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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Arbeit der Beackerung.
hintreiben, wo sie andern nicht zu nahe kommen. Kann also eine Pflanze wegen der
benachbarten sich mit ihren Wurzeln nicht zur Seite verbreiten, so geht sie tiefer hin-
unter, vorausgesetzt, daß sie kein Hinderniß, sondern anlockende Fruchtbarkeit an-
trifft. Stößt dagegen die Wurzel auf einen festen oder nahrungslosen Untergrund,
so treibt sie nach den Seiten zu, und wenn die Pflanzen dann dicht stehen, so bilden
die Wurzeln unter einander ein dichtes netzförmiges Gewebe, und machen sich den
Raum und die Nahrung einander streitig. Hier muß dann die schwächere Pflanze der
stärkern unterliegen und in ihrer stärksten Vegetationsperiode absterben oder verküm-
mern, wie man dies auf Getreidefeldern bei aufmerksamer Beobachtung deutlich
wahrnimmt. Je tiefer aber der Boden ist, um desto dichter werden die Pflanzen ne-
ben einander stehen bleiben, und so viel mehrere zur Vollendung kommen. Diese
Verschiedenheit auf tieferem und flacherem Boden von gleicher Güte wird man bei ge-
nauerer Beobachtung nie verkennen, und sie wird sich bei Boden von 4, 6, 8, 10
und 12zolliger Tiefe, wenn anders der letztere eben so stark mit Humus wie der erstere
durchdrungen ist, in verhältnißmäßigen Graden zeigen. Wenn man annehmen
könnte, daß jedes Korn eine Pflanze gäbe, so würde man den 8 Zoll tiefen Boden
gerade noch einmal so stark besäen können, wie den 4zolligen, von übrigens gleicher
Beschaffenheit, und dann auch das doppelte darauf ernten. Der Werth eines Bo-
dens würde sich also aus der Multiplikation der Oberfläche mit der Tiefe ergeben.

So ganz buchstäblich möchte ich dieses nun zwar nicht annehmen, indem die at-
mosphärische Einwirkung der Ausdehnung des Bodens doch wol einen Vorzug vor
der Tiefe giebt, und ein Kubikfuß fruchtbarer Erde auf 2 Quadratfuß der Oberfläche
vertheilt mehr Pflanzen tragen wird, als wenn er nur einen Quadratfuß Oberfläche
hat. Daß indessen die Tiefe aus den angeführten Gründen von beträchtlicher Wir-
kung sey, lehrt jedem unbefangenen Beobachter die Erfahrung. Um hierin nicht zu
weit zu gehen, habe ich an dem angeführten Orte, 2ten Band, S. 145, angenom-
men, daß der Werth des Bodens sich mit jedem Zoll von 6 bis 10 Zoll um 8 Pro-
zent vermehre, und von 6 bis 3 Zoll eben so viel vermindere.

Ferner aber hat der tiefere Boden den großen Vorzug, daß er augenscheinlich
minder an Nässe und an Dürre leidet, wie der seichtere. Bei nasser Witterung und
vielem Regen versenkt sich die Feuchtigkeit in dem durch Humus gelockerten Boden so
tief, wie dieser geht. Er kann nach dem Verhältnisse seiner Tiefe so viel mehr Feuch-

Die Arbeit der Beackerung.
hintreiben, wo ſie andern nicht zu nahe kommen. Kann alſo eine Pflanze wegen der
benachbarten ſich mit ihren Wurzeln nicht zur Seite verbreiten, ſo geht ſie tiefer hin-
unter, vorausgeſetzt, daß ſie kein Hinderniß, ſondern anlockende Fruchtbarkeit an-
trifft. Stoͤßt dagegen die Wurzel auf einen feſten oder nahrungsloſen Untergrund,
ſo treibt ſie nach den Seiten zu, und wenn die Pflanzen dann dicht ſtehen, ſo bilden
die Wurzeln unter einander ein dichtes netzfoͤrmiges Gewebe, und machen ſich den
Raum und die Nahrung einander ſtreitig. Hier muß dann die ſchwaͤchere Pflanze der
ſtaͤrkern unterliegen und in ihrer ſtaͤrkſten Vegetationsperiode abſterben oder verkuͤm-
mern, wie man dies auf Getreidefeldern bei aufmerkſamer Beobachtung deutlich
wahrnimmt. Je tiefer aber der Boden iſt, um deſto dichter werden die Pflanzen ne-
ben einander ſtehen bleiben, und ſo viel mehrere zur Vollendung kommen. Dieſe
Verſchiedenheit auf tieferem und flacherem Boden von gleicher Guͤte wird man bei ge-
nauerer Beobachtung nie verkennen, und ſie wird ſich bei Boden von 4, 6, 8, 10
und 12zolliger Tiefe, wenn anders der letztere eben ſo ſtark mit Humus wie der erſtere
durchdrungen iſt, in verhaͤltnißmaͤßigen Graden zeigen. Wenn man annehmen
koͤnnte, daß jedes Korn eine Pflanze gaͤbe, ſo wuͤrde man den 8 Zoll tiefen Boden
gerade noch einmal ſo ſtark beſaͤen koͤnnen, wie den 4zolligen, von uͤbrigens gleicher
Beſchaffenheit, und dann auch das doppelte darauf ernten. Der Werth eines Bo-
dens wuͤrde ſich alſo aus der Multiplikation der Oberflaͤche mit der Tiefe ergeben.

