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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Der Fruchtwechsel.
Zeit haben müsse, Nahrungskraft für diese Gewächsart zu sammeln; daß Dün-
gung und Bearbeitung dieses zwar erleichtere und schneller bewirke, jedoch auch
Zeit dazu erforderlich sey, in welcher dieser angemessene Nahrungsstoff durch die
Natur bereitet werden könnte. Der Gärtner, der mit den Früchten häufig wech-
selt, bedurfte dieser Ruhe nicht; allein der Ackerbauer, der nur Körner gewisser
Art erzielen wollte, mußte selbst bei stärkerer Düngung seinem Acker jene Ruhe-
zeit geben. Wo mit höherem Betriebe des Ackerbaues der Werth des Grundes
und Bodens gestiegen war, fiel es leicht in die Augen, daß diese Verschiedenheit
nicht in der Verschiedenheit der Naturgesetze beim Acker- und Gartenboden, son-
dern nur darin liegen könne, daß der Gärtner neben der sorgfältigern Bearbei-
tung seines Bodens eine Abwechselung mit den Früchten vornehme. Alte Natio-
nen haben schon ihren Ackerbau nach dieser auffallenden Erfahrung eingerichtet,
ihn dadurch zu großer Vollkommenheit getrieben, und sogar häufig zwei Früchte
in einem Jahre mit glücklichem Erfolge auf demselben Boden gebauet. Die Rö-
mer wußten zwar, wie nützlich eine fleißige Brachbearbeitung, Luftung und Son-
nung dem Acker sey, wenn er nur Weizen, Gerste und Hafer oder ähnlichen Sa-
men tragen sollte; aber sie wußten, daß

Mutatis quoque requiescunt fructibus arva,
Nec nulla interea est inaratae gratia terrae.
"Also ruh'n Dir auch bei veränderter Frucht die Gefild' aus,
"Ohne daß Du den Zins der müßigen Brache verlierst."

Nun aber entstand die Frage, welche Arten von Früchten man am vortheil-
haftesten nacheinander bauen müsse, und welche Frucht die beste Vorbereitung für
die künftige sey. Diese Frage zu entscheiden war um so schwieriger, da die Er-
fahrung keine ganz übereinstimmende Antwort darauf gab, wie bei der Verschie-
denheit des Bodens und des Klima auch natürlich nicht geschehen konnte. Man
Theoretische
Gründe für
und gegen den
Fruchtwechsel.
suchte also schon in der frühesten Zeit der aufkeimenden Naturwissenschaft diese
Frage theoretisch und auf dem Wege der Analogie und Induktion aufzulösen, und
warf also die fernere Frage auf: ob die verschiedenen Pflanzenarten
jede eines besondern Nahrungsstoffes bedürften
, um ihre eigen-
thümlichen Säfte daraus zu bilden, und ob deshalb ein Boden diese besondern
Nahrungsstoffe enthalten müsse, wenn ein Pflanze gewisser Art darin fortkommen

Der Fruchtwechſel.
Zeit haben muͤſſe, Nahrungskraft fuͤr dieſe Gewaͤchsart zu ſammeln; daß Duͤn-
gung und Bearbeitung dieſes zwar erleichtere und ſchneller bewirke, jedoch auch
Zeit dazu erforderlich ſey, in welcher dieſer angemeſſene Nahrungsſtoff durch die
Natur bereitet werden koͤnnte. Der Gaͤrtner, der mit den Fruͤchten haͤufig wech-
ſelt, bedurfte dieſer Ruhe nicht; allein der Ackerbauer, der nur Koͤrner gewiſſer
Art erzielen wollte, mußte ſelbſt bei ſtaͤrkerer Duͤngung ſeinem Acker jene Ruhe-
zeit geben. Wo mit hoͤherem Betriebe des Ackerbaues der Werth des Grundes
und Bodens geſtiegen war, fiel es leicht in die Augen, daß dieſe Verſchiedenheit
nicht in der Verſchiedenheit der Naturgeſetze beim Acker- und Gartenboden, ſon-
dern nur darin liegen koͤnne, daß der Gaͤrtner neben der ſorgfaͤltigern Bearbei-
tung ſeines Bodens eine Abwechſelung mit den Fruͤchten vornehme. Alte Natio-
nen haben ſchon ihren Ackerbau nach dieſer auffallenden Erfahrung eingerichtet,
ihn dadurch zu großer Vollkommenheit getrieben, und ſogar haͤufig zwei Fruͤchte
in einem Jahre mit gluͤcklichem Erfolge auf demſelben Boden gebauet. Die Roͤ-
mer wußten zwar, wie nuͤtzlich eine fleißige Brachbearbeitung, Luftung und Son-
nung dem Acker ſey, wenn er nur Weizen, Gerſte und Hafer oder aͤhnlichen Sa-
men tragen ſollte; aber ſie wußten, daß

