Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schaafzucht.

Das Schaaf hat nämlich außer den Backenzähnen acht Schneidezähne im
untern Kiefer, im obern keine. Diese bringt es in der Regel mit zur Welt;
sie sind spitziger wie diejenigen, die an ihre Stelle treten.

Wenn es 1 bis 11/2 Jahr alt ist, so wechselt es mit den beiden mittleren
Zähnen, und man erkennt die neuen Zähne, welche Schaufelzähne heißen, an
ihrer größern Breite. Sie heißen alsdann Zweizähnige, Zweischaufler und
Jährlinge im eigentlichen Verstande. Doch giebt man ihnen den letzten Na-
men auch sobald sie eingewintert sind, und bevor sie gewechselt haben.

In dem Alter von 2 bis 21/2 Jahr wechseln die beiden nebenstehenden.
Sie heißen alsdann Vierzähnige oder Vierschaufler.

Wenn sie 3 bis 31/2 Jahr alt sind, fällt das dritte Paar der Spitzzähne
aus, und es tritt an dessen Stelle wieder ein Paar Schaufelzähne, so daß
von jenen noch an jeder Seite einer stehen bleibt. Sie heißen dann Sechs-
zähner, Sechsschaufler.

In dem folgenden Jahre werden dann auch die beiden letztern gewechselt,
und nun heißt das Schaaf vollzähnig, und hat damit seine volle Ausbildung
erreicht.

Im sechsten Jahre fangen die Zähne an, sich abzureiben, und das mitt-
lere Paar wird zuerst stumpf und kürzer. Die Zähne sehen zwar länger aus, weil
sich das Zahnfleisch zurückzieht; aber bei genauerer Untersuchung entdeckt man
doch, daß sie oben abgerieben sind. Sobald diese Zähne ganz stumpf und
morsch werden, abbröckeln, so ist das nutzbare Alter der Thiere vorüber, und
sie müssen ausgemerzt werden. Will man sie, in der Hoffnung noch Lämmer
davon zu erhalten, länger conserviren, so muß man sie besonders mit weichem
Futter verpflegen, womit man sie zuweilen bis zu einem hohen Alter frucht-
bar erhält. Die Zähne stehen dann auch nicht mehr dicht geschlossen, sondern
haben Lücken; die Oberlippe wird breiter, und hängt über die Unterlippe herüber.

Man muß sich jene Alterbezeichnung nach den Zähnen wohl merken, wenn
man mit einem Schäfer spricht, und z. B. vierzähnig nicht mit vierjährig
verwechseln.

Sonst wird das junge Schaaf bis zur ersten Einwinterung Lamm ge-
nannt, das männliche Bocklamm, Störlamm, Widderlamm, das ver-

Die Schaafzucht.

Das Schaaf hat naͤmlich außer den Backenzaͤhnen acht Schneidezaͤhne im
untern Kiefer, im obern keine. Dieſe bringt es in der Regel mit zur Welt;
ſie ſind ſpitziger wie diejenigen, die an ihre Stelle treten.

Wenn es 1 bis 1½ Jahr alt iſt, ſo wechſelt es mit den beiden mittleren
Zaͤhnen, und man erkennt die neuen Zaͤhne, welche Schaufelzaͤhne heißen, an
ihrer groͤßern Breite. Sie heißen alsdann Zweizaͤhnige, Zweiſchaufler und
Jaͤhrlinge im eigentlichen Verſtande. Doch giebt man ihnen den letzten Na-
men auch ſobald ſie eingewintert ſind, und bevor ſie gewechſelt haben.

In dem Alter von 2 bis 2½ Jahr wechſeln die beiden nebenſtehenden.
Sie heißen alsdann Vierzaͤhnige oder Vierſchaufler.

Wenn ſie 3 bis 3½ Jahr alt ſind, faͤllt das dritte Paar der Spitzzaͤhne
aus, und es tritt an deſſen Stelle wieder ein Paar Schaufelzaͤhne, ſo daß
von jenen noch an jeder Seite einer ſtehen bleibt. Sie heißen dann Sechs-
zaͤhner, Sechsſchaufler.

In dem folgenden Jahre werden dann auch die beiden letztern gewechſelt,
und nun heißt das Schaaf vollzaͤhnig, und hat damit ſeine volle Ausbildung
erreicht.

