Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Direktion der Wirthschaft.
breitet hat, was das temporäre Steigen und Fallen der Preise bewirkt. Ist die Be-
sorgniß für Mangel entstanden und ein Allarm darüber verbreitet, so sucht ein jeder
Konsument seinen Bedarf bis zur künftigen Ernte sich so schnell als möglich zu ver-
schaffen; der Produzent dagegen, der sich genug gesichert hält, daß er seinen Vor-
rath noch immer werde verkaufen können, übereilt sich nicht damit. Das Ueberge-
wicht der Nachfrage, die nicht befriedigt werden kann, treibt also die Preise in die
Höhe. Daher rührt es wohl hauptsächlich, daß alle Polizeimaßregeln, wodurch
man sich momentan den Bedarf zu sichern sucht, unmittelbar ein Steigen der Preise
zur Folge haben, weil Jedermann glaubt, die Regierung müsse begründete Sorge
für die Subsistenz der Einwohner haben. Wenn auf der andern Seite sich die Mei-
nung von sehr ergiebiger Ernte oder von vorhandenen großen Vorräthen verbreitet,
so kauft ein Jeder nur seinen täglichen Bedarf, und die Landwirthe werden dagegen
besorgt, daß sie ihre Erzeugnisse nicht werden absetzen können, und bieten sie deshalb
zu immer wohlfeilern Preisen aus. Sehr häufig findet es sich dann, daß sich beide
Theile trogen, und daß nun am Ende des Erntejahres die Preise um so höher werden,
je niedriger sie im Anfange standen, weil die Konsumenten nun gar keine Vorräthe
gemacht hatten. Wogegen sie dann oft fallen, wenn ein Jeder aus Besorglichkeit
sich seinen Vorrath früher angekauft hatte, und die zurückhaltenden Produzenten nun
auf einmal besorgt werden, wie sie ihren Vorrath versilbern sollen.

§. 220.

Märkte.Der Markt für die Produkte, insbesondere für das Getreide, ist zweierlei Art:

a) Er ist bloß auf die Konsumtion der Gegend und deren Einwohner beschränkt.
Hier wird der Preis hauptsächlich durch den Ernteausfall derer Gegenden bestimmt.
woher dieser Markt Zufuhr hat; und wenn man jenen kennt, so kann man mit ziem-
licher Sicherheit wissen, ob hohe oder niedere Preise eintreten werden. Erfordert
indessen dieser Markt entfernte Zufuhr auch aus dem Auslande, und haben diese ent-
ferntern Gegenden auch Exportationen anderswohin, so können die Bedürfnisse sehr
weit entfernter Länder und allerlei andere Konjunkturen eine mächtige Einwirkung
darauf haben. Insbesondere können dann Ausfuhrverbote im Auslande, ein aus-
gebrochener oder drohender Krieg und deshalb veranstaltete Anfüllung der Magazine
eine Einwirkung äußern, die man nicht voraussehen konnte.


b) Der

Direktion der Wirthſchaft.
breitet hat, was das temporaͤre Steigen und Fallen der Preiſe bewirkt. Iſt die Be-
ſorgniß fuͤr Mangel entſtanden und ein Allarm daruͤber verbreitet, ſo ſucht ein jeder
Konſument ſeinen Bedarf bis zur kuͤnftigen Ernte ſich ſo ſchnell als moͤglich zu ver-
ſchaffen; der Produzent dagegen, der ſich genug geſichert haͤlt, daß er ſeinen Vor-
rath noch immer werde verkaufen koͤnnen, uͤbereilt ſich nicht damit. Das Ueberge-
wicht der Nachfrage, die nicht befriedigt werden kann, treibt alſo die Preiſe in die
Hoͤhe. Daher ruͤhrt es wohl hauptſaͤchlich, daß alle Polizeimaßregeln, wodurch
man ſich momentan den Bedarf zu ſichern ſucht, unmittelbar ein Steigen der Preiſe
zur Folge haben, weil Jedermann glaubt, die Regierung muͤſſe begruͤndete Sorge
fuͤr die Subſiſtenz der Einwohner haben. Wenn auf der andern Seite ſich die Mei-
nung von ſehr ergiebiger Ernte oder von vorhandenen großen Vorraͤthen verbreitet,
ſo kauft ein Jeder nur ſeinen taͤglichen Bedarf, und die Landwirthe werden dagegen
beſorgt, daß ſie ihre Erzeugniſſe nicht werden abſetzen koͤnnen, und bieten ſie deshalb
zu immer wohlfeilern Preiſen aus. Sehr haͤufig findet es ſich dann, daß ſich beide
Theile trogen, und daß nun am Ende des Erntejahres die Preiſe um ſo hoͤher werden,
je niedriger ſie im Anfange ſtanden, weil die Konſumenten nun gar keine Vorraͤthe
gemacht hatten. Wogegen ſie dann oft fallen, wenn ein Jeder aus Beſorglichkeit
ſich ſeinen Vorrath fruͤher angekauft hatte, und die zuruͤckhaltenden Produzenten nun
auf einmal beſorgt werden, wie ſie ihren Vorrath verſilbern ſollen.

