Wenn gleich der Pflug eins der wichtigsten Instrumente für die Fortdauer,Warum man auf dessen Verbesserung so wenig ge- dacht hat. Vermehrung und Vervollkommnung des Menschengeschlechts auf dieser Erde ist, so ist doch bis zu den neuesten Zeiten vielleicht auf keines weniger Aufmerksamkeit und Nachdenken verwendet worden, wie auf dieses. Oder es sind doch die dabei angebrachten Veränderungen und Zusätze so wenig wahre Verbesserungen gewesen, daß in der That die meisten landüblichen Pflüge, gegen die der alten und selbst roheren Völker, eher zurückstehn, als Vorzüge haben. Unsre gewöhnlichen Kar- ren übertreffen in ihrer Zweckmäßigkeit die Triumphwagen römischer Imperatoren, so weit wir diese aus alten Abbildungen kennen. Der Pflug aber hat sich gegen die römischen Arten derselben auf keine Weise vervollkommt. Gerade aus dieser nicht bewirkten Verbesserung haben einige beweisen wollen, daß der Pflug keiner Verbesserung fähig sey, weil man, wie sie sagen, bei dem häufigen und unent- behrlichen Gebrauch dieses Werkzeuges nothwendig darauf verfallen seyn müsse. Wenn man aber bedenkt, in welchen Händen der Pflug bis vor kurzem sich allein befand, und wie selten Nachdenken, Beobachtungsgeist und Kenntniß der Mecha- nik sich mit der Führung des Pfluges vereinigte: so ist es sehr natürlich, daß der Pflug mit der Rohheit seiner Führer übereinstimmend bleiben mußte. Seitdem man aber dieser Angelegenheit mehrere Aufmerksamkeit und Scharfsinn gewidmet hat, läßt es sich überzeugend darthun, daß von der Struktur des Pfluges nicht nur eine beträchtliche Ersparung und Beschleunigung, oder aber Verschwendung und Verspätung der Arbeit und der arbeitenden Kräfte, sondern auch die Frucht- barkeit des Bodens und der höhere Ertrag der Ernten abhange. Und wenn gleich einige neue Schriftsteller dieses zu bezweifeln scheinen, oder wenigstens nicht glau- ben, daß die auf Einführung besserer Pflüge zu verwendende Aufmerksamkeit und Kosten sich zureichend bezahlen, indem sie ohne diese befriedigende Ernten erhal- ten zu haben sich rühmen, so beweiset dieses nur, daß sie von der besseren und leichteren Arbeit, die mit einem guten Pfluge gemacht werden kann, keinen klaren Begriff haben. Allerdings hängt die Verbesserung des Ackerbaues nicht allein vom Pfluge und andern Instrumenten ab; aber die möglichste Voll- kommenheit kann er nicht erreichen, ohne auch auf diesen Theil die gehörige Auf- merksamkeit zu verwenden. Deshalb ist eine genaue Kenntniß und ein klarer Be-
Die Ackerwerkzeuge.
§. 109.
Wenn gleich der Pflug eins der wichtigſten Inſtrumente fuͤr die Fortdauer,Warum man auf deſſen Verbeſſerung ſo wenig ge- dacht hat. Vermehrung und Vervollkommnung des Menſchengeſchlechts auf dieſer Erde iſt, ſo iſt doch bis zu den neueſten Zeiten vielleicht auf keines weniger Aufmerkſamkeit und Nachdenken verwendet worden, wie auf dieſes. Oder es ſind doch die dabei angebrachten Veraͤnderungen und Zuſaͤtze ſo wenig wahre Verbeſſerungen geweſen, daß in der That die meiſten landuͤblichen Pfluͤge, gegen die der alten und ſelbſt roheren Voͤlker, eher zuruͤckſtehn, als Vorzuͤge haben. Unſre gewoͤhnlichen Kar- ren uͤbertreffen in ihrer Zweckmaͤßigkeit die Triumphwagen roͤmiſcher Imperatoren, ſo weit wir dieſe aus alten Abbildungen kennen. Der Pflug aber hat ſich gegen die roͤmiſchen Arten derſelben auf keine Weiſe vervollkommt. Gerade aus dieſer nicht bewirkten Verbeſſerung haben einige beweiſen wollen, daß der Pflug keiner Verbeſſerung faͤhig ſey, weil man, wie ſie ſagen, bei dem haͤufigen und unent- behrlichen Gebrauch dieſes Werkzeuges nothwendig darauf verfallen ſeyn muͤſſe. Wenn man aber bedenkt, in welchen Haͤnden der Pflug bis vor kurzem ſich allein befand, und wie ſelten Nachdenken, Beobachtungsgeiſt und Kenntniß der Mecha- nik ſich mit der Fuͤhrung des Pfluges vereinigte: ſo iſt es ſehr natuͤrlich, daß der Pflug mit der Rohheit ſeiner Fuͤhrer