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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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Kopfende des Grabes stellt man einen Stein oder das Gehörn einer
Antilope auf.

Die Verehrung eines höchsten Wesens war bei den Hottentotten
stets vorhanden; daneben kam Mond-, Stern- und Tierkultus vor,
der in Gebet und Opfer bestand. Heut sind die meisten Hottentotten
Christen, wie schon die biblischen Ortsnamen im Großnamalande,
Gibeon, Bethanien, Bersaba, erkennen lassen. Um die Bekehrung
der Hottentotten hat sich besonders die Barmer Missionsgesellschaft
große Verdienste erworben.

Die politische Organisation war unter den Hottentotten immer
nur lose. Jeder Stamm hat zwar einen eigenen Häuptling, aber
zu größeren Verbänden ist es bei ihnen nicht gekommen. Zuzeiten
haben einzelne Häuptlinge wohl auch größere Scharen um sich
gesammelt, und unter ihnen sind besonders zwei, Jager Afrikaaner
und Hendrik Witbooi, zu nennen. Jener sammelte zu Anfang des
19. Jahrhunderts viele Hottentotten des Kaplandes und überschritt
mit ihnen den Orangefluß. Er hatte im Dienste eines Buren ge-
standen, eines grausamen Herrn, den er ermordete und seines Viehes
beraubte. Sein Sohn Jonker Afrikaaner führte die Hottentotten
gegen die Hereros. Beide Völker, die gelbe und die schwarze
Rasse, lagen seit alters in Streit. Die Hereros, die auf ständige
Vermehrung ihres Viehreichtums bedacht waren, wurden durch
fortwährende Raubzüge der Hottentotten beunruhigt. Aber Jonkers
Kriegszug mißglückte, und sein Reich wurde durch die Hereros
zertrümmert. Seitdem sind die Nama immer mehr verarmt, sodaß
sie sich durch Arbeit bei den Weißen ihr Brot suchen mußten.
Ihr Land ist an sich arm, der Pflanzenwuchs infolge des regen-
armen Klimas spärlich, und diejenigen Hottentotten, die selber
noch Vieh halten, sind zu fortwährender Wanderung gezwungen,
um neue Weideplätze und Tränken aufzusuchen. Durch künstliche
Erschließung des Grundwassers und Anlegung von Brunnen könnten
fleißige Siedler wohl ein besseres Weideland schaffen, aber damit
ist bei der ausgesprochenen Trägheit der Hottentotten nicht zu
rechnen. Seit sie aus reicheren Gebieten in ihre jetzigen armen
Wohnsitze gedrängt sind, scheint ihre Trägheit noch gewachsen zu
sein, sodaß sie durch Sammeltätigkeit, Bettelei, Jagd und Raub
zumeist ihr Dasein fristen. Durch ihre Raubzüge hatten auch in
neuerer Zeit besonders die Hereros zu leiden, und die Feindschaft
zwischen beiden Völkern war zu Beginn der deutschen Herrschaft

Kopfende des Grabes stellt man einen Stein oder das Gehörn einer
Antilope auf.

Die Verehrung eines höchsten Wesens war bei den Hottentotten
stets vorhanden; daneben kam Mond-, Stern- und Tierkultus vor,
der in Gebet und Opfer bestand. Heut sind die meisten Hottentotten
Christen, wie schon die biblischen Ortsnamen im Großnamalande,
Gibeon, Bethanien, Bersaba, erkennen lassen. Um die Bekehrung
der Hottentotten hat sich besonders die Barmer Missionsgesellschaft
große Verdienste erworben.

