Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

gibt es viel, aber keine Gänse. Einen ganz hervorragenden Platz
nimmt die Seidenzucht ein; und obschon sie auf die Insel Hondo be-
schränkt ist, liefern ihre Produkte allein die Hälfte des Ausfuhrwertes.

Die Heimat der japanischen Industrie ist China; aber die Japaner
haben ihre Lehrer überflügelt und leisten auf allen Gebieten des Ge-
werbes Hervorragendes. Die Verarbeitung einheimischer und impor-
tierter Rohprodukte steigert sich von Jahr zu Jahr und macht es der
europäischen Einfuhr immer schwerer, mit der einheimischen Industrie
erfolgreich zu konkurrieren. Ganz besonders sind es Lackierkunst,
Porzellanfabrikation, Bronzeindustrie und Waffenschmiedekunst, in
denen sich japanische Kunstfertigkeit und japanischer Kunstsinn zu
erkennen geben; aber auch in der Textilindustrie, der Papier- und
Lederwarenfabrikation, kurz auf allen Gebieten der Manufaktur
haben die Japaner derartige Fortschritte gemacht, daß ihre Industrie
vielfach bereits die europäische beeinflußt.

Das Verkehrswesen ist in Japan ähnlich wie in China. Gute,
zum Teil gepflasterte Straßen führen seit langem in allen Teilen des
Reiches geradlinig fort, und zu ihnen sind in neuerer Zeit, nament-
lich in den mit Bergschätzen gesegneten Provinzen des Landes, Eisen-
bahnen gekommen. Das Verkehrstreiben hat einen durchaus anderen
Charakter als bei uns. In Japan fällt dem Beobachter vor allem
der Mangel an Reitern auf, dagegen gewahrt man mehr Fußläufer
und vielmehr Last- als Zugpferde. Größere Lasten trägt man wie
in China an Bambusstäben, die auf den Schultern zweier hinter-
einander herschreitender Träger ruhen. Zahlreich sind die von
Menschen gezogenen Karren, besonders aber die kleinen, hohen,
zweirädrigen Wagen, die noch gar nicht solange in Aufnahme ge-
kommen sind, aber schnelle Verbreitung, teilweise auch bei uns,
gefunden haben. Sie heißen Kuruma, haben eine Gabeldeichsel mit
Querholz, einen sesselförmigen Kasten und ein Schutzdach aus Öl-
papier. Ihre Ausstattung ist meist sehr elegant, und die japanische
Industrie leistet in der Fabrikation dieser Fuhrwerke ganz Hervor-
ragendes. Die Kuruma vertreten gleichsam unsere Droschken, und
die Regierung hat eine eigene Taxe für dieselben mit Berück-
sichtigung der Lasten und Entfernungen festgesetzt. Auf ebenem
Boden befördert ein guter Läufer den Wagen mit seinen Insassen
täglich 65 km weit; und auch Europäer benutzen diese Beförderungs-
mittel, da ihnen andere nicht zur Verfügung stehen.

Die Religion der Japaner ist keine einheitliche. Die ursprüng-

gibt es viel, aber keine Gänse. Einen ganz hervorragenden Platz
nimmt die Seidenzucht ein; und obschon sie auf die Insel Hondo be-
schränkt ist, liefern ihre Produkte allein die Hälfte des Ausfuhrwertes.

Die Heimat der japanischen Industrie ist China; aber die Japaner
haben ihre Lehrer überflügelt und leisten auf allen Gebieten des Ge-
werbes Hervorragendes. Die Verarbeitung einheimischer und impor-
tierter Rohprodukte steigert sich von Jahr zu Jahr und macht es der
europäischen Einfuhr immer schwerer, mit der einheimischen Industrie
erfolgreich zu konkurrieren. Ganz besonders sind es Lackierkunst,
Porzellanfabrikation, Bronzeindustrie und Waffenschmiedekunst, in
denen sich japanische Kunstfertigkeit und japanischer Kunstsinn zu
erkennen geben; aber auch in der Textilindustrie, der Papier- und
Lederwarenfabrikation, kurz auf allen Gebieten der Manufaktur
haben die Japaner derartige Fortschritte gemacht, daß ihre Industrie
vielfach bereits die europäische beeinflußt.

