Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
chen Bestandtheile eine Modifikation in den Kräften
und Vermögen des Einfachen nach sich ziehet, und diese
Kräfte und Beschaffenheiten in dem Jnnern der Sub-
stanzen, in Hinsicht ihrer intensiven Größen und ihrer
innern Beziehungen aufeinander, eben sowohl einer
Veränderung fähig sind, als die zusammengesetzten or-
ganisirten Körper: *) so läßt sich in der unkörperlichen
Seele nicht nur eine gewisse Ausbildung in dem Jnnern,
sondern auch eine gewisse Aehnlichkeit in der Folge und
in den Gesetzen dieser Ausbildung gedenken, die auf die
Entwickelung des Gehirns in einer beständigen Bezie-
hung stehet.

Dieß ist der Grund, und auch zugleich die Gränze,
der Analogie zwischen der Entwickelung der Seele und
des Körpers. Schlüsse und Folgerungen die hierauf,
aber nur nicht auf etwas, das außerhalb dieser Gränze
liegt, gebauet werden, müssen zu Vermuthungen füh-
ren, welche, wenn sie mit den Folgen übereinstimmen,
die man aus der Beobachtung ziehen kann, diese letztern
bestätigen und wiederum durch diese bestätiget werden.
Jene gewinnen eine Wahrscheinlichkeit, nicht nur so
ferne sie bloß eben dasselbige lehren, was die Erfahrung
lehret, sondern auch da, wo sie weiter gehen und uns
noch einen Schritt näher zu dem Jnnern der Natur
hinbringen.

II.
Von dem Seelenwesen im Keim. Die imma-
terielle Seele kann nicht entstehen wie der Kör-
per. Aber der Keim des menschlichen Seelen-
wesens kann entstehen.

Der Keim des Menschen und des menschlichen See-
lenwesens entstehet, und kann entstehen, durch eine
Vereinigung der sich entwickelnden Gefäße in dem or-

ganischen
*) S. dreyzehnten Versuch IV. 2.

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
chen Beſtandtheile eine Modifikation in den Kraͤften
und Vermoͤgen des Einfachen nach ſich ziehet, und dieſe
Kraͤfte und Beſchaffenheiten in dem Jnnern der Sub-
ſtanzen, in Hinſicht ihrer intenſiven Groͤßen und ihrer
innern Beziehungen aufeinander, eben ſowohl einer
Veraͤnderung faͤhig ſind, als die zuſammengeſetzten or-
ganiſirten Koͤrper: *) ſo laͤßt ſich in der unkoͤrperlichen
Seele nicht nur eine gewiſſe Ausbildung in dem Jnnern,
ſondern auch eine gewiſſe Aehnlichkeit in der Folge und
in den Geſetzen dieſer Ausbildung gedenken, die auf die
Entwickelung des Gehirns in einer beſtaͤndigen Bezie-
hung ſtehet.

Dieß iſt der Grund, und auch zugleich die Graͤnze,
der Analogie zwiſchen der Entwickelung der Seele und
des Koͤrpers. Schluͤſſe und Folgerungen die hierauf,
aber nur nicht auf etwas, das außerhalb dieſer Graͤnze
liegt, gebauet werden, muͤſſen zu Vermuthungen fuͤh-
ren, welche, wenn ſie mit den Folgen uͤbereinſtimmen,
die man aus der Beobachtung ziehen kann, dieſe letztern
beſtaͤtigen und wiederum durch dieſe beſtaͤtiget werden.
Jene gewinnen eine Wahrſcheinlichkeit, nicht nur ſo
ferne ſie bloß eben daſſelbige lehren, was die Erfahrung
lehret, ſondern auch da, wo ſie weiter gehen und uns
noch einen Schritt naͤher zu dem Jnnern der Natur
hinbringen.

II.
Von dem Seelenweſen im Keim. Die imma-
terielle Seele kann nicht entſtehen wie der Koͤr-
per. Aber der Keim des menſchlichen Seelen-
weſens kann entſtehen.

Der Keim des Menſchen und des menſchlichen See-
lenweſens entſtehet, und kann entſtehen, durch eine
Vereinigung der ſich entwickelnden Gefaͤße in dem or-