Im ſechſten Jahre fangen die Zaͤhne an, ſich abzureiben, und das mitt-
lere Paar wird zuerſt ſtumpf und kuͤrzer. Die Zaͤhne ſehen zwar laͤnger aus, weil
ſich das Zahnfleiſch zuruͤckzieht; aber bei genauerer Unterſuchung entdeckt man
doch, daß ſie oben abgerieben ſind. Sobald dieſe Zaͤhne ganz ſtumpf und
morſch werden, abbroͤckeln, ſo iſt das nutzbare Alter der Thiere voruͤber, und
ſie muͤſſen ausgemerzt werden. Will man ſie, in der Hoffnung noch Laͤmmer
davon zu erhalten, laͤnger conſerviren, ſo muß man ſie beſonders mit weichem
Futter verpflegen, womit man ſie zuweilen bis zu einem hohen Alter frucht-
bar erhaͤlt. Die Zaͤhne ſtehen dann auch nicht mehr dicht geſchloſſen, ſondern
haben Luͤcken; die Oberlippe wird breiter, und haͤngt uͤber die Unterlippe heruͤber.

Man muß ſich jene Alterbezeichnung nach den Zaͤhnen wohl merken, wenn
man mit einem Schaͤfer ſpricht, und z. B. vierzaͤhnig nicht mit vierjaͤhrig
verwechſeln.