So ganz buchſtaͤblich moͤchte ich dieſes nun zwar nicht annehmen, indem die at-
moſphaͤriſche Einwirkung der Ausdehnung des Bodens doch wol einen Vorzug vor
der Tiefe giebt, und ein Kubikfuß fruchtbarer Erde auf 2 Quadratfuß der Oberflaͤche
vertheilt mehr Pflanzen tragen wird, als wenn er nur einen Quadratfuß Oberflaͤche
hat. Daß indeſſen die Tiefe aus den angefuͤhrten Gruͤnden von betraͤchtlicher Wir-
kung ſey, lehrt jedem unbefangenen Beobachter die Erfahrung. Um hierin nicht zu
weit zu gehen, habe ich an dem angefuͤhrten Orte, 2ten Band, S. 145, angenom-
men, daß der Werth des Bodens ſich mit jedem Zoll von 6 bis 10 Zoll um 8 Pro-
zent vermehre, und von 6 bis 3 Zoll eben ſo viel vermindere.

Ferner aber hat der tiefere Boden den großen Vorzug, daß er augenſcheinlich
minder an Naͤſſe und an Duͤrre leidet, wie der ſeichtere. Bei naſſer Witterung und
vielem Regen verſenkt ſich die Feuchtigkeit in dem durch Humus gelockerten Boden ſo
tief, wie dieſer geht. Er kann nach dem Verhaͤltniſſe ſeiner Tiefe ſo viel mehr Feuch-

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[84/0106] Die Arbeit der Beackerung. hintreiben, wo ſie andern nicht zu nahe kommen. Kann alſo eine Pflanze wegen der benachbarten ſich mit ihren Wurzeln nicht zur Seite verbreiten, ſo geht ſie tiefer hin- unter, vorausgeſetzt, daß ſie kein Hinderniß, ſondern anlockende Fruchtbarkeit an- trifft. Stoͤßt dagegen die Wurzel auf einen feſten oder nahrungsloſen Untergrund, ſo treibt ſie nach den Seiten zu, und wenn die Pflanzen dann dicht ſtehen, ſo bilden die Wurzeln unter einander ein dichtes netzfoͤrmiges Gewebe, und machen ſich den Raum und die Nahrung einander ſtreitig. Hier muß dann die ſchwaͤchere Pflanze der ſtaͤrkern unterliegen und in ihrer ſtaͤrkſten Vegetationsperiode abſterben oder verkuͤm- mern, wie man dies auf Getreidefeldern bei aufmerkſamer Beobachtung deutlich wahrnimmt. Je tiefer aber der Boden iſt, um deſto dichter werden die Pflanzen ne- ben einander ſtehen bleiben, und ſo viel mehrere zur Vollendung kommen. Dieſe Verſchiedenheit auf tieferem und flacherem Boden von gleicher Guͤte wird man bei ge- nauerer Beobachtung nie verkennen, und ſie wird ſich bei Boden von 4, 6, 8, 10 und 12zolliger Tiefe, wenn anders der letztere eben ſo ſtark mit Humus wie der erſtere durchdrungen iſt, in verhaͤltnißmaͤßigen Graden zeigen. Wenn man annehmen koͤnnte, daß jedes Korn eine Pflanze gaͤbe, ſo wuͤrde man den 8 Zoll tiefen Boden gerade noch einmal ſo ſtark beſaͤen koͤnnen, wie den 4zolligen, von uͤbrigens gleicher Beſchaffenheit, und dann auch das doppelte darauf ernten. Der Werth eines Bo- dens wuͤrde ſich alſo aus der Multiplikation der Oberflaͤche mit der Tiefe ergeben. So ganz buchſtaͤblich moͤchte ich dieſes nun zwar nicht annehmen, indem die at- moſphaͤriſche Einwirkung der Ausdehnung des Bodens doch wol einen Vorzug vor der Tiefe giebt, und ein Kubikfuß fruchtbarer Erde auf 2 Quadratfuß der Oberflaͤche vertheilt mehr Pflanzen tragen wird, als wenn er nur einen Quadratfuß Oberflaͤche hat. Daß indeſſen die Tiefe aus den angefuͤhrten Gruͤnden von betraͤchtlicher Wir- kung ſey, lehrt jedem unbefangenen Beobachter die Erfahrung. Um hierin nicht zu weit zu gehen, habe ich an dem angefuͤhrten Orte, 2ten Band, S. 145, angenom- men, daß der Werth des Bodens ſich mit jedem Zoll von 6 bis 10 Zoll um 8 Pro- zent vermehre, und von 6 bis 3 Zoll eben ſo viel vermindere. Ferner aber hat der tiefere Boden den großen Vorzug, daß er augenſcheinlich minder an Naͤſſe und an Duͤrre leidet, wie der ſeichtere. Bei naſſer Witterung und vielem Regen verſenkt ſich die Feuchtigkeit in dem durch Humus gelockerten Boden ſo tief, wie dieſer geht. Er kann nach dem Verhaͤltniſſe ſeiner Tiefe ſo viel mehr Feuch-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/106>, abgerufen am 30.04.2024.