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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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haupt kostbaren Stoffen; Frauen tragen fast ausnahmslos lange,
schleppende Kleidungsstücke mit weiten Ärmeln. Die Grundform ist
bei beiden Geschlechtern ein langer, kaftanähnlicher, vorn offener
Rock, der bei den Männern durch einen einfachen Gürtel, bei den
Frauen durch ein breites, kunstvoll gewebtes, auf dem Rücken
schmetterlingsflügelartig geknüpftes Band zusammengehalten wird.
Anliegende Beinkleider und Strümpfe werden von Männern nur
während der rauhen Jahreszeit oder zum Schutz gegen Insekten
getragen. In den Städten kommt unter der vornehmen Bevölkerung
die europäische Mode immer mehr in Aufnahme; stets aber zeichnet
sich die Kleidung durch Sauberkeit aus, wie denn der Japaner sich
von seinem westlichen Nachbar, dem Chinesen, durch Reinlichkeit
vorteilhaft unterscheidet. Als Fußbekleidung dienen, wo es trocken
ist, Strohschuhe, die beim Betreten des Zimmers abgelegt werden;
im andern Falle benutzt man hohe, mit Füßen versehene Holz-
sandalen, die unschön sind und auf denen nur mühsam wie auf
Stelzen gegangen werden kann. Holz- oder Strohsandalen werden
mit einer Schnur befestigt, die zwischen der großen und zweiten
Zehe durchgezogen wird, weshalb an den Strümpfen die große Zehe
abgesondert ist. Die Männer scheren den Vorderkopf bis gegen
den Scheitel hin; das stehengebliebene Haar wird, mit Pomade ein-
gerieben, nach vorn gekämmt. Beim einfachen Arbeiter vertritt
eine Binde aus Baumwollstoff den Hut; auf Reisen schützen sich
die Japaner durch Weiden- oder Bambushüte, die umgestülpten
Körben nicht unähnlich sind, vor Sonne und Regen. Die Frauen
tragen das lange Haar in einem Knoten, der mit Nadeln auf dem
Kopf befestigt wird. Sie schminken Gesicht und Hals weiß, Mäd-
chen färben die Lippen rot und die Zähne schwarz. Letzteres ge-
schieht am Tage der Verlobung oder Vermählung, spätestens aber
mit dem zwanzigsten Jahre.

Unter den Nahrungsmitteln nimmt der Reis, der von arm und
reich täglich in den verschiedensten Formen genossen wird, den
ersten Platz ein. Daneben sind als Nutzgewächse Weizen, Gerste,
Mais und Buchweizen zu nennen, sowie mehrere Bohnenarten, Yams,
Kartoffeln und Rettig, für den die Japaner eine besondere Vorliebe
zeigen. Im Gegensatz zu dem Chinesen ist der Japaner mäßig und
anspruchslos; die animalische Kost tritt gegen die vegetabilische
stark zurück. Geflügel kommt nur auf die Tafel der Reichen, und
das Fleisch der Zuchttiere, des Rindes und Schafes, wird überhaupt

haupt kostbaren Stoffen; Frauen tragen fast ausnahmslos lange,
schleppende Kleidungsstücke mit weiten Ärmeln. Die Grundform ist
bei beiden Geschlechtern ein langer, kaftanähnlicher, vorn offener
Rock, der bei den Männern durch einen einfachen Gürtel, bei den
Frauen durch ein breites, kunstvoll gewebtes, auf dem Rücken
schmetterlingsflügelartig geknüpftes Band zusammengehalten wird.
Anliegende Beinkleider und Strümpfe werden von Männern nur
während der rauhen Jahreszeit oder zum Schutz gegen Insekten
getragen. In den Städten kommt unter der vornehmen Bevölkerung
die europäische Mode immer mehr in Aufnahme; stets aber zeichnet
sich die Kleidung durch Sauberkeit aus, wie denn der Japaner sich
von seinem westlichen Nachbar, dem Chinesen, durch Reinlichkeit
vorteilhaft unterscheidet. Als Fußbekleidung dienen, wo es trocken
ist, Strohschuhe, die beim Betreten des Zimmers abgelegt werden;
im andern Falle benutzt man hohe, mit Füßen versehene Holz-
sandalen, die unschön sind und auf denen nur mühsam wie auf
Stelzen gegangen werden kann. Holz- oder Strohsandalen werden
mit einer Schnur befestigt, die zwischen der großen und zweiten
Zehe durchgezogen wird, weshalb an den Strümpfen die große Zehe
abgesondert ist. Die Männer scheren den Vorderkopf bis gegen
den Scheitel hin; das stehengebliebene Haar wird, mit Pomade ein-
gerieben, nach vorn gekämmt. Beim einfachen Arbeiter vertritt
eine Binde aus Baumwollstoff den Hut; auf Reisen schützen sich
die Japaner durch Weiden- oder Bambushüte, die umgestülpten
Körben nicht unähnlich sind, vor Sonne und Regen. Die Frauen
tragen das lange Haar in einem Knoten, der mit Nadeln auf dem
Kopf befestigt wird. Sie schminken Gesicht und Hals weiß, Mäd-
chen färben die Lippen rot und die Zähne schwarz. Letzteres ge-
schieht am Tage der Verlobung oder Vermählung, spätestens aber
mit dem zwanzigsten Jahre.

Unter den Nahrungsmitteln nimmt der Reis, der von arm und
reich täglich in den verschiedensten Formen genossen wird, den
ersten Platz ein. Daneben sind als Nutzgewächse Weizen, Gerste,
Mais und Buchweizen zu nennen, sowie mehrere Bohnenarten, Yams,
Kartoffeln und Rettig, für den die Japaner eine besondere Vorliebe
zeigen. Im Gegensatz zu dem Chinesen ist der Japaner mäßig und
anspruchslos; die animalische Kost tritt gegen die vegetabilische
stark zurück. Geflügel kommt nur auf die Tafel der Reichen, und
das Fleisch der Zuchttiere, des Rindes und Schafes, wird überhaupt

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 20 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/24>, abgerufen am 24.11.2024.