Sonſt wird das junge Schaaf bis zur erſten Einwinterung Lamm ge-
nannt, das maͤnnliche Bocklamm, Stoͤrlamm, Widderlamm, das ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0429" n="405"/>
            <fw place="top" type="header">Die Schaafzucht.</fw><lb/>
            <p>Das Schaaf hat na&#x0364;mlich außer den Backenza&#x0364;hnen acht Schneideza&#x0364;hne im<lb/>
untern Kiefer, im obern keine. Die&#x017F;e bringt es in der Regel mit zur Welt;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;pitziger wie diejenigen, die an ihre Stelle treten.</p><lb/>
            <p>Wenn es 1 bis 1½ Jahr alt i&#x017F;t, &#x017F;o wech&#x017F;elt es mit den beiden mittleren<lb/>
Za&#x0364;hnen, und man erkennt die neuen Za&#x0364;hne, welche Schaufelza&#x0364;hne heißen, an<lb/>
ihrer gro&#x0364;ßern Breite. Sie heißen alsdann Zweiza&#x0364;hnige, Zwei&#x017F;chaufler und<lb/>
Ja&#x0364;hrlinge im eigentlichen Ver&#x017F;tande. Doch giebt man ihnen den letzten Na-<lb/>
men auch &#x017F;obald &#x017F;ie eingewintert &#x017F;ind, und bevor &#x017F;ie gewech&#x017F;elt haben.</p><lb/>
            <p>In dem Alter von 2 bis 2½ Jahr wech&#x017F;eln die beiden neben&#x017F;tehenden.<lb/>
Sie heißen alsdann Vierza&#x0364;hnige oder Vier&#x017F;chaufler.</p><lb/>
            <p>Wenn &#x017F;ie 3 bis 3½ Jahr alt &#x017F;ind, fa&#x0364;llt das dritte Paar der Spitzza&#x0364;hne<lb/>
aus, und es tritt an de&#x017F;&#x017F;en Stelle wieder ein Paar Schaufelza&#x0364;hne, &#x017F;o daß<lb/>
von jenen noch an jeder Seite einer &#x017F;tehen bleibt. Sie heißen dann Sechs-<lb/>
za&#x0364;hner, Sechs&#x017F;chaufler.</p><lb/>
            <p>In dem folgenden Jahre werden dann auch die beiden letztern gewech&#x017F;elt,<lb/>
und nun heißt das Schaaf vollza&#x0364;hnig, und hat damit &#x017F;eine volle Ausbildung<lb/>
erreicht.</p><lb/>
            <p>Im &#x017F;ech&#x017F;ten Jahre fangen die Za&#x0364;hne an, &#x017F;ich abzureiben, und das mitt-<lb/>
lere Paar wird zuer&#x017F;t &#x017F;tumpf und ku&#x0364;rzer. Die Za&#x0364;hne &#x017F;ehen zwar la&#x0364;nger aus, weil<lb/>
&#x017F;ich das Zahnflei&#x017F;ch zuru&#x0364;ckzieht; aber bei genauerer Unter&#x017F;uchung entdeckt man<lb/>
doch, daß &#x017F;ie oben abgerieben &#x017F;ind. Sobald die&#x017F;e Za&#x0364;hne ganz &#x017F;tumpf und<lb/>
mor&#x017F;ch werden, abbro&#x0364;ckeln, &#x017F;o i&#x017F;t das nutzbare Alter der Thiere voru&#x0364;ber, und<lb/>
&#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ausgemerzt werden. Will man &#x017F;ie, in der Hoffnung noch La&#x0364;mmer<lb/>
davon zu erhalten, la&#x0364;nger con&#x017F;erviren, &#x017F;o muß man &#x017F;ie be&#x017F;onders mit weichem<lb/>
Futter verpflegen, womit man &#x017F;ie zuweilen bis zu einem hohen Alter frucht-<lb/>
bar erha&#x0364;lt. Die Za&#x0364;hne &#x017F;tehen dann auch nicht mehr dicht ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern<lb/>
haben Lu&#x0364;cken; die Oberlippe wird breiter, und ha&#x0364;ngt u&#x0364;ber die Unterlippe heru&#x0364;ber.</p><lb/>
            <p>Man muß &#x017F;ich jene Alterbezeichnung nach den Za&#x0364;hnen wohl merken, wenn<lb/>
man mit einem Scha&#x0364;fer &#x017F;pricht, und z. B. vierza&#x0364;hnig nicht mit vierja&#x0364;hrig<lb/>
verwech&#x017F;eln.</p><lb/>
            <p>Son&#x017F;t wird das junge Schaaf bis zur er&#x017F;ten Einwinterung <hi rendition="#g">Lamm</hi> ge-<lb/>
nannt, das ma&#x0364;nnliche <hi rendition="#g">Bocklamm, Sto&#x0364;rlamm, Widderlamm</hi>, das ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0429] Die Schaafzucht. Das Schaaf hat naͤmlich außer den Backenzaͤhnen acht Schneidezaͤhne im untern Kiefer, im obern keine. Dieſe bringt es in der Regel mit zur Welt; ſie ſind ſpitziger wie diejenigen, die an ihre Stelle treten. Wenn es 1 bis 1½ Jahr alt iſt, ſo wechſelt es mit den beiden mittleren Zaͤhnen, und man erkennt die neuen Zaͤhne, welche Schaufelzaͤhne heißen, an ihrer groͤßern Breite. Sie heißen alsdann Zweizaͤhnige, Zweiſchaufler und Jaͤhrlinge im eigentlichen Verſtande. Doch giebt man ihnen den letzten Na- men auch ſobald ſie eingewintert ſind, und bevor ſie gewechſelt haben. In dem Alter von 2 bis 2½ Jahr wechſeln die beiden nebenſtehenden. Sie heißen alsdann Vierzaͤhnige oder Vierſchaufler. Wenn ſie 3 bis 3½ Jahr alt ſind, faͤllt das dritte Paar der Spitzzaͤhne aus, und es tritt an deſſen Stelle wieder ein Paar Schaufelzaͤhne, ſo daß von jenen noch an jeder Seite einer ſtehen bleibt. Sie heißen dann Sechs- zaͤhner, Sechsſchaufler. In dem folgenden Jahre werden dann auch die beiden letztern gewechſelt, und nun heißt das Schaaf vollzaͤhnig, und hat damit ſeine volle Ausbildung erreicht. Im ſechſten Jahre fangen die Zaͤhne an, ſich abzureiben, und das mitt- lere Paar wird zuerſt ſtumpf und kuͤrzer. Die Zaͤhne ſehen zwar laͤnger aus, weil ſich das Zahnfleiſch zuruͤckzieht; aber bei genauerer Unterſuchung entdeckt man doch, daß ſie oben abgerieben ſind. Sobald dieſe Zaͤhne ganz ſtumpf und morſch werden, abbroͤckeln, ſo iſt das nutzbare Alter der Thiere voruͤber, und ſie muͤſſen ausgemerzt werden. Will man ſie, in der Hoffnung noch Laͤmmer davon zu erhalten, laͤnger conſerviren, ſo muß man ſie beſonders mit weichem Futter verpflegen, womit man ſie zuweilen bis zu einem hohen Alter frucht- bar erhaͤlt. Die Zaͤhne ſtehen dann auch nicht mehr dicht geſchloſſen, ſondern haben Luͤcken; die Oberlippe wird breiter, und haͤngt uͤber die Unterlippe heruͤber. Man muß ſich jene Alterbezeichnung nach den Zaͤhnen wohl merken, wenn man mit einem Schaͤfer ſpricht, und z. B. vierzaͤhnig nicht mit vierjaͤhrig verwechſeln. Sonſt wird das junge Schaaf bis zur erſten Einwinterung Lamm ge- nannt, das maͤnnliche Bocklamm, Stoͤrlamm, Widderlamm, das ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/429
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/429>, abgerufen am 19.05.2024.