Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.Die Bewässerung. von beträchtlichem Umfange doch nicht selten da, wo man sie bisher ganz ver-kannte. Haben Grundbesitzer bisher auf Bewässerungen gedacht, so haben sie mehrentheils ihr Augenmerk nur auf die niedrigen, einem Flusse zunächst liegenden Gründe gerichtet, ungeachtet gerade hier der Vortheil der Bewässerungen am ge- ringsten ist, und ein weit größerer Nutzen davon höheren Gegenden zufließen könnte, die von der Wasserhöhe an dem Punkte, wo das Wasser zuerst in die Be- sitzung eintritt, beherrscht werden. Es ist eine mathematisch-physische, aber den- noch oft verkannte Wahrheit, daß das Wasser in der Höhe, worin es an einem Punkte steht, sich durchaus erhalten und in derselben seitwärts und wagerecht aus- breiten müsse, wenn man seinen Abfluß nach einer niederern Gegend hemmt, und daß folglich dieses Wasser auf jeden Punkt gebracht werden könne, welcher in sei- ner Horizontalfläche nicht höher wie jener liegt, wenn nur die Senkung der Was- serfläche bis dahin verhindert werden kann. §. 275. Gewöhnlich hat sich ein Wasser, welches von einem höheren oder niederenAllgemeine Die Bewaͤſſerung. von betraͤchtlichem Umfange doch nicht ſelten da, wo man ſie bisher ganz ver-kannte. Haben Grundbeſitzer bisher auf Bewaͤſſerungen gedacht, ſo haben ſie mehrentheils ihr Augenmerk nur auf die niedrigen, einem Fluſſe zunaͤchſt liegenden Gruͤnde gerichtet, ungeachtet gerade hier der Vortheil der Bewaͤſſerungen am ge- ringſten iſt, und ein weit groͤßerer Nutzen davon hoͤheren Gegenden zufließen koͤnnte, die von der Waſſerhoͤhe an dem Punkte, wo das Waſſer zuerſt in die Be- ſitzung eintritt, beherrſcht werden. Es iſt eine mathematiſch-phyſiſche, aber den- noch oft verkannte Wahrheit, daß das Waſſer in der Hoͤhe, worin es an einem Punkte ſteht, ſich durchaus erhalten und in derſelben ſeitwaͤrts und wagerecht aus- breiten muͤſſe, wenn man ſeinen Abfluß nach einer niederern Gegend hemmt, und daß folglich dieſes Waſſer auf jeden Punkt gebracht werden koͤnne, welcher in ſei- ner Horizontalflaͤche nicht hoͤher wie jener liegt, wenn nur die Senkung der Waſ- ſerflaͤche bis dahin verhindert werden kann. §. 275. Gewoͤhnlich hat ſich ein Waſſer, welches von einem hoͤheren oder niederenAllgemeine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0205" n="183"/><fw place="top" type="header">Die Bewaͤſſerung.</fw><lb/> von betraͤchtlichem Umfange doch nicht ſelten da, wo man ſie bisher ganz ver-<lb/> kannte. Haben Grundbeſitzer bisher auf Bewaͤſſerungen gedacht, ſo haben ſie<lb/> mehrentheils ihr Augenmerk nur auf die niedrigen, einem Fluſſe zunaͤchſt liegenden<lb/> Gruͤnde gerichtet, ungeachtet gerade hier der Vortheil der Bewaͤſſerungen am ge-<lb/> ringſten iſt, und ein weit groͤßerer Nutzen davon hoͤheren Gegenden zufließen<lb/> koͤnnte, die von der Waſſerhoͤhe an dem Punkte, wo das Waſſer zuerſt in die Be-<lb/> ſitzung eintritt, beherrſcht werden. 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Es geht alſo der Fluß immer in einem breiteren oder<lb/> engeren Thale herab, und dieſes Thal iſt mit Anhoͤhen umgeben. Dieſe ſcheinen,<lb/> wenn man ſie vom Ufer des Fluſſes anſiehet, oftmals von einer ſolchen Hoͤhe, daß<lb/> mancher nicht begreift, wie daſſelbe Waſſer, was jetzt in der Niederung fließt, auf<lb/> ſelbige gebracht werden koͤnne. Die Nivellirung wird aber zeigen, daß das Waſ-<lb/> ſer an dem hoͤchſten Punkte, wo es in die Landſchaft tritt, in einer oft weit hoͤhe-<lb/> ren Horizontalflaͤche ſtehe, als die Anhoͤhen haben, welche man an dem niedrigern<lb/> Orte ſo unuͤberwindlich anſiehet. Wird nun das Waſſer an dem hoͤchſten Punkte,<lb/> angenommen 800 Ruthen aufwaͤrts, durch eine Schleuſe abgefangen, und ober-<lb/> halb dieſer Schleuſe ein Kanal aus dem Fluſſe in der moͤglichſten Hoͤhe mit einem<lb/> ganz geringen Gefaͤlle fortgezogen, ſo kann dieſes Waſſer auf jedem Punkt der<lb/> Anhoͤhe hingebracht werden, der etwas unterhalb der Horizontalflaͤche des oberſten<lb/> Waſſerſtandes liegt.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0205]
Die Bewaͤſſerung.
