Keim bestimmt sind, zufrieden gewesen seyn, und sol- ches für eben das gehalten haben, was er nur mit an- dern Worten sagte und von einer andern Seite vor- stellte. Jst der ursprüngliche Grund von der Tendenz der Fibern, sich weiter zu Keimen zu vereinigen, sich an mehrern Stellen zugleich zu mehrern Keimen zu vereinigen, nicht selbst eine gewisse ursprüngliche Ten- denz gegeneinander? oder sind es nicht mehrere solche Tendenzen, wenn mehrere Vereinigungen in der Folge geschehen? und sind jene ursprüngliche Tendenzen nicht ursprüngliche Formen, und im Kleinen das, was nach- her im Großen entstehet? und also Anlagen zu den neuen Keimen? Man könnte hinzusetzen, daß nach der allge- meinen Analogie zwischen einem bestimmten Grunde und zwischen dem, das durch ihn bestimmt wird, das letztere als eine Abbildung von dem erstern, und das erstere als ein Anfang von dem letztern, und als ein Grund- riß von ihm angesehen werden müsse. *) Allein wenn man, so wie es seyn muß, die Begriffe deutlich zu be- stimmen sucht, so wird man finden, die Phantasie habe etwas von dem Bilde des Ausdrucks dem Eigentlichen der Sache beygemischet.
Denn wenn in dem Keim nichts mehr ist, als der bestimmende Grund zu einem neuen Keim, oder zu jedwedem andern Gliede, Theil oder Form des entwi- ckelten Körpers, so heißt dieß weiter nichts, als so viel: "wenn der so gebildete Keim die gehörige Nahrung ein- "ziehet und unter die äußern Umstände gesetzet ist, "ohne welche seine Entwickelung nicht vor sich geht, so "wird seine innere Einrichtung die Folge haben, daß "die sich entwickelnden Fibern in Richtungen kommen, "die zu dem neuen Theil nöthig sind." Der neue Keim ist also in dem alten bestimmt, in so ferne die aus dem
alten
*) Erst. Versuch. II.
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Keim beſtimmt ſind, zufrieden geweſen ſeyn, und ſol- ches fuͤr eben das gehalten haben, was er nur mit an- dern Worten ſagte und von einer andern Seite vor- ſtellte. Jſt der urſpruͤngliche Grund von der Tendenz der Fibern, ſich weiter zu Keimen zu vereinigen, ſich an mehrern Stellen zugleich zu mehrern Keimen zu vereinigen, nicht ſelbſt eine gewiſſe urſpruͤngliche Ten- denz gegeneinander? oder ſind es nicht mehrere ſolche Tendenzen, wenn mehrere Vereinigungen in der Folge geſchehen? und ſind jene urſpruͤngliche Tendenzen nicht urſpruͤngliche Formen, und im Kleinen das, was nach- her im Großen entſtehet? und alſo Anlagen zu den neuen Keimen? Man koͤnnte hinzuſetzen, daß nach der allge- meinen Analogie zwiſchen einem beſtimmten Grunde und zwiſchen dem, das durch ihn beſtimmt wird, das letztere als eine Abbildung von dem erſtern, und das erſtere als ein Anfang von dem letztern, und als ein Grund- riß von ihm angeſehen werden muͤſſe. *) Allein wenn man, ſo wie es ſeyn muß, die Begriffe deutlich zu be- ſtimmen ſucht, ſo wird man finden, die Phantaſie habe etwas von dem Bilde des Ausdrucks dem Eigentlichen der Sache beygemiſchet.
Denn wenn in dem Keim nichts mehr iſt, als der beſtimmende Grund zu einem neuen Keim, oder zu jedwedem andern Gliede, Theil oder Form des entwi- ckelten Koͤrpers, ſo heißt dieß weiter nichts, als ſo viel: „wenn der ſo gebildete Keim die gehoͤrige Nahrung ein- „ziehet und unter die aͤußern Umſtaͤnde geſetzet iſt, „ohne welche ſeine Entwickelung nicht vor ſich geht, ſo „wird ſeine innere Einrichtung die Folge haben, daß „die ſich entwickelnden Fibern in Richtungen kommen, „die zu dem neuen Theil noͤthig ſind.‟ Der neue Keim iſt alſo in dem alten beſtimmt, in ſo ferne die aus dem
alten
*) Erſt. Verſuch. II.
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Keim beſtimmt ſind, zufrieden geweſen ſeyn, und ſol-
ches fuͤr eben das gehalten haben, was er nur mit an-
dern Worten ſagte und von einer andern Seite vor-
ſtellte. Jſt der urſpruͤngliche Grund von der Tendenz
der Fibern, ſich weiter zu Keimen zu vereinigen, ſich
an mehrern Stellen zugleich zu mehrern Keimen zu
vereinigen, nicht ſelbſt eine gewiſſe urſpruͤngliche Ten-
denz gegeneinander? oder ſind es nicht mehrere ſolche
Tendenzen, wenn mehrere Vereinigungen in der Folge
geſchehen? und ſind jene urſpruͤngliche Tendenzen nicht
urſpruͤngliche Formen, und im Kleinen das, was nach-
her im Großen entſtehet? und alſo Anlagen zu den neuen
Keimen? Man koͤnnte hinzuſetzen, daß nach der allge-
meinen Analogie zwiſchen einem beſtimmten Grunde und
zwiſchen dem, das durch ihn beſtimmt wird, das letztere
als eine Abbildung von dem erſtern, und das erſtere
als ein Anfang von dem letztern, und als ein Grund-
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man, ſo wie es ſeyn muß, die Begriffe deutlich zu be-
ſtimmen ſucht, ſo wird man finden, die Phantaſie habe
etwas von dem Bilde des Ausdrucks dem Eigentlichen
der Sache beygemiſchet.
Denn wenn in dem Keim nichts mehr iſt, als der
beſtimmende Grund zu einem neuen Keim, oder zu
jedwedem andern Gliede, Theil oder Form des entwi-
ckelten Koͤrpers, ſo heißt dieß weiter nichts, als ſo viel:
„wenn der ſo gebildete Keim die gehoͤrige Nahrung ein-
„ziehet und unter die aͤußern Umſtaͤnde geſetzet iſt,
„ohne welche ſeine Entwickelung nicht vor ſich geht, ſo
„wird ſeine innere Einrichtung die Folge haben, daß
„die ſich entwickelnden Fibern in Richtungen kommen,
„die zu dem neuen Theil noͤthig ſind.‟ Der neue Keim
iſt alſo in dem alten beſtimmt, in ſo ferne die aus dem
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*) Erſt. Verſuch. II.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/558>, abgerufen am 22.11.2024.
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