Die politische Organisation war unter den Hottentotten immer
nur lose. Jeder Stamm hat zwar einen eigenen Häuptling, aber
zu größeren Verbänden ist es bei ihnen nicht gekommen. Zuzeiten
haben einzelne Häuptlinge wohl auch größere Scharen um sich
gesammelt, und unter ihnen sind besonders zwei, Jager Afrikaaner
und Hendrik Witbooi, zu nennen. Jener sammelte zu Anfang des
19. Jahrhunderts viele Hottentotten des Kaplandes und überschritt
mit ihnen den Orangefluß. Er hatte im Dienste eines Buren ge-
standen, eines grausamen Herrn, den er ermordete und seines Viehes
beraubte. Sein Sohn Jonker Afrikaaner führte die Hottentotten
gegen die Hereros. Beide Völker, die gelbe und die schwarze
Rasse, lagen seit alters in Streit. Die Hereros, die auf ständige
Vermehrung ihres Viehreichtums bedacht waren, wurden durch
fortwährende Raubzüge der Hottentotten beunruhigt. Aber Jonkers
Kriegszug mißglückte, und sein Reich wurde durch die Hereros
zertrümmert. Seitdem sind die Nama immer mehr verarmt, sodaß
sie sich durch Arbeit bei den Weißen ihr Brot suchen mußten.
Ihr Land ist an sich arm, der Pflanzenwuchs infolge des regen-
armen Klimas spärlich, und diejenigen Hottentotten, die selber
noch Vieh halten, sind zu fortwährender Wanderung gezwungen,
um neue Weideplätze und Tränken aufzusuchen. Durch künstliche
Erschließung des Grundwassers und Anlegung von Brunnen könnten
fleißige Siedler wohl ein besseres Weideland schaffen, aber damit
ist bei der ausgesprochenen Trägheit der Hottentotten nicht zu
rechnen. Seit sie aus reicheren Gebieten in ihre jetzigen armen
Wohnsitze gedrängt sind, scheint ihre Trägheit noch gewachsen zu
sein, sodaß sie durch Sammeltätigkeit, Bettelei, Jagd und Raub
zumeist ihr Dasein fristen. Durch ihre Raubzüge hatten auch in
neuerer Zeit besonders die Hereros zu leiden, und die Feindschaft
zwischen beiden Völkern war zu Beginn der deutschen Herrschaft

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[— 70 —/0074] Kopfende des Grabes stellt man einen Stein oder das Gehörn einer Antilope auf. Die Verehrung eines höchsten Wesens war bei den Hottentotten stets vorhanden; daneben kam Mond-, Stern- und Tierkultus vor, der in Gebet und Opfer bestand. Heut sind die meisten Hottentotten Christen, wie schon die biblischen Ortsnamen im Großnamalande, Gibeon, Bethanien, Bersaba, erkennen lassen. Um die Bekehrung der Hottentotten hat sich besonders die Barmer Missionsgesellschaft große Verdienste erworben. Die politische Organisation war unter den Hottentotten immer nur lose. Jeder Stamm hat zwar einen eigenen Häuptling, aber zu größeren Verbänden ist es bei ihnen nicht gekommen. Zuzeiten haben einzelne Häuptlinge wohl auch größere Scharen um sich gesammelt, und unter ihnen sind besonders zwei, Jager Afrikaaner und Hendrik Witbooi, zu nennen. Jener sammelte zu Anfang des 19. Jahrhunderts viele Hottentotten des Kaplandes und überschritt mit ihnen den Orangefluß. Er hatte im Dienste eines Buren ge- standen, eines grausamen Herrn, den er ermordete und seines Viehes beraubte. Sein Sohn Jonker Afrikaaner führte die Hottentotten gegen die Hereros. Beide Völker, die gelbe und die schwarze Rasse, lagen seit alters in Streit. Die Hereros, die auf ständige Vermehrung ihres Viehreichtums bedacht waren, wurden durch fortwährende Raubzüge der Hottentotten beunruhigt. Aber Jonkers Kriegszug mißglückte, und sein Reich wurde durch die Hereros zertrümmert. Seitdem sind die Nama immer mehr verarmt, sodaß sie sich durch Arbeit bei den Weißen ihr Brot suchen mußten. Ihr Land ist an sich arm, der Pflanzenwuchs infolge des regen- armen Klimas spärlich, und diejenigen Hottentotten, die selber noch Vieh halten, sind zu fortwährender Wanderung gezwungen, um neue Weideplätze und Tränken aufzusuchen. Durch künstliche Erschließung des Grundwassers und Anlegung von Brunnen könnten fleißige Siedler wohl ein besseres Weideland schaffen, aber damit ist bei der ausgesprochenen Trägheit der Hottentotten nicht zu rechnen. Seit sie aus reicheren Gebieten in ihre jetzigen armen Wohnsitze gedrängt sind, scheint ihre Trägheit noch gewachsen zu sein, sodaß sie durch Sammeltätigkeit, Bettelei, Jagd und Raub zumeist ihr Dasein fristen. Durch ihre Raubzüge hatten auch in neuerer Zeit besonders die Hereros zu leiden, und die Feindschaft zwischen beiden Völkern war zu Beginn der deutschen Herrschaft

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 70 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/74>, abgerufen am 01.05.2024.