von betraͤchtlichem Umfange doch nicht ſelten da, wo man ſie bisher ganz ver-
kannte. Haben Grundbeſitzer bisher auf Bewaͤſſerungen gedacht, ſo haben ſie
mehrentheils ihr Augenmerk nur auf die niedrigen, einem Fluſſe zunaͤchſt liegenden
Gruͤnde gerichtet, ungeachtet gerade hier der Vortheil der Bewaͤſſerungen am ge-
ringſten iſt, und ein weit groͤßerer Nutzen davon hoͤheren Gegenden zufließen
koͤnnte, die von der Waſſerhoͤhe an dem Punkte, wo das Waſſer zuerſt in die Be-
ſitzung eintritt, beherrſcht werden. Es iſt eine mathematiſch-phyſiſche, aber den-
noch oft verkannte Wahrheit, daß das Waſſer in der Hoͤhe, worin es an einem
Punkte ſteht, ſich durchaus erhalten und in derſelben ſeitwaͤrts und wagerecht aus-
breiten muͤſſe, wenn man ſeinen Abfluß nach einer niederern Gegend hemmt, und
daß folglich dieſes Waſſer auf jeden Punkt gebracht werden koͤnne, welcher in ſei-
ner Horizontalflaͤche nicht hoͤher wie jener liegt, wenn nur die Senkung der Waſ-
ſerflaͤche bis dahin verhindert werden kann.
§. 275.
Gewoͤhnlich hat ſich ein Waſſer, welches von einem hoͤheren oder niederen
Punkte mit mehrerem oder minderem Gefaͤlle und darnach mit mehrerer oder minde-
rer Schnelligkeit durch eine Landſchaft herabfließt, ſein Bette durch die niedrigſte
Gegend derſelben gebahnt, und windet ſich dann in mancherlei Kruͤmmungen in
der Niederung hindurch. Es geht alſo der Fluß immer in einem breiteren oder
engeren Thale herab, und dieſes Thal iſt mit Anhoͤhen umgeben. Dieſe ſcheinen,
wenn man ſie vom Ufer des Fluſſes anſiehet, oftmals von einer ſolchen Hoͤhe, daß
mancher nicht begreift, wie daſſelbe Waſſer, was jetzt in der Niederung fließt, auf
ſelbige gebracht werden koͤnne. Die Nivellirung wird aber zeigen, daß das Waſ-
ſer an dem hoͤchſten Punkte, wo es in die Landſchaft tritt, in einer oft weit hoͤhe-
ren Horizontalflaͤche ſtehe, als die Anhoͤhen haben, welche man an dem niedrigern
Orte ſo unuͤberwindlich anſiehet. Wird nun das Waſſer an dem hoͤchſten Punkte,
angenommen 800 Ruthen aufwaͤrts, durch eine Schleuſe abgefangen, und ober-
halb dieſer Schleuſe ein Kanal aus dem Fluſſe in der moͤglichſten Hoͤhe mit einem
ganz geringen Gefaͤlle fortgezogen, ſo kann dieſes Waſſer auf jedem Punkt der
Anhoͤhe hingebracht werden, der etwas unterhalb der Horizontalflaͤche des oberſten
Waſſerſtandes liegt.
Allgemeine
Anſicht der
Bewaͤſſe-
rungs-Anla-
gen.
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