Man nimmt nämlich als Regel an, daß nach Abzug der Einsaat die Hälfte des übrigen für die sämmtlichen Wirthschaftskosten zu berechnen sey; jedoch nur dann, wenn das Ertragskorn nicht über das fünste angeschlagen ist. Man läßt also, strenge genommen, nie über zwei Einsaatskörner für die Wirthschaft passiren; doch haben andere, die Unmöglichkeit damit auszureichen einsehend, nur von dem, was über fünf Körner ist, den vierten Theil als Wirthschaftskorn ausgeworfen. Hiermit wird man auf gutem Boden mehrentheils ausreichen, auf schlechtem aber, wo nur drei Körner Ertrag angenommen werden, wird unmöglich die Wirthschaft davon geführt werden können. Es müßten mindestens 11/2 davon zu Wirthschaftskosten abgegeben werden, wenn man diese nicht anderswo herausfände.
Auf Weizen- und Gerstboden der ersten Art pflegt man auch auf die Veranschla- gung einiger Brachnutzung zu dringen. Billigerweise kann dieses, jedoch nie weiter als bis zu einem Drittel des wirklich gedüngten Landes dieser Klasse, geschehen. Die- sen nimmt man als mit Erbsen bestellt an, einen Scheffel per Morgen und vier Kör- ner Ertrag.
§. 92.
Was nach Abzug der Einsaat und des Wirthschaftskorns jeder Art übrig bleibt,Arrende- Korn. nennt man Arrende- oder Pachtkorn, und schlägt es, als reinen Ertrag der Wirthschaft, zu Gelde an.
Dieser Geldpreis ist nun eine sehr schwierige Bestimmung, indem er von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit so sehr verschieden ist. Bei den Domainen-Pachtver- anschlagungen und in den ritterschaftlichen Taxprinzipien ist er nach Maßgabe älterer Zeiten sehr geringe angenommen, und nur seit kurzem bei erstern etwas erhöhet wor- den. Im Durchschnitt der letzten zwölf Jahre ist dieser angenommene Preis um die Hälfte geringer als der wirkliche gewesen, woraus denn der Hauptgewinn der Pächter entstanden ist, die sonst wegen des die Kosten nicht deckenden Wirthschaftskorns beim Ackerbau nicht hätten bestehen können. Bei Privatverpachtungen und Kaufanschlä- gen hat man ihn seit einiger Zeit höher, den Rocken zu 1 Rthlr. 8 Gr. und das übrige Getreide nach Verhältniß angenommen. Ungeachtet der Durchschnittspreis der letzten zwölf Jahre viel höher ist, so darf man doch wohl keinen höhern, wie letz-
Werthſchaͤtzung eines Landguts.
Man nimmt naͤmlich als Regel an, daß nach Abzug der Einſaat die Haͤlfte des uͤbrigen fuͤr die ſaͤmmtlichen Wirthſchaftskoſten zu berechnen ſey; jedoch nur dann, wenn das Ertragskorn nicht uͤber das fuͤnſte angeſchlagen iſt. Man laͤßt alſo, ſtrenge genommen, nie uͤber zwei Einſaatskoͤrner fuͤr die Wirthſchaft paſſiren; doch haben andere, die Unmoͤglichkeit damit auszureichen einſehend, nur von dem, was uͤber fuͤnf Koͤrner iſt, den vierten Theil als Wirthſchaftskorn ausgeworfen. Hiermit wird man auf gutem Boden mehrentheils ausreichen, auf ſchlechtem aber, wo nur drei Koͤrner Ertrag angenommen werden, wird unmoͤglich die Wirthſchaft davon gefuͤhrt werden koͤnnen. Es muͤßten mindeſtens 1½ davon zu Wirthſchaftskoſten abgegeben werden, wenn man dieſe nicht anderswo herausfaͤnde.
Auf Weizen- und Gerſtboden der erſten Art pflegt man auch auf die Veranſchla- gung einiger Brachnutzung zu dringen. Billigerweiſe kann dieſes, jedoch nie weiter als bis zu einem Drittel des wirklich geduͤngten Landes dieſer Klaſſe, geſchehen. Die- ſen nimmt man als mit Erbſen beſtellt an, einen Scheffel per Morgen und vier Koͤr- ner Ertrag.
§. 92.
Was nach Abzug der Einſaat und des Wirthſchaftskorns jeder Art uͤbrig bleibt,Arrende- Korn. nennt man Arrende- oder Pachtkorn, und ſchlaͤgt es, als reinen Ertrag der Wirthſchaft, zu Gelde an.
