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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Freyheit.
bestimmen zu einer Aktion, kann von der Aktion
selbst
unterschieden werden, zu der wir uns bestimmen.
Dennoch ist auch die Selbstbestimmung, als eine will-
kührliche Anwendung unserer Kraft eine Selbstthä-
tigkeit.

Zuvörderst wiederhole ich die Erinnerung, daß ich
hier die immaterielle Seele, das eigentliche Jch, von
ihrem innern unzertrennlichen Organ noch nicht unter-
scheide. Die Empfindungen, die Vorstellungen, das
Wollen, das Thun ist in der Seele. Diese ist das
leidende und wirkende Subjekt, welches empfindet, den-
ket, will, thätig ist. So weit unser inneres Selbst-
gefühl uns Begriffe von diesen Modifikationen giebet,
so weit gehören sie zu den Veränderungen des Seelen-
wesens in dem Menschen.

Dieß Wesen ist nach der Aussage aller Erfahrun-
gen nicht so natürlich selbstthätig, daß es in dem Zu-
stande einer regen und beobachtbaren Wirksam-
keit
sich befinden kann, ohne von dem Einflusse äuße-
rer Dinge gereizet und unterstützt zu seyn. Jm
tiefsten Schlafe, in der Ohnmacht, was wirkt die Seele
dann? Sie mag wirken, sich bestreben, etwas hervor-
bringen; niemals ein bloßes oder todtes Vermögen
seyn; so ist doch so viel entschieden, daß sie nichts wirke,
dessen wir uns nachher erinnern können. Jst sie in die-
sem Zustande thätig, bestimmt sie sich, handelt sie, so
liegen diese ihre Aeußerungen nicht in dem Umfange
dessen, was wir beobachten, und über die unser Selbst-
gefühl uns sagen könne, ob es Selbstthätigkeiten oder
Leidenheiten sind? Wir bedürfen klarer Empfin-
dungen
von außen, um wachend zu seyn; und von
den Handlungen des wachenden Menschen ist hier
nur die Rede. Wenn wir auch zuweilen willkührlich
im Traum handeln, so kommen diese Aktionen hier we-
niger in Betracht; wie auch alsdenn die Selbstwirk-

samkeit
E 2

und Freyheit.
beſtimmen zu einer Aktion, kann von der Aktion
ſelbſt
unterſchieden werden, zu der wir uns beſtimmen.
Dennoch iſt auch die Selbſtbeſtimmung, als eine will-
kuͤhrliche Anwendung unſerer Kraft eine Selbſtthaͤ-
tigkeit.

Zuvoͤrderſt wiederhole ich die Erinnerung, daß ich
hier die immaterielle Seele, das eigentliche Jch, von
ihrem innern unzertrennlichen Organ noch nicht unter-
ſcheide. Die Empfindungen, die Vorſtellungen, das
Wollen, das Thun iſt in der Seele. Dieſe iſt das
leidende und wirkende Subjekt, welches empfindet, den-
ket, will, thaͤtig iſt. So weit unſer inneres Selbſt-
gefuͤhl uns Begriffe von dieſen Modifikationen giebet,
ſo weit gehoͤren ſie zu den Veraͤnderungen des Seelen-
weſens in dem Menſchen.

Dieß Weſen iſt nach der Ausſage aller Erfahrun-
gen nicht ſo natuͤrlich ſelbſtthaͤtig, daß es in dem Zu-
ſtande einer regen und beobachtbaren Wirkſam-
keit
ſich befinden kann, ohne von dem Einfluſſe aͤuße-
rer Dinge gereizet und unterſtuͤtzt zu ſeyn. Jm
tiefſten Schlafe, in der Ohnmacht, was wirkt die Seele
dann? Sie mag wirken, ſich beſtreben, etwas hervor-
bringen; niemals ein bloßes oder todtes Vermoͤgen
ſeyn; ſo iſt doch ſo viel entſchieden, daß ſie nichts wirke,
deſſen wir uns nachher erinnern koͤnnen. Jſt ſie in die-
ſem Zuſtande thaͤtig, beſtimmt ſie ſich, handelt ſie, ſo
liegen dieſe ihre Aeußerungen nicht in dem Umfange
deſſen, was wir beobachten, und uͤber die unſer Selbſt-
gefuͤhl uns ſagen koͤnne, ob es Selbſtthaͤtigkeiten oder
Leidenheiten ſind? Wir beduͤrfen klarer Empfin-
dungen
von außen, um wachend zu ſeyn; und von
den Handlungen des wachenden Menſchen iſt hier
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niger in Betracht; wie auch alsdenn die Selbſtwirk-

ſamkeit
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[67/0097] und Freyheit. beſtimmen zu einer Aktion, kann von der Aktion ſelbſt unterſchieden werden, zu der wir uns beſtimmen. Dennoch iſt auch die Selbſtbeſtimmung, als eine will- kuͤhrliche Anwendung unſerer Kraft eine Selbſtthaͤ- tigkeit. Zuvoͤrderſt wiederhole ich die Erinnerung, daß ich hier die immaterielle Seele, das eigentliche Jch, von ihrem innern unzertrennlichen Organ noch nicht unter- ſcheide. Die Empfindungen, die Vorſtellungen, das Wollen, das Thun iſt in der Seele. Dieſe iſt das leidende und wirkende Subjekt, welches empfindet, den- ket, will, thaͤtig iſt. So weit unſer inneres Selbſt- gefuͤhl uns Begriffe von dieſen Modifikationen giebet, ſo weit gehoͤren ſie zu den Veraͤnderungen des Seelen- weſens in dem Menſchen. Dieß Weſen iſt nach der Ausſage aller Erfahrun- gen nicht ſo natuͤrlich ſelbſtthaͤtig, daß es in dem Zu- ſtande einer regen und beobachtbaren Wirkſam- keit ſich befinden kann, ohne von dem Einfluſſe aͤuße- rer Dinge gereizet und unterſtuͤtzt zu ſeyn. Jm tiefſten Schlafe, in der Ohnmacht, was wirkt die Seele dann? Sie mag wirken, ſich beſtreben, etwas hervor- bringen; niemals ein bloßes oder todtes Vermoͤgen ſeyn; ſo iſt doch ſo viel entſchieden, daß ſie nichts wirke, deſſen wir uns nachher erinnern koͤnnen. Jſt ſie in die- ſem Zuſtande thaͤtig, beſtimmt ſie ſich, handelt ſie, ſo liegen dieſe ihre Aeußerungen nicht in dem Umfange deſſen, was wir beobachten, und uͤber die unſer Selbſt- gefuͤhl uns ſagen koͤnne, ob es Selbſtthaͤtigkeiten oder Leidenheiten ſind? Wir beduͤrfen klarer Empfin- dungen von außen, um wachend zu ſeyn; und von den Handlungen des wachenden Menſchen iſt hier nur die Rede. Wenn wir auch zuweilen willkuͤhrlich im Traum handeln, ſo kommen dieſe Aktionen hier we- niger in Betracht; wie auch alsdenn die Selbſtwirk- ſamkeit E 2

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/97>, abgerufen am 22.11.2024.