Unwerth beruhen lassen, nur lediglich der Beobachtung nachgehen, und am Ende es darauf ankommen lassen wolle, ob die Jdee von der Freyheit, welche man in der Experimentalphysik der Seele aus Beobachtungen erhält, durch die metaphysischen Theorien aus Ver- nunftsätzen auch etwas umgeformt werden müsse, als welches an sich ja nicht unmöglich ist, noch befremdend seyn würde, da wir in andern Wissenschaften von wirk- lichen Dingen, z. B. in der Astronomie, ähnliche Bey- spiele haben; wenn, sage ich, dieß erklärt wird, so deucht mich, ich könne als Philosoph vom Philosophen fodern, daß man mich aushören, und nicht zu voreilig durch die Abstraktion von der Freyheit sich an der rich- tigen Beobachtung ihrer Aeußerungen stören lasse.
Jn den mathematischen Wissenschaften kann man seine Meinung mit wenig Worten sagen, ohne befürch- ten zu dürfen, von denen mißverstanden zu werden, von denen man richtig verstanden werden will. Jn der Philosophie ist es so weit noch nicht, es mag nun die Unbestimmtheit der Begriffe, oder die Unvollkommen- heit des Ausdrucks, Schuld daran seyn. Um also den Mißdeutungen über das, was ich hier unter dem zu- reichenden Grunde verstehe, den jede unserer freyen Handlungen hat, vorzubeugen, will ich einen wirkli- chen Versuch anführen, den ich mehrmals beständig mit einerley Erfolg angestellet habe. Daraus wird man sehen, was ich hier unter zureichendem Grund ver- stehe. Jch mag ihn nicht so gern den völlig bestim- menden Grund nennen, weil der aktive Ausdruck be- stunmend eine Nebenidee von einer Aktion des Grun- des ausdrücket, die nicht allemal vorhanden ist. Sonst ist an einem Worte für sich nichts gelegen.
Jch setze mir vor, meine rechte Hand auf das eine oder auf das andere Ende eines Buchs, welches vor mir liegt, niederzulegen. Jch stelle mich so gegen das
Buch,
und Freyheit.
Unwerth beruhen laſſen, nur lediglich der Beobachtung nachgehen, und am Ende es darauf ankommen laſſen wolle, ob die Jdee von der Freyheit, welche man in der Experimentalphyſik der Seele aus Beobachtungen erhaͤlt, durch die metaphyſiſchen Theorien aus Ver- nunftſaͤtzen auch etwas umgeformt werden muͤſſe, als welches an ſich ja nicht unmoͤglich iſt, noch befremdend ſeyn wuͤrde, da wir in andern Wiſſenſchaften von wirk- lichen Dingen, z. B. in der Aſtronomie, aͤhnliche Bey- ſpiele haben; wenn, ſage ich, dieß erklaͤrt wird, ſo deucht mich, ich koͤnne als Philoſoph vom Philoſophen fodern, daß man mich aushoͤren, und nicht zu voreilig durch die Abſtraktion von der Freyheit ſich an der rich- tigen Beobachtung ihrer Aeußerungen ſtoͤren laſſe.
Jn den mathematiſchen Wiſſenſchaften kann man ſeine Meinung mit wenig Worten ſagen, ohne befuͤrch- ten zu duͤrfen, von denen mißverſtanden zu werden, von denen man richtig verſtanden werden will. Jn der Philoſophie iſt es ſo weit noch nicht, es mag nun die Unbeſtimmtheit der Begriffe, oder die Unvollkommen- heit des Ausdrucks, Schuld daran ſeyn. Um alſo den Mißdeutungen uͤber das, was ich hier unter dem zu- reichenden Grunde verſtehe, den jede unſerer freyen Handlungen hat, vorzubeugen, will ich einen wirkli- chen Verſuch anfuͤhren, den ich mehrmals beſtaͤndig mit einerley Erfolg angeſtellet habe. Daraus wird man ſehen, was ich hier unter zureichendem Grund ver- ſtehe. Jch mag ihn nicht ſo gern den voͤllig beſtim- menden Grund nennen, weil der aktive Ausdruck be- ſtunmend eine Nebenidee von einer Aktion des Grun- des ausdruͤcket, die nicht allemal vorhanden iſt. Sonſt iſt an einem Worte fuͤr ſich nichts gelegen.
Jch ſetze mir vor, meine rechte Hand auf das eine oder auf das andere Ende eines Buchs, welches vor mir liegt, niederzulegen. Jch ſtelle mich ſo gegen das
Buch,
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[43/0073]
und Freyheit.
Unwerth beruhen laſſen, nur lediglich der Beobachtung
nachgehen, und am Ende es darauf ankommen laſſen
wolle, ob die Jdee von der Freyheit, welche man in
der Experimentalphyſik der Seele aus Beobachtungen
erhaͤlt, durch die metaphyſiſchen Theorien aus Ver-
nunftſaͤtzen auch etwas umgeformt werden muͤſſe, als
welches an ſich ja nicht unmoͤglich iſt, noch befremdend
ſeyn wuͤrde, da wir in andern Wiſſenſchaften von wirk-
lichen Dingen, z. B. in der Aſtronomie, aͤhnliche Bey-
ſpiele haben; wenn, ſage ich, dieß erklaͤrt wird, ſo
deucht mich, ich koͤnne als Philoſoph vom Philoſophen
fodern, daß man mich aushoͤren, und nicht zu voreilig
durch die Abſtraktion von der Freyheit ſich an der rich-
tigen Beobachtung ihrer Aeußerungen ſtoͤren laſſe.
Jn den mathematiſchen Wiſſenſchaften kann man
ſeine Meinung mit wenig Worten ſagen, ohne befuͤrch-
ten zu duͤrfen, von denen mißverſtanden zu werden, von
denen man richtig verſtanden werden will. Jn der
Philoſophie iſt es ſo weit noch nicht, es mag nun die
Unbeſtimmtheit der Begriffe, oder die Unvollkommen-
heit des Ausdrucks, Schuld daran ſeyn. Um alſo den
Mißdeutungen uͤber das, was ich hier unter dem zu-
reichenden Grunde verſtehe, den jede unſerer freyen
Handlungen hat, vorzubeugen, will ich einen wirkli-
chen Verſuch anfuͤhren, den ich mehrmals beſtaͤndig
mit einerley Erfolg angeſtellet habe. Daraus wird
man ſehen, was ich hier unter zureichendem Grund ver-
ſtehe. Jch mag ihn nicht ſo gern den voͤllig beſtim-
menden Grund nennen, weil der aktive Ausdruck be-
ſtunmend eine Nebenidee von einer Aktion des Grun-
des ausdruͤcket, die nicht allemal vorhanden iſt. Sonſt
iſt an einem Worte fuͤr ſich nichts gelegen.
Jch ſetze mir vor, meine rechte Hand auf das eine
oder auf das andere Ende eines Buchs, welches vor
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/73>, abgerufen am 16.02.2025.
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