Mutatis quoque requiescunt fructibus arva,
Nec nulla interea est inaratae gratia terrae.
„Alſo ruh’n Dir auch bei veraͤnderter Frucht die Gefild’ aus,
„Ohne daß Du den Zins der muͤßigen Brache verlierſt.“

Nun aber entſtand die Frage, welche Arten von Fruͤchten man am vortheil-
hafteſten nacheinander bauen muͤſſe, und welche Frucht die beſte Vorbereitung fuͤr
die kuͤnftige ſey. Dieſe Frage zu entſcheiden war um ſo ſchwieriger, da die Er-
fahrung keine ganz uͤbereinſtimmende Antwort darauf gab, wie bei der Verſchie-
denheit des Bodens und des Klima auch natuͤrlich nicht geſchehen konnte. Man
Theoretiſche
Gruͤnde fuͤr
und gegen den
Fruchtwechſel.
ſuchte alſo ſchon in der fruͤheſten Zeit der aufkeimenden Naturwiſſenſchaft dieſe
Frage theoretiſch und auf dem Wege der Analogie und Induktion aufzuloͤſen, und
warf alſo die fernere Frage auf: ob die verſchiedenen Pflanzenarten
jede eines beſondern Nahrungsſtoffes beduͤrften
, um ihre eigen-
thuͤmlichen Saͤfte daraus zu bilden, und ob deshalb ein Boden dieſe beſondern
Nahrungsſtoffe enthalten muͤſſe, wenn ein Pflanze gewiſſer Art darin fortkommen

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[338/0384] Der Fruchtwechſel. Zeit haben muͤſſe, Nahrungskraft fuͤr dieſe Gewaͤchsart zu ſammeln; daß Duͤn- gung und Bearbeitung dieſes zwar erleichtere und ſchneller bewirke, jedoch auch Zeit dazu erforderlich ſey, in welcher dieſer angemeſſene Nahrungsſtoff durch die Natur bereitet werden koͤnnte. Der Gaͤrtner, der mit den Fruͤchten haͤufig wech- ſelt, bedurfte dieſer Ruhe nicht; allein der Ackerbauer, der nur Koͤrner gewiſſer Art erzielen wollte, mußte ſelbſt bei ſtaͤrkerer Duͤngung ſeinem Acker jene Ruhe- zeit geben. Wo mit hoͤherem Betriebe des Ackerbaues der Werth des Grundes und Bodens geſtiegen war, fiel es leicht in die Augen, daß dieſe Verſchiedenheit nicht in der Verſchiedenheit der Naturgeſetze beim Acker- und Gartenboden, ſon- dern nur darin liegen koͤnne, daß der Gaͤrtner neben der ſorgfaͤltigern Bearbei- tung ſeines Bodens eine Abwechſelung mit den Fruͤchten vornehme. Alte Natio- nen haben ſchon ihren Ackerbau nach dieſer auffallenden Erfahrung eingerichtet, ihn dadurch zu großer Vollkommenheit getrieben, und ſogar haͤufig zwei Fruͤchte in einem Jahre mit gluͤcklichem Erfolge auf demſelben Boden gebauet. Die Roͤ- mer wußten zwar, wie nuͤtzlich eine fleißige Brachbearbeitung, Luftung und Son- nung dem Acker ſey, wenn er nur Weizen, Gerſte und Hafer oder aͤhnlichen Sa- men tragen ſollte; aber ſie wußten, daß Mutatis quoque requiescunt fructibus arva, Nec nulla interea est inaratae gratia terrae. „Alſo ruh’n Dir auch bei veraͤnderter Frucht die Gefild’ aus, „Ohne daß Du den Zins der muͤßigen Brache verlierſt.“ Nun aber entſtand die Frage, welche Arten von Fruͤchten man am vortheil- hafteſten nacheinander bauen muͤſſe, und welche Frucht die beſte Vorbereitung fuͤr die kuͤnftige ſey. Dieſe Frage zu entſcheiden war um ſo ſchwieriger, da die Er- fahrung keine ganz uͤbereinſtimmende Antwort darauf gab, wie bei der Verſchie- denheit des Bodens und des Klima auch natuͤrlich nicht geſchehen konnte. Man ſuchte alſo ſchon in der fruͤheſten Zeit der aufkeimenden Naturwiſſenſchaft dieſe Frage theoretiſch und auf dem Wege der Analogie und Induktion aufzuloͤſen, und warf alſo die fernere Frage auf: ob die verſchiedenen Pflanzenarten jede eines beſondern Nahrungsſtoffes beduͤrften, um ihre eigen- thuͤmlichen Saͤfte daraus zu bilden, und ob deshalb ein Boden dieſe beſondern Nahrungsſtoffe enthalten muͤſſe, wenn ein Pflanze gewiſſer Art darin fortkommen Theoretiſche Gruͤnde fuͤr und gegen den Fruchtwechſel.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/384>, abgerufen am 21.11.2024.