uͤbereinſtimmend bleiben mußte. Seitdem man aber dieſer Angelegenheit mehrere Aufmerkſamkeit und Scharfſinn gewidmet hat, laͤßt es ſich uͤberzeugend darthun, daß von der Struktur des Pfluges nicht nur eine betraͤchtliche Erſparung und Beſchleunigung, oder aber Verſchwendung und Verſpaͤtung der Arbeit und der arbeitenden Kraͤfte, ſondern auch die Frucht- barkeit des Bodens und der hoͤhere Ertrag der Ernten abhange. Und wenn gleich einige neue Schriftſteller dieſes zu bezweifeln ſcheinen, oder wenigſtens nicht glau- ben, daß die auf Einfuͤhrung beſſerer Pfluͤge zu verwendende Aufmerkſamkeit und Koſten ſich zureichend bezahlen, indem ſie ohne dieſe befriedigende Ernten erhal- ten zu haben ſich ruͤhmen, ſo beweiſet dieſes nur, daß ſie von der beſſeren und leichteren Arbeit, die mit einem guten Pfluge gemacht werden kann, keinen klaren Begriff haben. Allerdings haͤngt die Verbeſſerung des Ackerbaues nicht allein vom Pfluge und andern Inſtrumenten ab; aber die moͤglichſte Voll- kommenheit kann er nicht erreichen, ohne auch auf dieſen Theil die gehoͤrige Auf- merkſamkeit zu verwenden. Deshalb iſt eine genaue Kenntniß und ein klarer Be-
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Die Ackerwerkzeuge.
§. 109.
Wenn gleich der Pflug eins der wichtigſten Inſtrumente fuͤr die Fortdauer,
Vermehrung und Vervollkommnung des Menſchengeſchlechts auf dieſer Erde iſt,
ſo iſt doch bis zu den neueſten Zeiten vielleicht auf keines weniger Aufmerkſamkeit
und Nachdenken verwendet worden, wie auf dieſes. Oder es ſind doch die dabei
angebrachten Veraͤnderungen und Zuſaͤtze ſo wenig wahre Verbeſſerungen geweſen,
daß in der That die meiſten landuͤblichen Pfluͤge, gegen die der alten und ſelbſt
roheren Voͤlker, eher zuruͤckſtehn, als Vorzuͤge haben. Unſre gewoͤhnlichen Kar-
ren uͤbertreffen in ihrer Zweckmaͤßigkeit die Triumphwagen roͤmiſcher Imperatoren,
ſo weit wir dieſe aus alten Abbildungen kennen. Der Pflug aber hat ſich gegen
die roͤmiſchen Arten derſelben auf keine Weiſe vervollkommt. Gerade aus dieſer
nicht bewirkten Verbeſſerung haben einige beweiſen wollen, daß der Pflug keiner
Verbeſſerung faͤhig ſey, weil man, wie ſie ſagen, bei dem haͤufigen und unent-
behrlichen Gebrauch dieſes Werkzeuges nothwendig darauf verfallen ſeyn muͤſſe.
Wenn man aber bedenkt, in welchen Haͤnden der Pflug bis vor kurzem ſich allein
befand, und wie ſelten Nachdenken, Beobachtungsgeiſt und Kenntniß der Mecha-
nik ſich mit der Fuͤhrung des Pfluges vereinigte: ſo iſt es ſehr natuͤrlich, daß der
Pflug mit der Rohheit ſeiner Fuͤhrer uͤbereinſtimmend bleiben mußte. Seitdem
man aber dieſer Angelegenheit mehrere Aufmerkſamkeit und Scharfſinn gewidmet
hat, laͤßt es ſich uͤberzeugend darthun, daß von der Struktur des Pfluges nicht
nur eine betraͤchtliche Erſparung und Beſchleunigung, oder aber Verſchwendung
und Verſpaͤtung der Arbeit und der arbeitenden Kraͤfte, ſondern auch die Frucht-
barkeit des Bodens und der hoͤhere Ertrag der Ernten abhange. Und wenn gleich
einige neue Schriftſteller dieſes zu bezweifeln ſcheinen, oder wenigſtens nicht glau-
ben, daß die auf Einfuͤhrung beſſerer Pfluͤge zu verwendende Aufmerkſamkeit und
Koſten ſich zureichend bezahlen, indem ſie ohne dieſe befriedigende Ernten erhal-
ten zu haben ſich ruͤhmen, ſo beweiſet dieſes nur, daß ſie von der beſſeren und
leichteren Arbeit, die mit einem guten Pfluge gemacht werden kann, keinen
klaren Begriff haben. Allerdings haͤngt die Verbeſſerung des Ackerbaues nicht
allein vom Pfluge und andern Inſtrumenten ab; aber die moͤglichſte Voll-
kommenheit kann er nicht erreichen, ohne auch auf dieſen Theil die gehoͤrige Auf-
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Warum man
auf deſſen
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ſo wenig ge-
dacht hat.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/35>, abgerufen am 16.02.2025.
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