§. 220.

Maͤrkte.Der Markt fuͤr die Produkte, insbeſondere fuͤr das Getreide, iſt zweierlei Art:

a) Er iſt bloß auf die Konſumtion der Gegend und deren Einwohner beſchraͤnkt.
Hier wird der Preis hauptſaͤchlich durch den Ernteausfall derer Gegenden beſtimmt.
woher dieſer Markt Zufuhr hat; und wenn man jenen kennt, ſo kann man mit ziem-
licher Sicherheit wiſſen, ob hohe oder niedere Preiſe eintreten werden. Erfordert
indeſſen dieſer Markt entfernte Zufuhr auch aus dem Auslande, und haben dieſe ent-
ferntern Gegenden auch Exportationen anderswohin, ſo koͤnnen die Beduͤrfniſſe ſehr
weit entfernter Laͤnder und allerlei andere Konjunkturen eine maͤchtige Einwirkung
darauf haben. Insbeſondere koͤnnen dann Ausfuhrverbote im Auslande, ein aus-
gebrochener oder drohender Krieg und deshalb veranſtaltete Anfuͤllung der Magazine
eine Einwirkung aͤußern, die man nicht vorausſehen konnte.


b) Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0230" n="200"/><fw place="top" type="header">Direktion der Wirth&#x017F;chaft.</fw><lb/>
breitet hat, was das tempora&#x0364;re Steigen und Fallen der Prei&#x017F;e bewirkt. I&#x017F;t die Be-<lb/>
&#x017F;orgniß fu&#x0364;r Mangel ent&#x017F;tanden und ein Allarm daru&#x0364;ber verbreitet, &#x017F;o &#x017F;ucht ein jeder<lb/>
Kon&#x017F;ument &#x017F;einen Bedarf bis zur ku&#x0364;nftigen Ernte &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;chnell als mo&#x0364;glich zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen; der Produzent dagegen, der &#x017F;ich genug ge&#x017F;ichert ha&#x0364;lt, daß er &#x017F;einen Vor-<lb/>
rath noch immer werde verkaufen ko&#x0364;nnen, u&#x0364;bereilt &#x017F;ich nicht damit. Das Ueberge-<lb/>
wicht der Nachfrage, die nicht befriedigt werden kann, treibt al&#x017F;o die Prei&#x017F;e in die<lb/>
Ho&#x0364;he. Daher ru&#x0364;hrt es wohl haupt&#x017F;a&#x0364;chlich, daß alle Polizeimaßregeln, wodurch<lb/>
man &#x017F;ich momentan den Bedarf zu &#x017F;ichern &#x017F;ucht, unmittelbar ein Steigen der Prei&#x017F;e<lb/>
zur Folge haben, weil Jedermann glaubt, die Regierung mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e begru&#x0364;ndete Sorge<lb/>
fu&#x0364;r die Sub&#x017F;i&#x017F;tenz der Einwohner haben. Wenn auf der andern Seite &#x017F;ich die Mei-<lb/>
nung von &#x017F;ehr ergiebiger Ernte oder von vorhandenen großen Vorra&#x0364;then verbreitet,<lb/>
&#x017F;o kauft ein Jeder nur &#x017F;einen ta&#x0364;glichen Bedarf, und die Landwirthe werden dagegen<lb/>
be&#x017F;orgt, daß &#x017F;ie ihre Erzeugni&#x017F;&#x017F;e nicht werden ab&#x017F;etzen ko&#x0364;nnen, und bieten &#x017F;ie deshalb<lb/>
zu immer wohlfeilern Prei&#x017F;en aus. Sehr ha&#x0364;ufig findet es &#x017F;ich dann, daß &#x017F;ich beide<lb/>
Theile trogen, und daß nun am Ende des Erntejahres die Prei&#x017F;e um &#x017F;o ho&#x0364;her werden,<lb/>
je niedriger &#x017F;ie im Anfange &#x017F;tanden, weil die Kon&#x017F;umenten nun gar keine Vorra&#x0364;the<lb/>
gemacht hatten. Wogegen &#x017F;ie dann oft fallen, wenn ein Jeder aus Be&#x017F;orglichkeit<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;einen Vorrath fru&#x0364;her angekauft hatte, und die zuru&#x0364;ckhaltenden Produzenten nun<lb/>
auf einmal be&#x017F;orgt werden, wie &#x017F;ie ihren Vorrath ver&#x017F;ilbern &#x017F;ollen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 220.</head><lb/>
            <p><note place="left">Ma&#x0364;rkte.</note>Der Markt fu&#x0364;r die Produkte, insbe&#x017F;ondere fu&#x0364;r das Getreide, i&#x017F;t zweierlei Art:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">a)</hi> Er i&#x017F;t bloß auf die Kon&#x017F;umtion der Gegend und deren Einwohner be&#x017F;chra&#x0364;nkt.<lb/>
