V. Von der Gleichheit der Menschen in Hinsicht ih- rer innern Vollkommenheit.
1) Es giebt eine gewisse Gleichheit unter den entwickelten Menschen. 2) Nähere Bestimmung, wie weit diese Gleich- heit gehe. 3) Wie weit sie sich auf Blödsinnige erstrecke? 4) Grenzen der allgemeinen Gleichheit der Menschen, und Folgen derselben.
1.
Die vorhergehenden Betrachtungen über die Realitä- ten der menschlichen Natur sind zwar, so wie sie da liegen, zu allgemein und unbestimmt, um auf die Geschichte der Menschheit auf eine nähere Art zur Wür- digung von dieser angewendet zu werden. Aber wenn doch einmal der Grundsatz befestiget ist, daß die wahre Größe der Menschheit in den Jndividuen von der Größe der Selbstthätigkeit der Seelen abhange: so läßt sich jene in ihren vornehmsten Verschiedenheiten nicht mit ma- thematischer Genauigkeit abwägen, aber doch einiger- maßen vergleichen; so weit wenigstens, als es zu ei- nigen wichtigen praktischen Folgerungen hinreichet, die man aus einer solchen Vergleichung ziehen kann. Man nehme jenen Grundsatz als einen Maßstab in die Hand, und richte nun den Blick auf das Ganze der Menschheit, auf die Mannichfaltigkeit der Gattungen, der Völker und der Jndividuen. Welch ein unübersehbares Feld, das kaum die begeistertste Einbildungskraft umfasset! Verschiedene vortrefliche Philosophen haben schon Ver- gleichungen zwischen Menschen und Menschen angestel- let, da sie über die Geschichte der Menschheit gedacht haben. Aber wenn wird hier noch der Stoff fehlen zu
großen
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
V. Von der Gleichheit der Menſchen in Hinſicht ih- rer innern Vollkommenheit.
1) Es giebt eine gewiſſe Gleichheit unter den entwickelten Menſchen. 2) Naͤhere Beſtimmung, wie weit dieſe Gleich- heit gehe. 3) Wie weit ſie ſich auf Bloͤdſinnige erſtrecke? 4) Grenzen der allgemeinen Gleichheit der Menſchen, und Folgen derſelben.
1.
Die vorhergehenden Betrachtungen uͤber die Realitaͤ- ten der menſchlichen Natur ſind zwar, ſo wie ſie da liegen, zu allgemein und unbeſtimmt, um auf die Geſchichte der Menſchheit auf eine naͤhere Art zur Wuͤr- digung von dieſer angewendet zu werden. Aber wenn doch einmal der Grundſatz befeſtiget iſt, daß die wahre Groͤße der Menſchheit in den Jndividuen von der Groͤße der Selbſtthaͤtigkeit der Seelen abhange: ſo laͤßt ſich jene in ihren vornehmſten Verſchiedenheiten nicht mit ma- thematiſcher Genauigkeit abwaͤgen, aber doch einiger- maßen vergleichen; ſo weit wenigſtens, als es zu ei- nigen wichtigen praktiſchen Folgerungen hinreichet, die man aus einer ſolchen Vergleichung ziehen kann. Man nehme jenen Grundſatz als einen Maßſtab in die Hand, und richte nun den Blick auf das Ganze der Menſchheit, auf die Mannichfaltigkeit der Gattungen, der Voͤlker und der Jndividuen. Welch ein unuͤberſehbares Feld, das kaum die begeiſtertſte Einbildungskraft umfaſſet! Verſchiedene vortrefliche Philoſophen haben ſchon Ver- gleichungen zwiſchen Menſchen und Menſchen angeſtel- let, da ſie uͤber die Geſchichte der Menſchheit gedacht haben. Aber wenn wird hier noch der Stoff fehlen zu
großen
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
V.
Von der Gleichheit der Menſchen in Hinſicht ih-
rer innern Vollkommenheit.
1) Es giebt eine gewiſſe Gleichheit unter den
entwickelten Menſchen.
2) Naͤhere Beſtimmung, wie weit dieſe Gleich-
heit gehe.
3) Wie weit ſie ſich auf Bloͤdſinnige erſtrecke?
4) Grenzen der allgemeinen Gleichheit der
Menſchen, und Folgen derſelben.
1.
Die vorhergehenden Betrachtungen uͤber die Realitaͤ-
ten der menſchlichen Natur ſind zwar, ſo wie ſie
da liegen, zu allgemein und unbeſtimmt, um auf die
Geſchichte der Menſchheit auf eine naͤhere Art zur Wuͤr-
digung von dieſer angewendet zu werden. Aber wenn doch
einmal der Grundſatz befeſtiget iſt, daß die wahre Groͤße
der Menſchheit in den Jndividuen von der Groͤße der
Selbſtthaͤtigkeit der Seelen abhange: ſo laͤßt ſich jene
in ihren vornehmſten Verſchiedenheiten nicht mit ma-
thematiſcher Genauigkeit abwaͤgen, aber doch einiger-
maßen vergleichen; ſo weit wenigſtens, als es zu ei-
nigen wichtigen praktiſchen Folgerungen hinreichet, die
man aus einer ſolchen Vergleichung ziehen kann. Man
nehme jenen Grundſatz als einen Maßſtab in die Hand,
und richte nun den Blick auf das Ganze der Menſchheit,
auf die Mannichfaltigkeit der Gattungen, der Voͤlker
und der Jndividuen. Welch ein unuͤberſehbares Feld,
das kaum die begeiſtertſte Einbildungskraft umfaſſet!
Verſchiedene vortrefliche Philoſophen haben ſchon Ver-
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let, da ſie uͤber die Geſchichte der Menſchheit gedacht
haben. Aber wenn wird hier noch der Stoff fehlen zu
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/706>, abgerufen am 27.11.2024.
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