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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Entwickelung des Menschen.
nen selbst innigst vereiniget, so daß die Thätigkeit von
dem Gefühle derselben unzertrennlich ist. Die Nach-
empfindung fällt bald weg, wenn die Thätigkeit selbst
auf höret.

Was ferner den Genuß vergangener Thätigkeiten
in der Wiedervorstellung betrifft, so ist solcher al-
lerdings oft größer, als das Vergnügen während der
Aktion selbst war, weil diese Vorstellung die vorherigen
Empfindungen, mehr vereiniget und reiner von den be-
gleitenden unangenehmen Empfindnissen abgesondert,
obgleich jede derselben einzeln genommen nur im schwä-
chern Grade, enthält, auch einige neue angenehme zu
ihnen hinzusetzet. *) Daher würde eine ununterbro-
chen
fortgesetzte Thätigkeit, die keine Ruhepunkte ver-
stattete, in denen der Mensch auf das Verrichtete zu-
rücksehen könnte, den Genuß von ihr schwächen und ver-
drängen können. Allein man wird doch finden, daß nur
alsdenn der gesammte Genuß an Umfang, an Stärke
und Dauerhaftigkeit am größten sey, wenn jene Ruhe-
punkte da vorkommen, wo sie den wirksamen Kräften
am angemessensten sind, und wo diese durch sie eben am
meisten gestärket werden. Das Kind, welches gehen
lernet, mag, wenn es zwey oder drey Schritte gethan
hat, still stehen, und lächelnd sich umsehen, wie weit es
gekommen sey; dann wieder ein paar Schritte thun, und
sich von neuem umsehen und freuen. Für den starken
und muntern Mann hingegen ist dieß nicht. Dieser legt
seinen langen Weg zurück, und dann erneuert er allen-
falls die Vorstellung des Ganzen auf einmal. Sollte in
der Vorstellung des letztern, die völliger und stärker ist,
und in seinen Nachempfindungen von den einzelnen Thei-
len während der Aktion zusammen nicht mehr Genuß
enthalten seyn, als in den zertheilten und schwächern

Em-
*) Zweeter Versuch VII.
II Theil. E e e

und Entwickelung des Menſchen.
nen ſelbſt innigſt vereiniget, ſo daß die Thaͤtigkeit von
dem Gefuͤhle derſelben unzertrennlich iſt. Die Nach-
empfindung faͤllt bald weg, wenn die Thaͤtigkeit ſelbſt
auf hoͤret.

Was ferner den Genuß vergangener Thaͤtigkeiten
in der Wiedervorſtellung betrifft, ſo iſt ſolcher al-
lerdings oft groͤßer, als das Vergnuͤgen waͤhrend der
Aktion ſelbſt war, weil dieſe Vorſtellung die vorherigen
Empfindungen, mehr vereiniget und reiner von den be-
gleitenden unangenehmen Empfindniſſen abgeſondert,
obgleich jede derſelben einzeln genommen nur im ſchwaͤ-
chern Grade, enthaͤlt, auch einige neue angenehme zu
ihnen hinzuſetzet. *) Daher wuͤrde eine ununterbro-
chen
fortgeſetzte Thaͤtigkeit, die keine Ruhepunkte ver-
ſtattete, in denen der Menſch auf das Verrichtete zu-
ruͤckſehen koͤnnte, den Genuß von ihr ſchwaͤchen und ver-
draͤngen koͤnnen. Allein man wird doch finden, daß nur
alsdenn der geſammte Genuß an Umfang, an Staͤrke
und Dauerhaftigkeit am groͤßten ſey, wenn jene Ruhe-
punkte da vorkommen, wo ſie den wirkſamen Kraͤften
am angemeſſenſten ſind, und wo dieſe durch ſie eben am
meiſten geſtaͤrket werden. Das Kind, welches gehen
lernet, mag, wenn es zwey oder drey Schritte gethan
hat, ſtill ſtehen, und laͤchelnd ſich umſehen, wie weit es
gekommen ſey; dann wieder ein paar Schritte thun, und
ſich von neuem umſehen und freuen. Fuͤr den ſtarken
und muntern Mann hingegen iſt dieß nicht. Dieſer legt
ſeinen langen Weg zuruͤck, und dann erneuert er allen-
falls die Vorſtellung des Ganzen auf einmal. Sollte in
der Vorſtellung des letztern, die voͤlliger und ſtaͤrker iſt,
und in ſeinen Nachempfindungen von den einzelnen Thei-
len waͤhrend der Aktion zuſammen nicht mehr Genuß
enthalten ſeyn, als in den zertheilten und ſchwaͤchern

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*) Zweeter Verſuch VII.
II Theil. E e e
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[801/0831] und Entwickelung des Menſchen. nen ſelbſt innigſt vereiniget, ſo daß die Thaͤtigkeit von dem Gefuͤhle derſelben unzertrennlich iſt. Die Nach- empfindung faͤllt bald weg, wenn die Thaͤtigkeit ſelbſt auf hoͤret. Was ferner den Genuß vergangener Thaͤtigkeiten in der Wiedervorſtellung betrifft, ſo iſt ſolcher al- lerdings oft groͤßer, als das Vergnuͤgen waͤhrend der Aktion ſelbſt war, weil dieſe Vorſtellung die vorherigen Empfindungen, mehr vereiniget und reiner von den be- gleitenden unangenehmen Empfindniſſen abgeſondert, obgleich jede derſelben einzeln genommen nur im ſchwaͤ- chern Grade, enthaͤlt, auch einige neue angenehme zu ihnen hinzuſetzet. *) Daher wuͤrde eine ununterbro- chen fortgeſetzte Thaͤtigkeit, die keine Ruhepunkte ver- ſtattete, in denen der Menſch auf das Verrichtete zu- ruͤckſehen koͤnnte, den Genuß von ihr ſchwaͤchen und ver- draͤngen koͤnnen. Allein man wird doch finden, daß nur alsdenn der geſammte Genuß an Umfang, an Staͤrke und Dauerhaftigkeit am groͤßten ſey, wenn jene Ruhe- punkte da vorkommen, wo ſie den wirkſamen Kraͤften am angemeſſenſten ſind, und wo dieſe durch ſie eben am meiſten geſtaͤrket werden. Das Kind, welches gehen lernet, mag, wenn es zwey oder drey Schritte gethan hat, ſtill ſtehen, und laͤchelnd ſich umſehen, wie weit es gekommen ſey; dann wieder ein paar Schritte thun, und ſich von neuem umſehen und freuen. Fuͤr den ſtarken und muntern Mann hingegen iſt dieß nicht. Dieſer legt ſeinen langen Weg zuruͤck, und dann erneuert er allen- falls die Vorſtellung des Ganzen auf einmal. Sollte in der Vorſtellung des letztern, die voͤlliger und ſtaͤrker iſt, und in ſeinen Nachempfindungen von den einzelnen Thei- len waͤhrend der Aktion zuſammen nicht mehr Genuß enthalten ſeyn, als in den zertheilten und ſchwaͤchern Em- *) Zweeter Verſuch VII. II Theil. E e e

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 801. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/831>, abgerufen am 24.11.2024.