Hier wird der Preis haupt&#x017F;a&#x0364;chlich durch den Ernteausfall derer Gegenden be&#x017F;timmt.<lb/>
woher die&#x017F;er Markt Zufuhr hat; und wenn man jenen kennt, &#x017F;o kann man mit ziem-<lb/>
licher Sicherheit wi&#x017F;&#x017F;en, ob hohe oder niedere Prei&#x017F;e eintreten werden. Erfordert<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;er Markt entfernte Zufuhr auch aus dem Auslande, und haben die&#x017F;e ent-<lb/>
ferntern Gegenden auch Exportationen anderswohin, &#x017F;o ko&#x0364;nnen die Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehr<lb/>
weit entfernter La&#x0364;nder und allerlei andere Konjunkturen eine ma&#x0364;chtige Einwirkung<lb/>
darauf haben. Insbe&#x017F;ondere ko&#x0364;nnen dann Ausfuhrverbote im Auslande, ein aus-<lb/>
gebrochener oder drohender Krieg und deshalb veran&#x017F;taltete Anfu&#x0364;llung der Magazine<lb/>
eine Einwirkung a&#x0364;ußern, die man nicht voraus&#x017F;ehen konnte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b)</hi> Der</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0230] Direktion der Wirthſchaft. breitet hat, was das temporaͤre Steigen und Fallen der Preiſe bewirkt. Iſt die Be- ſorgniß fuͤr Mangel entſtanden und ein Allarm daruͤber verbreitet, ſo ſucht ein jeder Konſument ſeinen Bedarf bis zur kuͤnftigen Ernte ſich ſo ſchnell als moͤglich zu ver- ſchaffen; der Produzent dagegen, der ſich genug geſichert haͤlt, daß er ſeinen Vor- rath noch immer werde verkaufen koͤnnen, uͤbereilt ſich nicht damit. Das Ueberge- wicht der Nachfrage, die nicht befriedigt werden kann, treibt alſo die Preiſe in die Hoͤhe. Daher ruͤhrt es wohl hauptſaͤchlich, daß alle Polizeimaßregeln, wodurch man ſich momentan den Bedarf zu ſichern ſucht, unmittelbar ein Steigen der Preiſe zur Folge haben, weil Jedermann glaubt, die Regierung muͤſſe begruͤndete Sorge fuͤr die Subſiſtenz der Einwohner haben. Wenn auf der andern Seite ſich die Mei- nung von ſehr ergiebiger Ernte oder von vorhandenen großen Vorraͤthen verbreitet, ſo kauft ein Jeder nur ſeinen taͤglichen Bedarf, und die Landwirthe werden dagegen beſorgt, daß ſie ihre Erzeugniſſe nicht werden abſetzen koͤnnen, und bieten ſie deshalb zu immer wohlfeilern Preiſen aus. Sehr haͤufig findet es ſich dann, daß ſich beide Theile trogen, und daß nun am Ende des Erntejahres die Preiſe um ſo hoͤher werden, je niedriger ſie im Anfange ſtanden, weil die Konſumenten nun gar keine Vorraͤthe gemacht hatten. Wogegen ſie dann oft fallen, wenn ein Jeder aus Beſorglichkeit ſich ſeinen Vorrath fruͤher angekauft hatte, und die zuruͤckhaltenden Produzenten nun auf einmal beſorgt werden, wie ſie ihren Vorrath verſilbern ſollen. §. 220. Der Markt fuͤr die Produkte, insbeſondere fuͤr das Getreide, iſt zweierlei Art: Maͤrkte. a) Er iſt bloß auf die Konſumtion der Gegend und deren Einwohner beſchraͤnkt. Hier wird der Preis hauptſaͤchlich durch den Ernteausfall derer Gegenden beſtimmt. woher dieſer Markt Zufuhr hat; und wenn man jenen kennt, ſo kann man mit ziem- licher Sicherheit wiſſen, ob hohe oder niedere Preiſe eintreten werden. Erfordert indeſſen dieſer Markt entfernte Zufuhr auch aus dem Auslande, und haben dieſe ent- ferntern Gegenden auch Exportationen anderswohin, ſo koͤnnen die Beduͤrfniſſe ſehr weit entfernter Laͤnder und allerlei andere Konjunkturen eine maͤchtige Einwirkung darauf haben. Insbeſondere koͤnnen dann Ausfuhrverbote im Auslande, ein aus- gebrochener oder drohender Krieg und deshalb veranſtaltete Anfuͤllung der Magazine eine Einwirkung aͤußern, die man nicht vorausſehen konnte. b) Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/230
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/230>, abgerufen am 03.12.2024.