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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Bewässerung.
danach die Ausdehnung meiner anzulegenden Bewässerung zu bestimmen. Man
muß daher den Wasserzufluß in den verschiedenen Jahreszeiten genau beobachten,
und die Bestimmung hauptsächlich nach demjenigen machen, der auch in der trok-
kensten Jahreszeit fortdauert. Denn man würde sich die Kosten längerer Kanäle
vergeblich machen, wenn es an Wasser fehlte, um die bezweckte ausgedehntere
Bewässerung zu bewirken. Indessen kann es auch oft schon zureichend seyn,
wenn man nur im Frühjahre Wasser genug hat, und im Sommer jede Regenfluth
benutzen kann. Man kann in solchen Fällen zwar bei trockenem Wetter die er-
wünschte überrieselnde Bewässerung nicht immer geben; dennoch aber führt man
durch die Winter- und Regenfluthen viele fruchtbare Theile herbei, und bereichert
allmählig den Boden, und läßt ihn dadurch mit einer nachhaltenden Feuchtigkeit
durchdringen.

Wo das Wasser knapp ist, kann man durch einen möglichst sparsamen und
wiederholten Gebrauch desselben Wassers oft vieles ausrichten, indem man es,
wenn es eine Fläche bewässert hat, sorgfältig wieder auffängt, es einer zweiten,
von dieser einer dritten u. s. f. zuleitet. Dies erfordert vorzüglich Ueberlegung.
Man muß nämlich dem Wasser auf jeder Fläche ein zureichendes Gefälle geben,
um es wieder ablassen und auffangen zu können, es aber ohne die dringendste Ur-
sach nicht stärker fallen lassen, damit man von der Höhe so wenig als möglich ver-
liere, und es über alle Flächen ergießen könne, deren Lage es einigermaaßen ver-
stattet, bevor man es ganz ab- und in der Regel seinem vorigen Bette wieder zu-
fließen läßt.

Man hat versucht, die Quantität des Wasserzulaufs, und die Fläche, welche
sich damit bewässern läßt, mathematisch zu bestimmen. Hypothetisch ist dies
allerdings möglich, aber praktisch wird es selten zutreffen, indem sich weder die
Stärke des Zulaufs, noch die Einsaugung des Bodens genau genug angeben
läßt. Ein gewisser, durch Erfahrung erlangter Blick oder praktisches Gefühl
wird hier sicherer leiten, als Ausmessungen und Berechnungen der Wasserprofile
und der Schnelligkeit. Wo man jene zu erwerben keine Gelegenheit hat wegen
des Mangels ähnlicher Anlagen, da muß man sich entweder selbst nach solchen
Gegenden hinbegeben, wo sich Bewässerungen häufig finden, oder aber sich an
den Rath solcher Leute halten, welche sich eine Uebung in der Schätzung des Was-

A a 2

Die Bewaͤſſerung.
danach die Ausdehnung meiner anzulegenden Bewaͤſſerung zu beſtimmen. Man
muß daher den Waſſerzufluß in den verſchiedenen Jahreszeiten genau beobachten,
und die Beſtimmung hauptſaͤchlich nach demjenigen machen, der auch in der trok-
kenſten Jahreszeit fortdauert. Denn man wuͤrde ſich die Koſten laͤngerer Kanaͤle
vergeblich machen, wenn es an Waſſer fehlte, um die bezweckte ausgedehntere
Bewaͤſſerung zu bewirken. Indeſſen kann es auch oft ſchon zureichend ſeyn,
wenn man nur im Fruͤhjahre Waſſer genug hat, und im Sommer jede Regenfluth
benutzen kann. Man kann in ſolchen Faͤllen zwar bei trockenem Wetter die er-
wuͤnſchte uͤberrieſelnde Bewaͤſſerung nicht immer geben; dennoch aber fuͤhrt man
durch die Winter- und Regenfluthen viele fruchtbare Theile herbei, und bereichert
allmaͤhlig den Boden, und laͤßt ihn dadurch mit einer nachhaltenden Feuchtigkeit
durchdringen.

Wo das Waſſer knapp iſt, kann man durch einen moͤglichſt ſparſamen und
wiederholten Gebrauch deſſelben Waſſers oft vieles ausrichten, indem man es,
wenn es eine Flaͤche bewaͤſſert hat, ſorgfaͤltig wieder auffaͤngt, es einer zweiten,
von dieſer einer dritten u. ſ. f. zuleitet. Dies erfordert vorzuͤglich Ueberlegung.
Man muß naͤmlich dem Waſſer auf jeder Flaͤche ein zureichendes Gefaͤlle geben,
um es wieder ablaſſen und auffangen zu koͤnnen, es aber ohne die dringendſte Ur-
ſach nicht ſtaͤrker fallen laſſen, damit man von der Hoͤhe ſo wenig als moͤglich ver-
liere, und es uͤber alle Flaͤchen ergießen koͤnne, deren Lage es einigermaaßen ver-
ſtattet, bevor man es ganz ab- und in der Regel ſeinem vorigen Bette wieder zu-
fließen laͤßt.

