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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
nachhaltige Ertrag, verfehlt wird, und jede Ersparung, wodurch sich dieser
in der Folge vermindert, ist dahin zu rechnen. Man muß daher sehr wohl erwä-
gen, ob durch eine augenblickliche Ersparung dem Betriebe der ganzen Wirth-
schaft oder eines Theils derselben, der gewöhnlich wieder Rückwirkung auf das
Ganze zu haben pflegt, nicht ein weit größerer Nachtheil in der Folge zugefügt
werde. Fälle, die in dieser Hinsicht die genaueste Ueberlegung verdienen, kom-
men in jeder komplizirten Wirthschaft täglich vor, und ihre richtige Beurtheilung
ist das, wodurch sich die Klugheit und Ueberlegung des Wirths vornemlich offen-
baret. Eine der wichtigsten Ersparungen macht man durch die Auswahl der zur
eigenen Konsumtion nöthigen Produkte.

Man findet häufig, daß wegen besonderer Konjunkturen der Preis mancher
Produkte auf dem Markte nicht in gerechtem Verhältnisse zu ihrem innern Werthe
steht, und besonders eine Kornart in Rücksicht auf dieses Verhältniß beträchtlich
theurer oder wohlfeiler wie die andere ist. In dem Falle muß man diejenige,
welche ihrem wahren Werthe nach zu geringe steht, auf alle Weise zur eigenen
Konsumtion mit Ersparung derjenigen, die einen höheren Marktpreis hat, ver-
wenden. Wenn der Scheffel Weizen fast in demselben oder unbeträchtlich höhe-
ren Preise mit dem Rocken steht, so muß der ungleich nahrhaftere und edlere
Weizen zu jedem möglichen Verbrauch vor dem Rocken angewandt werden. Denn
man kann annehmen, daß bei gleicher Güte drei Scheffel Weizen vier Scheffeln
Rocken in ihrer nährenden Kraft beinahe gleich sind. Wenn Hafer sich über sein
natürliches Verhältniß zum Rocken (wie 5 zu 9) auf dem Markte erhebt, so
wird ein gescheuter Landwirth keinen Hafer verfuttern, sondern statt desselben
Rocken, oder wenn es noch vortheilhafter wäre, Weizen oder Gerste nehmen.
Wir führen dies hier nur als Beispiel an, und werden an andern Orten über die
Zweckmäßigkeit solcher Substitutionen und die dabei zu beobachtenden Regeln
ausführlicher reden. Noch wichtiger ist diese Auswahl der Getreidearten bei der
Benutzung derselben in der Brauerei und Branntweinbrennerei. Hier ist die Er-
sparung, welche man durch eine richtige Auswahl bewirkt, so auffallend und von
so großem Belange, daß es kaum glaublich scheint, wie sie von manchen Wirthen
übersehen werden könne, wenn nicht tägliche Erfahrung dennoch zeigte, daß es
geschehe.


Direktion der Wirthſchaft.
nachhaltige Ertrag, verfehlt wird, und jede Erſparung, wodurch ſich dieſer
in der Folge vermindert, iſt dahin zu rechnen. Man muß daher ſehr wohl erwaͤ-
gen, ob durch eine augenblickliche Erſparung dem Betriebe der ganzen Wirth-
ſchaft oder eines Theils derſelben, der gewoͤhnlich wieder Ruͤckwirkung auf das
Ganze zu haben pflegt, nicht ein weit groͤßerer Nachtheil in der Folge zugefuͤgt
werde. Faͤlle, die in dieſer Hinſicht die genaueſte Ueberlegung verdienen, kom-
men in jeder komplizirten Wirthſchaft taͤglich vor, und ihre richtige Beurtheilung
iſt das, wodurch ſich die Klugheit und Ueberlegung des Wirths vornemlich offen-
baret. Eine der wichtigſten Erſparungen macht man durch die Auswahl der zur
eigenen Konſumtion noͤthigen Produkte.