Das Verkehrswesen ist in Japan ähnlich wie in China. Gute,
zum Teil gepflasterte Straßen führen seit langem in allen Teilen des
Reiches geradlinig fort, und zu ihnen sind in neuerer Zeit, nament-
lich in den mit Bergschätzen gesegneten Provinzen des Landes, Eisen-
bahnen gekommen. Das Verkehrstreiben hat einen durchaus anderen
Charakter als bei uns. In Japan fällt dem Beobachter vor allem
der Mangel an Reitern auf, dagegen gewahrt man mehr Fußläufer
und vielmehr Last- als Zugpferde. Größere Lasten trägt man wie
in China an Bambusstäben, die auf den Schultern zweier hinter-
einander herschreitender Träger ruhen. Zahlreich sind die von
Menschen gezogenen Karren, besonders aber die kleinen, hohen,
zweirädrigen Wagen, die noch gar nicht solange in Aufnahme ge-
kommen sind, aber schnelle Verbreitung, teilweise auch bei uns,
gefunden haben. Sie heißen Kuruma, haben eine Gabeldeichsel mit
Querholz, einen sesselförmigen Kasten und ein Schutzdach aus Öl-
papier. Ihre Ausstattung ist meist sehr elegant, und die japanische
Industrie leistet in der Fabrikation dieser Fuhrwerke ganz Hervor-
ragendes. Die Kuruma vertreten gleichsam unsere Droschken, und
die Regierung hat eine eigene Taxe für dieselben mit Berück-
sichtigung der Lasten und Entfernungen festgesetzt. Auf ebenem
Boden befördert ein guter Läufer den Wagen mit seinen Insassen
täglich 65 km weit; und auch Europäer benutzen diese Beförderungs-
mittel, da ihnen andere nicht zur Verfügung stehen.

