Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

Verfolgung der Christen, die fast vierzig Jahre gedauert hat, war
zum Teil durch das unvorsichtige und zügellose Betragen der Jesuiten
verschuldet, die sich unklugerweise in die politischen Angelegen-
heiten des Landes gemischt hatten. In Japan war eine Revolution
ausgebrochen, die dem Mikado, der zugleich geistlicher und welt-
licher Herrscher war, die weltliche Macht ganz entriß und sie dem
Befehlshaber der Armee übertrug, sodaß von diesem Zeitpunkte an
zwei Herrscher, ein geistlicher und ein weltlicher, sich in die oberste
Gewalt teilten. Zu derselben Zeit wurden die Portugiesen durch
den Einfluß der Holländer vollständig aus Japan verdrängt und das
Land für fremde Völker gesperrt. Nur Holländern und Chinesen
war unter mancherlei Beschränkungen der Zugang zu einer kleinen
Insel gestattet. Die Holländer hatten sich diese Vergünstigung
durch Verrat am Christentum erkauft, denn unter ihren Geschützen
war die letzte christliche Niederlassung in Trümmer gesunken. In
der Mitte des vorigen Jahrhunderts erzwangen die Amerikaner die
Öffnung der Grenzen für die Fremden, und von diesem Zeitpunkte
an hat auch das Christentum wieder Eingang gefunden. Gleich-
zeitig wurde durch eine Revolution die Zweiherrschaft beseitigt
und die Mikadoregierung wieder hergestellt. Der Kaiser, der jetzt
alle Gewalt wieder vereinigt, trat aus der Abgeschiedenheit, zu der
man ihn gezwungen hatte, wieder heraus; der Verkehr mit dem
Auslande wurde gestattet und jedem freie Religionsübung zuge-
sichert. Der Kaiser verlegte 1869 seine Regierung nach Tokio,
empfing die Vertreter der fremden Mächte und richtete die Re-
gierung des Landes nach europäischem Muster ein. Von dem Zeit-
punkte der Aufklärung an zählen die Japaner ihre Jahre, stehen
also jetzt, 1913, im 45.



Verfolgung der Christen, die fast vierzig Jahre gedauert hat, war
zum Teil durch das unvorsichtige und zügellose Betragen der Jesuiten
verschuldet, die sich unklugerweise in die politischen Angelegen-
heiten des Landes gemischt hatten. In Japan war eine Revolution
ausgebrochen, die dem Mikado, der zugleich geistlicher und welt-
licher Herrscher war, die weltliche Macht ganz entriß und sie dem
Befehlshaber der Armee übertrug, sodaß von diesem Zeitpunkte an
zwei Herrscher, ein geistlicher und ein weltlicher, sich in die oberste
Gewalt teilten. Zu derselben Zeit wurden die Portugiesen durch
den Einfluß der Holländer vollständig aus Japan verdrängt und das
Land für fremde Völker gesperrt. Nur Holländern und Chinesen
war unter mancherlei Beschränkungen der Zugang zu einer kleinen
Insel gestattet. Die Holländer hatten sich diese Vergünstigung
durch Verrat am Christentum erkauft, denn unter ihren Geschützen
war die letzte christliche Niederlassung in Trümmer gesunken. In
der Mitte des vorigen Jahrhunderts erzwangen die Amerikaner die
Öffnung der Grenzen für die Fremden, und von diesem Zeitpunkte
an hat auch das Christentum wieder Eingang gefunden. Gleich-
zeitig wurde durch eine Revolution die Zweiherrschaft beseitigt
und die Mikadoregierung wieder hergestellt. Der Kaiser, der jetzt
alle Gewalt wieder vereinigt, trat aus der Abgeschiedenheit, zu der
man ihn gezwungen hatte, wieder heraus; der Verkehr mit dem
Auslande wurde gestattet und jedem freie Religionsübung zuge-
sichert. Der Kaiser verlegte 1869 seine Regierung nach Tokio,
empfing die Vertreter der fremden Mächte und richtete die Re-
gierung des Landes nach europäischem Muster ein. Von dem Zeit-
punkte der Aufklärung an zählen die Japaner ihre Jahre, stehen
also jetzt, 1913, im 45.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="&#x2014; 27 &#x2014;" corresp="http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN733267742/00000031"/>
Verfolgung der Christen, die fast vierzig Jahre gedauert hat, war<lb/>
zum Teil durch das unvorsichtige und zügellose Betragen der Jesuiten<lb/>
verschuldet, die sich unklugerweise in die politischen Angelegen-<lb/>
heiten des Landes gemischt hatten. In <placeName>Japan</placeName> war eine Revolution<lb/>