Man hat verſucht, die Quantitaͤt des Waſſerzulaufs, und die Flaͤche, welche
ſich damit bewaͤſſern laͤßt, mathematiſch zu beſtimmen. Hypothetiſch iſt dies
allerdings moͤglich, aber praktiſch wird es ſelten zutreffen, indem ſich weder die
Staͤrke des Zulaufs, noch die Einſaugung des Bodens genau genug angeben
laͤßt. Ein gewiſſer, durch Erfahrung erlangter Blick oder praktiſches Gefuͤhl
wird hier ſicherer leiten, als Ausmeſſungen und Berechnungen der Waſſerprofile
und der Schnelligkeit. Wo man jene zu erwerben keine Gelegenheit hat wegen
des Mangels aͤhnlicher Anlagen, da muß man ſich entweder ſelbſt nach ſolchen
Gegenden hinbegeben, wo ſich Bewaͤſſerungen haͤufig finden, oder aber ſich an
den Rath ſolcher Leute halten, welche ſich eine Uebung in der Schaͤtzung des Waſ-

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[187/0209] Die Bewaͤſſerung. danach die Ausdehnung meiner anzulegenden Bewaͤſſerung zu beſtimmen. Man muß daher den Waſſerzufluß in den verſchiedenen Jahreszeiten genau beobachten, und die Beſtimmung hauptſaͤchlich nach demjenigen machen, der auch in der trok- kenſten Jahreszeit fortdauert. Denn man wuͤrde ſich die Koſten laͤngerer Kanaͤle vergeblich machen, wenn es an Waſſer fehlte, um die bezweckte ausgedehntere Bewaͤſſerung zu bewirken. Indeſſen kann es auch oft ſchon zureichend ſeyn, wenn man nur im Fruͤhjahre Waſſer genug hat, und im Sommer jede Regenfluth benutzen kann. Man kann in ſolchen Faͤllen zwar bei trockenem Wetter die er- wuͤnſchte uͤberrieſelnde Bewaͤſſerung nicht immer geben; dennoch aber fuͤhrt man durch die Winter- und Regenfluthen viele fruchtbare Theile herbei, und bereichert allmaͤhlig den Boden, und laͤßt ihn dadurch mit einer nachhaltenden Feuchtigkeit durchdringen. Wo das Waſſer knapp iſt, kann man durch einen moͤglichſt ſparſamen und wiederholten Gebrauch deſſelben Waſſers oft vieles ausrichten, indem man es, wenn es eine Flaͤche bewaͤſſert hat, ſorgfaͤltig wieder auffaͤngt, es einer zweiten, von dieſer einer dritten u. ſ. f. zuleitet. Dies erfordert vorzuͤglich Ueberlegung. Man muß naͤmlich dem Waſſer auf jeder Flaͤche ein zureichendes Gefaͤlle geben, um es wieder ablaſſen und auffangen zu koͤnnen, es aber ohne die dringendſte Ur- ſach nicht ſtaͤrker fallen laſſen, damit man von der Hoͤhe ſo wenig als moͤglich ver- liere, und es uͤber alle Flaͤchen ergießen koͤnne, deren Lage es einigermaaßen ver- ſtattet, bevor man es ganz ab- und in der Regel ſeinem vorigen Bette wieder zu- fließen laͤßt. Man hat verſucht, die Quantitaͤt des Waſſerzulaufs, und die Flaͤche, welche ſich damit bewaͤſſern laͤßt, mathematiſch zu beſtimmen. Hypothetiſch iſt dies allerdings moͤglich, aber praktiſch wird es ſelten zutreffen, indem ſich weder die Staͤrke des Zulaufs, noch die Einſaugung des Bodens genau genug angeben laͤßt. Ein gewiſſer, durch Erfahrung erlangter Blick oder praktiſches Gefuͤhl wird hier ſicherer leiten, als Ausmeſſungen und Berechnungen der Waſſerprofile und der Schnelligkeit. Wo man jene zu erwerben keine Gelegenheit hat wegen des Mangels aͤhnlicher Anlagen, da muß man ſich entweder ſelbſt nach ſolchen Gegenden hinbegeben, wo ſich Bewaͤſſerungen haͤufig finden, oder aber ſich an den Rath ſolcher Leute halten, welche ſich eine Uebung in der Schaͤtzung des Waſ- A a 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/209>, abgerufen am 05.05.2024.