte Theil der Pflanzen unterdruͤckt werden muͤſſe, wenn der kleinere Theil
aufkommen ſoll. Im Kampfe mit einander, ermatten die Pflanzen ſaͤmtlich;
weswegen immer eine Periode eintritt, wo ſolche dichtſtehende Felder ein gel-
bes Anſehen bekommen; und iſt dann die Witterung unguͤnſtig, ſo gehen ſie
wohl ſaͤmtlich aus, und es entſtehen Fehlſtellen gerade da, wo vorher die
Pflanzen am dichteſten gehaͤuft waren. Ich leugne nicht, daß die ausgehenden
Pflanzen den uͤbrigbleibenden nachmals als Duͤnger dienen koͤnnen; aber dies
iſt immer ein theurer Duͤnger, und nicht ſelten geben ſie, beſonders bei den
Winterſaaten auch Veranlaſſung zu einer allgemeinen Faͤulung.

Als einen Hauptgrund einer ſtaͤrkeren Ausſaat, giebt man hauptſaͤchlich
die Unterdruͤckung des Unkrauts an. Ich habe aber durchaus nicht gefunden,
daß man dieſen Zweck dadurch erreicht habe. Eine ſich ſtark beſtaudende
den Acker dicht belegende und nachmals ſchnell empor wachſende Frucht, un-
terdruͤckt das Unkraut, aber nicht eine dicht ausgeſtreuete Saat. Iſt Boden und
Witterung dem im Acker oder in der S[ – 3 Zeichen fehlen] befindlichen Unkraute guͤnſtiger
als der ausgeſaͤeten Frucht, ſo wird jenes ſo gut hervortreiben wie dieſe,
und ſeinen Platz beſſer behaupten. Die Frucht wird gerade ihres zu dichten
Standes wegen nicht ſchnell empor kommen. Ich habe hier das Oderbruch
vor Augen, wo man in der Regel das doppelte der gewoͤhnlichen Ausſaat,
vom Hafer oft uͤber 3 Scheffel pro Morgen auswirft; aber das Unkraut iſt
ſo arg wie irgendwo, es ſtreitet immer erſt mit dem Getreide, und die das
letztere mehr oder minder beguͤnſtigende Witterung entſcheidet, was die Oberhand
gewinnen ſoll, wenn jenes nicht, wie von den kleineren Wirthen gewoͤhnlich ge-
ſchiehet, ausgezogen wird. Ich beharre bei meiner Weiſe um die Haͤlfte
ſchwaͤcher wie meine Nachbarn zu ſaͤen, leide aber vom Unkraute wenigſtens

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[19/0043] Die Saat. Bei den meiſten mechaniſch-praktiſchen, ſonſt guten und aufmerkſamen Landwirthen, findet man mehr Neigung ihre Einſaat zu verſtaͤrken als zu vermindern. Dies ruͤhrt zum Theil vom Vorurtheile und von der Maxime, lieber zu viel als zu wenig zu thun, dann aber auch wohl daher, daß eine dichte Saat nach dem Aufgehen und in der erſten Vegetationsperiode immer ein mehr verſprechendes Anſehen hat, als eine duͤnne. Ich habe immer gefunden, daß man ſich lebhaft daruͤber freuete, unerachtet es augenſcheinlich war, daß der groͤßte Theil der Pflanzen unterdruͤckt werden muͤſſe, wenn der kleinere Theil aufkommen ſoll. Im Kampfe mit einander, ermatten die Pflanzen ſaͤmtlich; weswegen immer eine Periode eintritt, wo ſolche dichtſtehende Felder ein gel- bes Anſehen bekommen; und iſt dann die Witterung unguͤnſtig, ſo gehen ſie wohl ſaͤmtlich aus, und es entſtehen Fehlſtellen gerade da, wo vorher die Pflanzen am dichteſten gehaͤuft waren. Ich leugne nicht, daß die ausgehenden Pflanzen den uͤbrigbleibenden nachmals als Duͤnger dienen koͤnnen; aber dies iſt immer ein theurer Duͤnger, und nicht ſelten geben ſie, beſonders bei den Winterſaaten auch Veranlaſſung zu einer allgemeinen Faͤulung. Als einen Hauptgrund einer ſtaͤrkeren Ausſaat, giebt man hauptſaͤchlich die Unterdruͤckung des Unkrauts an. Ich habe aber durchaus nicht gefunden, daß man dieſen Zweck dadurch erreicht habe. Eine ſich ſtark beſtaudende den Acker dicht belegende und nachmals ſchnell empor wachſende Frucht, un- terdruͤckt das Unkraut, aber nicht eine dicht ausgeſtreuete Saat. Iſt Boden und Witterung dem im Acker oder in der S___ befindlichen Unkraute guͤnſtiger als der ausgeſaͤeten Frucht, ſo wird jenes ſo gut hervortreiben wie dieſe, und ſeinen Platz beſſer behaupten. Die Frucht wird gerade ihres zu dichten Standes wegen nicht ſchnell empor kommen. Ich habe hier das Oderbruch vor Augen, wo man in der Regel das doppelte der gewoͤhnlichen Ausſaat, vom Hafer oft uͤber 3 Scheffel pro Morgen auswirft; aber das Unkraut iſt ſo arg wie irgendwo, es ſtreitet immer erſt mit dem Getreide, und die das letztere mehr oder minder beguͤnſtigende Witterung entſcheidet, was die Oberhand gewinnen ſoll, wenn jenes nicht, wie von den kleineren Wirthen gewoͤhnlich ge- ſchiehet, ausgezogen wird. Ich beharre bei meiner Weiſe um die Haͤlfte ſchwaͤcher wie meine Nachbarn zu ſaͤen, leide aber vom Unkraute wenigſtens C 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/43>, abgerufen am 03.12.2024.