Die Religion der Japaner ist keine einheitliche. Die ursprüng-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" corresp="http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN733267742/00000029" n="&#x2014; 25 &#x2014;"/>
gibt es viel, aber keine Gänse. Einen ganz hervorragenden Platz<lb/>
nimmt die Seidenzucht ein; und obschon sie auf die Insel <placeName>Hondo</placeName> be-<lb/>
schränkt ist, liefern ihre Produkte allein die Hälfte des Ausfuhrwertes.</p><lb/>
        <p>Die Heimat der japanischen Industrie ist <placeName>China</placeName>; aber die Japaner<lb/>
haben ihre Lehrer überflügelt und leisten auf allen Gebieten des Ge-<lb/>
werbes Hervorragendes. Die Verarbeitung einheimischer und impor-<lb/>
tierter Rohprodukte steigert sich von Jahr zu Jahr und macht es der<lb/>
europäischen Einfuhr immer schwerer, mit der einheimischen Industrie<lb/>
erfolgreich zu konkurrieren. Ganz besonders sind es Lackierkunst,<lb/>
Porzellanfabrikation, Bronzeindustrie und Waffenschmiedekunst, in<lb/>
denen sich japanische Kunstfertigkeit und japanischer Kunstsinn zu<lb/>
erkennen geben; aber auch in der Textilindustrie, der Papier- und<lb/>
Lederwarenfabrikation, kurz auf allen Gebieten der Manufaktur<lb/>
haben die Japaner derartige Fortschritte gemacht, daß ihre Industrie<lb/>
vielfach bereits die europäische beeinflußt.</p><lb/>
        <p>Das Verkehrswesen ist in <placeName>Japan</placeName> ähnlich wie in <placeName>China</placeName>. Gute,<lb/><choice><orig>zumteil</orig><reg>zum Teil</reg></choice> gepflasterte Straßen führen seit langem in allen Teilen des<lb/><placeName>Reich</placeName>es geradlinig fort, und zu ihnen sind in neuerer Zeit, nament-<lb/>
lich in den mit Bergschätzen gesegneten Provinzen des Landes, Eisen-<lb/>
bahnen gekommen. Das Verkehrstreiben hat einen durchaus anderen<lb/>
Charakter als bei uns. In <placeName>Japan</placeName> fällt dem Beobachter vor allem<lb/>
der Mangel an Reitern auf, dagegen gewahrt man mehr Fußläufer<lb/>
und vielmehr Last- als Zugpferde. Größere Lasten trägt man wie<lb/>
in <placeName>China</placeName> an Bambusstäben, die auf den Schultern zweier hinter-<lb/>
einander herschreitender Träger ruhen. Zahlreich sind die von<lb/>
Menschen gezogenen Karren, besonders aber die kleinen, hohen,<lb/>
zweirädrigen Wagen, die noch gar nicht solange in Aufnahme ge-<lb/>
kommen sind, aber schnelle Verbreitung, teilweise auch bei uns,<lb/>
gefunden haben. Sie heißen Kuruma, haben eine Gabeldeichsel mit<lb/>
Querholz, einen sesselförmigen Kasten und ein Schutzdach aus Öl-<lb/>
papier. Ihre Ausstattung ist meist sehr elegant, und die japanische<lb/>
Industrie leistet in der Fabrikation dieser Fuhrwerke ganz Hervor-<lb/>
ragendes. Die Kuruma vertreten gleichsam unsere Droschken, und<lb/>
die <orgName>Regierung</orgName> hat eine eigene Taxe für dieselben mit Berück-<lb/>
sichtigung der Lasten und Entfernungen festgesetzt. Auf ebenem<lb/>
Boden befördert ein guter Läufer den Wagen mit seinen Insassen<lb/>
täglich 65 km weit; und auch Europäer benutzen diese Beförderungs-<lb/>
mittel, da ihnen andere nicht zur Verfügung stehen.</p><lb/>
        <p>Die Religion der Japaner ist keine einheitliche. Die ursprüng-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[— 25 —/0029] gibt es viel, aber keine Gänse. Einen ganz hervorragenden Platz nimmt die Seidenzucht ein; und obschon sie auf die Insel Hondo be- schränkt ist, liefern ihre Produkte allein die Hälfte des Ausfuhrwertes. Die Heimat der japanischen Industrie ist China; aber die Japaner haben ihre Lehrer überflügelt und leisten auf allen Gebieten des Ge- werbes Hervorragendes. Die Verarbeitung einheimischer und impor- tierter Rohprodukte steigert sich von Jahr zu Jahr und macht es der europäischen Einfuhr immer schwerer, mit der einheimischen Industrie erfolgreich zu konkurrieren. Ganz besonders sind es Lackierkunst, Porzellanfabrikation, Bronzeindustrie und Waffenschmiedekunst, in denen sich japanische Kunstfertigkeit und japanischer Kunstsinn zu erkennen geben; aber auch in der Textilindustrie, der Papier- und Lederwarenfabrikation, kurz auf allen Gebieten der Manufaktur haben die Japaner derartige Fortschritte gemacht, daß ihre Industrie vielfach bereits die europäische beeinflußt. Das Verkehrswesen ist in Japan ähnlich wie in China. Gute, zumteil gepflasterte Straßen führen seit langem in allen Teilen des Reiches geradlinig fort, und zu ihnen sind in neuerer Zeit, nament- lich in den mit Bergschätzen gesegneten Provinzen des Landes, Eisen- bahnen gekommen. Das Verkehrstreiben hat einen durchaus anderen Charakter als bei uns. In Japan fällt dem Beobachter vor allem der Mangel an Reitern auf, dagegen gewahrt man mehr Fußläufer und vielmehr Last- als Zugpferde. Größere Lasten trägt man wie in China an Bambusstäben, die auf den Schultern zweier hinter- einander herschreitender Träger ruhen. Zahlreich sind die von Menschen gezogenen Karren, besonders aber die kleinen, hohen, zweirädrigen Wagen, die noch gar nicht solange in Aufnahme ge- kommen sind, aber schnelle Verbreitung, teilweise auch bei uns, gefunden haben. Sie heißen Kuruma, haben eine Gabeldeichsel mit Querholz, einen sesselförmigen Kasten und ein Schutzdach aus Öl- papier. Ihre Ausstattung ist meist sehr elegant, und die japanische Industrie leistet in der Fabrikation dieser Fuhrwerke ganz Hervor- ragendes. Die Kuruma vertreten gleichsam unsere Droschken, und die Regierung hat eine eigene Taxe für dieselben mit Berück- sichtigung der Lasten und Entfernungen festgesetzt. Auf ebenem Boden befördert ein guter Läufer den Wagen mit seinen Insassen täglich 65 km weit; und auch Europäer benutzen diese Beförderungs- mittel, da ihnen andere nicht zur Verfügung stehen. Die Religion der Japaner ist keine einheitliche. Die ursprüng-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-07-21T13:10:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Maret Keller, Christian Wachter, Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-21T13:10:17Z)
CLARIN-D: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: ignoriert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/29
Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 25 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/29>, abgerufen am 24.11.2024.