Jnteresse dabey hat, wenn sie erhöhet oder geschwächt wird.
Jn dem empfindenden Wesen, wie der Mensch ist, werden die physischen Realitäten zu Gegenständen des Gefühls, und also zu Vollkommenheiten für das Wesen selbst, zu Quellen seines Wohls und seines Wehs, und also Güter oder Uebel in einer bestimmtern Bedeu- tung. Es ist nicht zu zweifeln, daß nicht jede physische Realität, wie jedweder ihnen entgegengesetzte Mangel, in dem fühlenden Wesen, mittelbar oder unmittelbar dem Gefühl vorkommen, und also angenehme oder un- angenehme Empfindungen veranlassen werde. Daher auch die physischen Beschaffenheiten, von dieser Seite be- trachtet, insoferne sie in das Wohl oder Weh, in die Glückseligkeit oder Unglückseligkeit, einen Einfluß haben, auch eine respective Größe und einen respectiven Werth, oder eigentlich, eine innere Nutzbarkeit er- halten, den man im Anfang von jenem absoluten physi- schen Werthe unterscheiden muß. Denn wenn gleich die Betrachtung über den Menschen zuletzt auf das Re- sultat führt, daß jede seiner physischen Realitäten in dem Grade genossen wird, der ihrer physischen Größe ent- spricht: so sind doch der Umstände zu viele, unter wel- chen eine physische Realität Schmerzen, und ein wah- rer Mangel Vergnügen, wenigstens auf eine Zeitlang, durch eine Blendung der Einbildungskraft hervorbrin- gen kann, daß man zuerst jene für sich und ihre Größe zu betrachten hat, ehe man auf ihre Genießbarkeit hin- siehet. Wenn das Mannichfaltige bey einer Sache so groß ist wie hier, so werden die Begriffe leicht schwan- kend. Es ist um Verwirrung zu verhüten nöthig, im Anfang einen einzigen festen Gesichtspunkt zu suchen, aus dem sie sich am einfachsten und leichtesten übersehen läßt. Und hiezu dienen uns die angeführten Abstrak- tionen. Hernach können solche einseitige Betrachtun-
gen
und Entwickelung des Menſchen.
Jntereſſe dabey hat, wenn ſie erhoͤhet oder geſchwaͤcht wird.
Jn dem empfindenden Weſen, wie der Menſch iſt, werden die phyſiſchen Realitaͤten zu Gegenſtaͤnden des Gefuͤhls, und alſo zu Vollkommenheiten fuͤr das Weſen ſelbſt, zu Quellen ſeines Wohls und ſeines Wehs, und alſo Guͤter oder Uebel in einer beſtimmtern Bedeu- tung. Es iſt nicht zu zweifeln, daß nicht jede phyſiſche Realitaͤt, wie jedweder ihnen entgegengeſetzte Mangel, in dem fuͤhlenden Weſen, mittelbar oder unmittelbar dem Gefuͤhl vorkommen, und alſo angenehme oder un- angenehme Empfindungen veranlaſſen werde. Daher auch die phyſiſchen Beſchaffenheiten, von dieſer Seite be- trachtet, inſoferne ſie in das Wohl oder Weh, in die Gluͤckſeligkeit oder Ungluͤckſeligkeit, einen Einfluß haben, auch eine reſpective Groͤße und einen reſpectiven Werth, oder eigentlich, eine innere Nutzbarkeit er- halten, den man im Anfang von jenem abſoluten phyſi- ſchen Werthe unterſcheiden muß. Denn wenn gleich die Betrachtung uͤber den Menſchen zuletzt auf das Re- ſultat fuͤhrt, daß jede ſeiner phyſiſchen Realitaͤten in dem Grade genoſſen wird, der ihrer phyſiſchen Groͤße ent- ſpricht: ſo ſind doch der Umſtaͤnde zu viele, unter wel- chen eine phyſiſche Realitaͤt Schmerzen, und ein wah- rer Mangel Vergnuͤgen, wenigſtens auf eine Zeitlang, durch eine Blendung der Einbildungskraft hervorbrin- gen kann, daß man zuerſt jene fuͤr ſich und ihre Groͤße zu betrachten hat, ehe man auf ihre Genießbarkeit hin- ſiehet. Wenn das Mannichfaltige bey einer Sache ſo groß iſt wie hier, ſo werden die Begriffe leicht ſchwan- kend. Es iſt um Verwirrung zu verhuͤten noͤthig, im Anfang einen einzigen feſten Geſichtspunkt zu ſuchen, aus dem ſie ſich am einfachſten und leichteſten uͤberſehen laͤßt. Und hiezu dienen uns die angefuͤhrten Abſtrak- tionen. Hernach koͤnnen ſolche einſeitige Betrachtun-
gen
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und Entwickelung des Menſchen.
Jntereſſe dabey hat, wenn ſie erhoͤhet oder geſchwaͤcht
wird.
Jn dem empfindenden Weſen, wie der Menſch
iſt, werden die phyſiſchen Realitaͤten zu Gegenſtaͤnden
des Gefuͤhls, und alſo zu Vollkommenheiten fuͤr das
Weſen ſelbſt, zu Quellen ſeines Wohls und ſeines Wehs,
und alſo Guͤter oder Uebel in einer beſtimmtern Bedeu-
tung. Es iſt nicht zu zweifeln, daß nicht jede phyſiſche
Realitaͤt, wie jedweder ihnen entgegengeſetzte Mangel,
in dem fuͤhlenden Weſen, mittelbar oder unmittelbar
dem Gefuͤhl vorkommen, und alſo angenehme oder un-
angenehme Empfindungen veranlaſſen werde. Daher
auch die phyſiſchen Beſchaffenheiten, von dieſer Seite be-
trachtet, inſoferne ſie in das Wohl oder Weh, in die
Gluͤckſeligkeit oder Ungluͤckſeligkeit, einen Einfluß haben,
auch eine reſpective Groͤße und einen reſpectiven
Werth, oder eigentlich, eine innere Nutzbarkeit er-
halten, den man im Anfang von jenem abſoluten phyſi-
ſchen Werthe unterſcheiden muß. Denn wenn gleich
die Betrachtung uͤber den Menſchen zuletzt auf das Re-
ſultat fuͤhrt, daß jede ſeiner phyſiſchen Realitaͤten in dem
Grade genoſſen wird, der ihrer phyſiſchen Groͤße ent-
ſpricht: ſo ſind doch der Umſtaͤnde zu viele, unter wel-
chen eine phyſiſche Realitaͤt Schmerzen, und ein wah-
rer Mangel Vergnuͤgen, wenigſtens auf eine Zeitlang,
durch eine Blendung der Einbildungskraft hervorbrin-
gen kann, daß man zuerſt jene fuͤr ſich und ihre Groͤße
zu betrachten hat, ehe man auf ihre Genießbarkeit hin-
ſiehet. Wenn das Mannichfaltige bey einer Sache ſo
groß iſt wie hier, ſo werden die Begriffe leicht ſchwan-
kend. Es iſt um Verwirrung zu verhuͤten noͤthig, im
Anfang einen einzigen feſten Geſichtspunkt zu ſuchen,
aus dem ſie ſich am einfachſten und leichteſten uͤberſehen
laͤßt. Und hiezu dienen uns die angefuͤhrten Abſtrak-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/665>, abgerufen am 24.11.2024.
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