ausgebrochen, die dem Mikado, der zugleich geistlicher und welt-<lb/>
licher Herrscher war, die weltliche Macht ganz entriß und sie dem<lb/>
Befehlshaber der Armee übertrug, sodaß von diesem Zeitpunkte an<lb/>
zwei Herrscher, ein geistlicher und ein weltlicher, sich in die oberste<lb/>
Gewalt teilten. Zu derselben Zeit wurden die Portugiesen durch<lb/>
den Einfluß der Holländer vollständig aus <placeName>Japan</placeName> verdrängt und das<lb/>
Land für fremde Völker gesperrt. Nur Holländern und Chinesen<lb/>
war unter mancherlei Beschränkungen der Zugang zu einer kleinen<lb/>
Insel gestattet. Die Holländer hatten sich diese Vergünstigung<lb/>
durch Verrat am Christentum erkauft, denn unter ihren Geschützen<lb/>
war die letzte christliche Niederlassung in Trümmer gesunken. In<lb/>
der Mitte des vorigen Jahrhunderts erzwangen die Amerikaner die<lb/>
Öffnung der Grenzen für die Fremden, und von diesem Zeitpunkte<lb/>
an hat auch das Christentum wieder Eingang gefunden. Gleich-<lb/>
zeitig wurde durch eine Revolution die Zweiherrschaft beseitigt<lb/>
und die Mikadoregierung wieder hergestellt. Der Kaiser, der jetzt<lb/>
alle Gewalt wieder vereinigt, trat aus der Abgeschiedenheit, zu der<lb/>
man ihn gezwungen hatte, wieder heraus; der Verkehr mit dem<lb/>
Auslande wurde gestattet und jedem freie Religionsübung zuge-<lb/>
sichert. Der Kaiser verlegte 1869 seine Regierung nach <placeName>Tokio</placeName>,<lb/>
empfing die Vertreter der fremden Mächte und richtete die Re-<lb/>
gierung des Landes nach europäischem Muster ein. Von dem Zeit-<lb/>
punkte der Aufklärung an zählen die Japaner ihre Jahre, stehen<lb/>
also jetzt, 1913, im 45.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[— 27 —/0031] Verfolgung der Christen, die fast vierzig Jahre gedauert hat, war zum Teil durch das unvorsichtige und zügellose Betragen der Jesuiten verschuldet, die sich unklugerweise in die politischen Angelegen- heiten des Landes gemischt hatten. In Japan war eine Revolution ausgebrochen, die dem Mikado, der zugleich geistlicher und welt- licher Herrscher war, die weltliche Macht ganz entriß und sie dem Befehlshaber der Armee übertrug, sodaß von diesem Zeitpunkte an zwei Herrscher, ein geistlicher und ein weltlicher, sich in die oberste Gewalt teilten. Zu derselben Zeit wurden die Portugiesen durch den Einfluß der Holländer vollständig aus Japan verdrängt und das Land für fremde Völker gesperrt. Nur Holländern und Chinesen war unter mancherlei Beschränkungen der Zugang zu einer kleinen Insel gestattet. Die Holländer hatten sich diese Vergünstigung durch Verrat am Christentum erkauft, denn unter ihren Geschützen war die letzte christliche Niederlassung in Trümmer gesunken. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts erzwangen die Amerikaner die Öffnung der Grenzen für die Fremden, und von diesem Zeitpunkte an hat auch das Christentum wieder Eingang gefunden. Gleich- zeitig wurde durch eine Revolution die Zweiherrschaft beseitigt und die Mikadoregierung wieder hergestellt. Der Kaiser, der jetzt alle Gewalt wieder vereinigt, trat aus der Abgeschiedenheit, zu der man ihn gezwungen hatte, wieder heraus; der Verkehr mit dem Auslande wurde gestattet und jedem freie Religionsübung zuge- sichert. Der Kaiser verlegte 1869 seine Regierung nach Tokio, empfing die Vertreter der fremden Mächte und richtete die Re- gierung des Landes nach europäischem Muster ein. Von dem Zeit- punkte der Aufklärung an zählen die Japaner ihre Jahre, stehen also jetzt, 1913, im 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-07-21T13:10:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Maret Keller, Christian Wachter, Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-21T13:10:17Z)
CLARIN-D: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: ignoriert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/31
Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 27 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/31>, abgerufen am 03.12.2024.