Man findet haͤufig, daß wegen beſonderer Konjunkturen der Preis mancher
Produkte auf dem Markte nicht in gerechtem Verhaͤltniſſe zu ihrem innern Werthe
ſteht, und beſonders eine Kornart in Ruͤckſicht auf dieſes Verhaͤltniß betraͤchtlich
theurer oder wohlfeiler wie die andere iſt. In dem Falle muß man diejenige,
welche ihrem wahren Werthe nach zu geringe ſteht, auf alle Weiſe zur eigenen
Konſumtion mit Erſparung derjenigen, die einen hoͤheren Marktpreis hat, ver-
wenden. Wenn der Scheffel Weizen faſt in demſelben oder unbetraͤchtlich hoͤhe-
ren Preiſe mit dem Rocken ſteht, ſo muß der ungleich nahrhaftere und edlere
Weizen zu jedem moͤglichen Verbrauch vor dem Rocken angewandt werden. Denn
man kann annehmen, daß bei gleicher Guͤte drei Scheffel Weizen vier Scheffeln
Rocken in ihrer naͤhrenden Kraft beinahe gleich ſind. Wenn Hafer ſich uͤber ſein
natuͤrliches Verhaͤltniß zum Rocken (wie 5 zu 9) auf dem Markte erhebt, ſo
wird ein geſcheuter Landwirth keinen Hafer verfuttern, ſondern ſtatt deſſelben
Rocken, oder wenn es noch vortheilhafter waͤre, Weizen oder Gerſte nehmen.
Wir fuͤhren dies hier nur als Beiſpiel an, und werden an andern Orten uͤber die
Zweckmaͤßigkeit ſolcher Subſtitutionen und die dabei zu beobachtenden Regeln
ausfuͤhrlicher reden. Noch wichtiger iſt dieſe Auswahl der Getreidearten bei der
Benutzung derſelben in der Brauerei und Branntweinbrennerei. Hier iſt die Er-
ſparung, welche man durch eine richtige Auswahl bewirkt, ſo auffallend und von
ſo großem Belange, daß es kaum glaublich ſcheint, wie ſie von manchen Wirthen
uͤberſehen werden koͤnne, wenn nicht taͤgliche Erfahrung dennoch zeigte, daß es
geſchehe.


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[196/0226] Direktion der Wirthſchaft. nachhaltige Ertrag, verfehlt wird, und jede Erſparung, wodurch ſich dieſer in der Folge vermindert, iſt dahin zu rechnen. Man muß daher ſehr wohl erwaͤ- gen, ob durch eine augenblickliche Erſparung dem Betriebe der ganzen Wirth- ſchaft oder eines Theils derſelben, der gewoͤhnlich wieder Ruͤckwirkung auf das Ganze zu haben pflegt, nicht ein weit groͤßerer Nachtheil in der Folge zugefuͤgt werde. Faͤlle, die in dieſer Hinſicht die genaueſte Ueberlegung verdienen, kom- men in jeder komplizirten Wirthſchaft taͤglich vor, und ihre richtige Beurtheilung iſt das, wodurch ſich die Klugheit und Ueberlegung des Wirths vornemlich offen- baret. Eine der wichtigſten Erſparungen macht man durch die Auswahl der zur eigenen Konſumtion noͤthigen Produkte. Man findet haͤufig, daß wegen beſonderer Konjunkturen der Preis mancher Produkte auf dem Markte nicht in gerechtem Verhaͤltniſſe zu ihrem innern Werthe ſteht, und beſonders eine Kornart in Ruͤckſicht auf dieſes Verhaͤltniß betraͤchtlich theurer oder wohlfeiler wie die andere iſt. In dem Falle muß man diejenige, welche ihrem wahren Werthe nach zu geringe ſteht, auf alle Weiſe zur eigenen Konſumtion mit Erſparung derjenigen, die einen hoͤheren Marktpreis hat, ver- wenden. Wenn der Scheffel Weizen faſt in demſelben oder unbetraͤchtlich hoͤhe- ren Preiſe mit dem Rocken ſteht, ſo muß der ungleich nahrhaftere und edlere Weizen zu jedem moͤglichen Verbrauch vor dem Rocken angewandt werden. Denn man kann annehmen, daß bei gleicher Guͤte drei Scheffel Weizen vier Scheffeln Rocken in ihrer naͤhrenden Kraft beinahe gleich ſind. Wenn Hafer ſich uͤber ſein natuͤrliches Verhaͤltniß zum Rocken (wie 5 zu 9) auf dem Markte erhebt, ſo wird ein geſcheuter Landwirth keinen Hafer verfuttern, ſondern ſtatt deſſelben Rocken, oder wenn es noch vortheilhafter waͤre, Weizen oder Gerſte nehmen. Wir fuͤhren dies hier nur als Beiſpiel an, und werden an andern Orten uͤber die Zweckmaͤßigkeit ſolcher Subſtitutionen und die dabei zu beobachtenden Regeln ausfuͤhrlicher reden. Noch wichtiger iſt dieſe Auswahl der Getreidearten bei der Benutzung derſelben in der Brauerei und Branntweinbrennerei. Hier iſt die Er- ſparung, welche man durch eine richtige Auswahl bewirkt, ſo auffallend und von ſo großem Belange, daß es kaum glaublich ſcheint, wie ſie von manchen Wirthen uͤberſehen werden koͤnne, wenn nicht taͤgliche Erfahrung dennoch zeigte, daß es geſchehe.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/226>, abgerufen am 23.04.2024.