Dieſer Geldpreis iſt nun eine ſehr ſchwierige Beſtimmung, indem er von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit ſo ſehr verſchieden iſt. Bei den Domainen-Pachtver- anſchlagungen und in den ritterſchaftlichen Taxprinzipien iſt er nach Maßgabe aͤlterer Zeiten ſehr geringe angenommen, und nur ſeit kurzem bei erſtern etwas erhoͤhet wor- den. Im Durchſchnitt der letzten zwoͤlf Jahre iſt dieſer angenommene Preis um die Haͤlfte geringer als der wirkliche geweſen, woraus denn der Hauptgewinn der Paͤchter entſtanden iſt, die ſonſt wegen des die Koſten nicht deckenden Wirthſchaftskorns beim Ackerbau nicht haͤtten beſtehen koͤnnen. Bei Privatverpachtungen und Kaufanſchlaͤ- gen hat man ihn ſeit einiger Zeit hoͤher, den Rocken zu 1 Rthlr. 8 Gr. und das uͤbrige Getreide nach Verhaͤltniß angenommen. Ungeachtet der Durchſchnittspreis der letzten zwoͤlf Jahre viel hoͤher iſt, ſo darf man doch wohl keinen hoͤhern, wie letz-
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Werthſchaͤtzung eines Landguts.
Man nimmt naͤmlich als Regel an, daß nach Abzug der Einſaat die Haͤlfte des
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wenn das Ertragskorn nicht uͤber das fuͤnſte angeſchlagen iſt. Man laͤßt alſo, ſtrenge
genommen, nie uͤber zwei Einſaatskoͤrner fuͤr die Wirthſchaft paſſiren; doch haben
andere, die Unmoͤglichkeit damit auszureichen einſehend, nur von dem, was uͤber
fuͤnf Koͤrner iſt, den vierten Theil als Wirthſchaftskorn ausgeworfen. Hiermit wird
man auf gutem Boden mehrentheils ausreichen, auf ſchlechtem aber, wo nur drei
Koͤrner Ertrag angenommen werden, wird unmoͤglich die Wirthſchaft davon gefuͤhrt
werden koͤnnen. Es muͤßten mindeſtens 1½ davon zu Wirthſchaftskoſten abgegeben
werden, wenn man dieſe nicht anderswo herausfaͤnde.
Auf Weizen- und Gerſtboden der erſten Art pflegt man auch auf die Veranſchla-
gung einiger Brachnutzung zu dringen. Billigerweiſe kann dieſes, jedoch nie weiter
als bis zu einem Drittel des wirklich geduͤngten Landes dieſer Klaſſe, geſchehen. Die-
ſen nimmt man als mit Erbſen beſtellt an, einen Scheffel per Morgen und vier Koͤr-
ner Ertrag.
§. 92.
Was nach Abzug der Einſaat und des Wirthſchaftskorns jeder Art uͤbrig bleibt,
nennt man Arrende- oder Pachtkorn, und ſchlaͤgt es, als reinen Ertrag der
Wirthſchaft, zu Gelde an.
Arrende-
Korn.
Dieſer Geldpreis iſt nun eine ſehr ſchwierige Beſtimmung, indem er von Ort
zu Ort und von Zeit zu Zeit ſo ſehr verſchieden iſt. Bei den Domainen-Pachtver-
anſchlagungen und in den ritterſchaftlichen Taxprinzipien iſt er nach Maßgabe aͤlterer
Zeiten ſehr geringe angenommen, und nur ſeit kurzem bei erſtern etwas erhoͤhet wor-
den. Im Durchſchnitt der letzten zwoͤlf Jahre iſt dieſer angenommene Preis um die
Haͤlfte geringer als der wirkliche geweſen, woraus denn der Hauptgewinn der Paͤchter
entſtanden iſt, die ſonſt wegen des die Koſten nicht deckenden Wirthſchaftskorns beim
Ackerbau nicht haͤtten beſtehen koͤnnen. Bei Privatverpachtungen und Kaufanſchlaͤ-
gen hat man ihn ſeit einiger Zeit hoͤher, den Rocken zu 1 Rthlr. 8 Gr. und das
uͤbrige Getreide nach Verhaͤltniß angenommen. Ungeachtet der Durchſchnittspreis
der letzten zwoͤlf Jahre viel hoͤher iſt, ſo darf man doch wohl keinen hoͤhern, wie letz-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/85>, abgerufen am 12.08.2022.
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