ganiſchen
*) S. dreyzehnten Verſuch IV. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0570" n="540"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Ver&#x017F;. Ueber die Perfektibilita&#x0364;t</hi></fw><lb/>
chen Be&#x017F;tandtheile eine Modifikation in den Kra&#x0364;ften<lb/>
und Vermo&#x0364;gen des Einfachen nach &#x017F;ich ziehet, und die&#x017F;e<lb/>
Kra&#x0364;fte und Be&#x017F;chaffenheiten in dem Jnnern der Sub-<lb/>
&#x017F;tanzen, in Hin&#x017F;icht ihrer inten&#x017F;iven Gro&#x0364;ßen und ihrer<lb/>
innern Beziehungen aufeinander, eben &#x017F;owohl einer<lb/>
Vera&#x0364;nderung fa&#x0364;hig &#x017F;ind, als die zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten or-<lb/>
gani&#x017F;irten Ko&#x0364;rper: <note place="foot" n="*)">S. dreyzehnten Ver&#x017F;uch <hi rendition="#aq">IV.</hi> 2.</note> &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich in der unko&#x0364;rperlichen<lb/>
Seele nicht nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ausbildung in dem Jnnern,<lb/>
&#x017F;ondern auch eine gewi&#x017F;&#x017F;e Aehnlichkeit in der Folge und<lb/>
in den Ge&#x017F;etzen die&#x017F;er Ausbildung gedenken, die auf die<lb/>
Entwickelung des Gehirns in einer be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Bezie-<lb/>
hung &#x017F;tehet.</p><lb/>
            <p>Dieß i&#x017F;t der Grund, und auch zugleich die Gra&#x0364;nze,<lb/>
der Analogie zwi&#x017F;chen der Entwickelung der Seele und<lb/>
des Ko&#x0364;rpers. Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Folgerungen die hierauf,<lb/>
aber nur nicht auf etwas, das außerhalb die&#x017F;er Gra&#x0364;nze<lb/>
liegt, gebauet werden, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu Vermuthungen fu&#x0364;h-<lb/>
ren, welche, wenn &#x017F;ie mit den Folgen u&#x0364;berein&#x017F;timmen,<lb/>
die man aus der Beobachtung ziehen kann, die&#x017F;e letztern<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tigen und wiederum durch die&#x017F;e be&#x017F;ta&#x0364;tiget werden.<lb/>
Jene gewinnen eine Wahr&#x017F;cheinlichkeit, nicht nur &#x017F;o<lb/>
ferne &#x017F;ie bloß eben da&#x017F;&#x017F;elbige lehren, was die Erfahrung<lb/>
lehret, &#x017F;ondern auch da, wo &#x017F;ie weiter gehen und uns<lb/>
noch einen Schritt na&#x0364;her zu dem Jnnern der Natur<lb/>
hinbringen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
Von dem Seelenwe&#x017F;en im Keim. Die imma-<lb/>
terielle Seele kann nicht ent&#x017F;tehen wie der Ko&#x0364;r-<lb/>
per. Aber der Keim des men&#x017F;chlichen Seelen-<lb/>
we&#x017F;ens kann ent&#x017F;tehen.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>er Keim des Men&#x017F;chen und des men&#x017F;chlichen See-<lb/>
lenwe&#x017F;ens ent&#x017F;tehet, und kann ent&#x017F;tehen, durch eine<lb/>
Vereinigung der &#x017F;ich entwickelnden Gefa&#x0364;ße in dem or-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gani&#x017F;chen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[540/0570] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt chen Beſtandtheile eine Modifikation in den Kraͤften und Vermoͤgen des Einfachen nach ſich ziehet, und dieſe Kraͤfte und Beſchaffenheiten in dem Jnnern der Sub- ſtanzen, in Hinſicht ihrer intenſiven Groͤßen und ihrer innern Beziehungen aufeinander, eben ſowohl einer Veraͤnderung faͤhig ſind, als die zuſammengeſetzten or- ganiſirten Koͤrper: *) ſo laͤßt ſich in der unkoͤrperlichen Seele nicht nur eine gewiſſe Ausbildung in dem Jnnern, ſondern auch eine gewiſſe Aehnlichkeit in der Folge und in den Geſetzen dieſer Ausbildung gedenken, die auf die Entwickelung des Gehirns in einer beſtaͤndigen Bezie- hung ſtehet. Dieß iſt der Grund, und auch zugleich die Graͤnze, der Analogie zwiſchen der Entwickelung der Seele und des Koͤrpers. Schluͤſſe und Folgerungen die hierauf, aber nur nicht auf etwas, das außerhalb dieſer Graͤnze liegt, gebauet werden, muͤſſen zu Vermuthungen fuͤh- ren, welche, wenn ſie mit den Folgen uͤbereinſtimmen, die man aus der Beobachtung ziehen kann, dieſe letztern beſtaͤtigen und wiederum durch dieſe beſtaͤtiget werden. Jene gewinnen eine Wahrſcheinlichkeit, nicht nur ſo ferne ſie bloß eben daſſelbige lehren, was die Erfahrung lehret, ſondern auch da, wo ſie weiter gehen und uns noch einen Schritt naͤher zu dem Jnnern der Natur hinbringen. II. Von dem Seelenweſen im Keim. Die imma- terielle Seele kann nicht entſtehen wie der Koͤr- per. Aber der Keim des menſchlichen Seelen- weſens kann entſtehen. Der Keim des Menſchen und des menſchlichen See- lenweſens entſtehet, und kann entſtehen, durch eine Vereinigung der ſich entwickelnden Gefaͤße in dem or- ganiſchen *) S. dreyzehnten Verſuch IV. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/570
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/570>, abgerufen am 22.11.2024.