turells gar sehr bemerken lassen. Die Meinung des Hr. Paw, daß die Stupidität der Amerikaner, auch noch in ihren Nachkommen, als ein Erbfehler sich offenbare, ist eine wahrscheinliche Vermuthung; aber es ist doch schwer, durch Erfahrungen dieß völlig zu beweisen. Charlevoix*) bezeuget sonsten von den Jndianern in Paraguay, daß, ob sie gleich geschickt genug wären nach- zumachen, was man ihnen vorzeiget, sie doch keine Fä- higkeit spüren lassen etwas neues zu erfinden, die er sonsten wohl nicht unangemerkt gelassen haben würde, da er ihren Verstand für eine übernatürliche Wirkung seiner Religion ansah.
2.
Jn Hinsicht der Naturverschiedenheit unter den Menschen ist die erste hier vorkommende Frage: ob sol- che so weit gehe, daß sie verschiedene Menschenarten hervorbringe? Denn wenn der Unterschied, den man in allen mannichfaltigen Gattungen von Menschen auf der Welt antrift, nur allein eine Wirkung von dem Ein- fluß äußerer Ursachen und Umstände ist: so fällt es von selbst weg, daß solche für eine Geschlechtsverschie- denheit oder Verschiedenartigkeit gehalten werden kann. Aber wenn die Unterscheidungsmerkmale aus der Natur selbst entspringen, so muß eine Verschieden- heit an der Art zugegeben werden. Daher giebt es einen Weg, die angeborne Verschiedenheit zu bestim- men, wenn es ausgemacht werden kann, wie weit die Verschiedenheit in den Menschengattungen gehe, die wir unter ihnen antreffen?
Alle Menschen ohne Ausnahme sind Wesen Einer Natur und Eines Geschlechts, Eines Bluts. Dieß kann eben so sehr von ihnen in Hinsicht ihrer See-
lennatur
*) Geschichte von Paraguay I Th. 5. B.
IITheil. N n
und Entwickelung des Menſchen.
turells gar ſehr bemerken laſſen. Die Meinung des Hr. Paw, daß die Stupiditaͤt der Amerikaner, auch noch in ihren Nachkommen, als ein Erbfehler ſich offenbare, iſt eine wahrſcheinliche Vermuthung; aber es iſt doch ſchwer, durch Erfahrungen dieß voͤllig zu beweiſen. Charlevoix*) bezeuget ſonſten von den Jndianern in Paraguay, daß, ob ſie gleich geſchickt genug waͤren nach- zumachen, was man ihnen vorzeiget, ſie doch keine Faͤ- higkeit ſpuͤren laſſen etwas neues zu erfinden, die er ſonſten wohl nicht unangemerkt gelaſſen haben wuͤrde, da er ihren Verſtand fuͤr eine uͤbernatuͤrliche Wirkung ſeiner Religion anſah.
2.
Jn Hinſicht der Naturverſchiedenheit unter den Menſchen iſt die erſte hier vorkommende Frage: ob ſol- che ſo weit gehe, daß ſie verſchiedene Menſchenarten hervorbringe? Denn wenn der Unterſchied, den man in allen mannichfaltigen Gattungen von Menſchen auf der Welt antrift, nur allein eine Wirkung von dem Ein- fluß aͤußerer Urſachen und Umſtaͤnde iſt: ſo faͤllt es von ſelbſt weg, daß ſolche fuͤr eine Geſchlechtsverſchie- denheit oder Verſchiedenartigkeit gehalten werden kann. Aber wenn die Unterſcheidungsmerkmale aus der Natur ſelbſt entſpringen, ſo muß eine Verſchieden- heit an der Art zugegeben werden. Daher giebt es einen Weg, die angeborne Verſchiedenheit zu beſtim- men, wenn es ausgemacht werden kann, wie weit die Verſchiedenheit in den Menſchengattungen gehe, die wir unter ihnen antreffen?
Alle Menſchen ohne Ausnahme ſind Weſen Einer Natur und Eines Geſchlechts, Eines Bluts. Dieß kann eben ſo ſehr von ihnen in Hinſicht ihrer See-
lennatur
*) Geſchichte von Paraguay I Th. 5. B.
IITheil. N n
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und Entwickelung des Menſchen.
turells gar ſehr bemerken laſſen. Die Meinung des Hr.
Paw, daß die Stupiditaͤt der Amerikaner, auch noch
in ihren Nachkommen, als ein Erbfehler ſich offenbare,
iſt eine wahrſcheinliche Vermuthung; aber es iſt doch
ſchwer, durch Erfahrungen dieß voͤllig zu beweiſen.
Charlevoix *) bezeuget ſonſten von den Jndianern in
Paraguay, daß, ob ſie gleich geſchickt genug waͤren nach-
zumachen, was man ihnen vorzeiget, ſie doch keine Faͤ-
higkeit ſpuͤren laſſen etwas neues zu erfinden, die er
ſonſten wohl nicht unangemerkt gelaſſen haben wuͤrde,
da er ihren Verſtand fuͤr eine uͤbernatuͤrliche Wirkung
ſeiner Religion anſah.
2.
Jn Hinſicht der Naturverſchiedenheit unter den
Menſchen iſt die erſte hier vorkommende Frage: ob ſol-
che ſo weit gehe, daß ſie verſchiedene Menſchenarten
hervorbringe? Denn wenn der Unterſchied, den man
in allen mannichfaltigen Gattungen von Menſchen auf
der Welt antrift, nur allein eine Wirkung von dem Ein-
fluß aͤußerer Urſachen und Umſtaͤnde iſt: ſo faͤllt es von
ſelbſt weg, daß ſolche fuͤr eine Geſchlechtsverſchie-
denheit oder Verſchiedenartigkeit gehalten werden
kann. Aber wenn die Unterſcheidungsmerkmale aus
der Natur ſelbſt entſpringen, ſo muß eine Verſchieden-
heit an der Art zugegeben werden. Daher giebt es
einen Weg, die angeborne Verſchiedenheit zu beſtim-
men, wenn es ausgemacht werden kann, wie weit die
Verſchiedenheit in den Menſchengattungen gehe, die wir
unter ihnen antreffen?
Alle Menſchen ohne Ausnahme ſind Weſen Einer
Natur und Eines Geſchlechts, Eines Bluts.
Dieß kann eben ſo ſehr von ihnen in Hinſicht ihrer See-
lennatur
*) Geſchichte von Paraguay I Th. 5. B.
II Theil. N n
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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